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Exotisches Gewerbe Nichtraucher verschreibt sich dem Tabak

Bernhard Baldauf kultiviert in Gerlebogk Tabak.

Von Harald Lütkemeier 12.10.2016, 15:12

Gerlebogk l Einem exotischen Gewerbe hat sich Bernhard Baldauf verschrieben. Seit 2001 baut er bei Gerlebogk im Salzlandkreis Tabak an. Anfangs im Nebengewerbe, seit 2007 als Landwirt. Derzeit befindet er sich mitten drin in der Tabakernte. Diese dauert mehrere Wochen bis Ende Oktober. Besonders die Ernte ist sehr arbeitsaufwendig, erklärt der Landwirt, der eigentlich längst seinen Ruhestand genießen könnte. Doch der 72-Jährige wird seiner Arbeit nicht müde. Er widmet sich gern seinem Tabak, dabei gehört er selbst seit einigen Jahren zu der Nichtraucherfraktion.

Derzeit geht es also darum, den Tabak zu ernten. Blatt für Blatt von unten nach oben werden die „Früchte“ in mehreren Durchgängen per Hand zwischen Juli und Oktober geerntet. 20 Blätter je Pflanze (die bis zwei Meter hoch wachsen) und somit 600 000 Blätter pro Hektar sind das Ergebnis. Der Arbeitszeitaufwand im Tabakanbau insgesamt ist mit zirka 1000 Stunden je Hektar sehr hoch. „Während in den vorangegangenen Jahren die Tabakblätter auf drei Etagen in einem halbrunden Folienzelt zum Trocknen auf einer Länge von 70 Metern aufgehängt wurden, erfolgt die Trocknung jetzt arbeitserleichternd in den vier modernen Tabaktrocknern“, erklärt der 72–jährige Ingenieur für Zuckertechnologie stolz.

Die Öfen bedürfen einer ständigen Temperaturkontrolle zur Qualitätssicherung der Tabakblätter und müssen mit viel Fachkenntnis gefahren werden. Denn der Prozess hat es in sich: Die Blätter werden in Tabaktrocknern verbracht, der Wassergehalt der Blätter wird hier von 90 Prozent direkt nach der Ernte auf 15 Prozent gesenkt. Der Trocknungsprozess dauert sieben Tage und durchläuft mehrere Phasen: Vergilbung bei 38 Grad Celsius, Farbfixierung bei 47 Grad Celsius, Blatttrocknung-Spreite bei 60 Grad Celsius, Rippentrocknung bei 73 Grad Celsius, zum Schluss die Wiederanfeuchtung (sonst zerbröseln die Blätter).

In einem alten Kuhstall der Gerlebogker Landwirte e.G. hat Bernhard Baldauf seit rund zwölf Jahren seine „Tabakfabrik“ in Betrieb. Hier wird auch für die neue Saison gezüchtet. Derzeit sind die vier Tabaktrockner rund um die Uhr in Betrieb, nach dem Trocknungsprozess der Tabakblätter wird der Packrahmen auf dem Sortiertisch entleert (250 bis 400 Kilo Trockengut). Die Blätter werden jetzt entsprechend ihrer Beschaffenheit sortiert. Anschließend werden die Tabakblätter in große Kartons verpackt - zwischen 50 und 60 Kilogramm wiegt ein solcher Karton am Ende.

Diese Abläufe laufen ständig mit der Blatternte einher - in der Regel abends. „ Die extreme Trockenheit und viel zu geringen Niederschläge in diesem Jahr führten zu erheblichen Verlusten“, schätzt Baldauf ein und zeigt sich mit der Qualität der diesjährigen Ernte unzufrieden. Für den Preis, den er in der Vermarktung seines Tabaks erzielt, ist die Qualität der getrockneten Blätter maßgeblich, die in drei Qualitätsklassen entsprechend einer Rahmenrichtlinie unterteilt wird. Ziel ist es natürlich, möglichst viel Tabak in der Qualitätsklasse I zu verkaufen.

Auf zwei Hektar in Ilbersdorf baut er die Nutzpflanzen, aus denen der Rohtabak für die Industrie gewonnen wird, an. Bis 2010 Tabak der Sorte Burley. Mit der rigerosen Einstellung der EU-Förderung musste er sich für eine neue Tabaksorte entscheiden und seine Technologie stark verändern. Aufhören? Das kam für den Unternehmer nicht in Frage. Mit einem neuen Konzept investierte er in vier Tabaktrockner mit einer Aufnahmeleistung von je vier Tonnen Grünmasse und entschied sich für den Virgin–Tabak. „Dieser besticht durch seine zitronengelbe Farbe und eignet sich besonders für die Zigarettenherstellung“, sagt Bernhard Baldauf. Sein geringer Nikotingehalt sei äußerst vorteilhaft. Diese Sorte mache über 90 Prozent des aktuellen Anbauumfangs in Deutschland aus. Die Anzucht der Tabakpflanzen von Anfang März bis Ende April betreibt er in großen Folienzelten neben ehemaligen Stallgebäuden, das Auspflanzen auf dem Feld erfolgt Anfang Mai, wenn die Gefahr von Spätfrösten geringer ist. Die Pflanzung erfolgt mit einer kleinen Pflanzmaschine, die arbeitsintensive Bestandspflege durch eine mehrfache Maschinenhacke sowie in Handarbeit.

Wie viel der gebürtige Mecklenburger letztendlich mit der diesjährigen Ernte verdient, ist von der offiziellen Wägung und Qualitätsbewertung in der Ankaufstelle in Mühlanger bei Wittenberg (hier ist auch der Sitz des Landesverbandes Tabakpflanzer Ost) abhängig. Entsprechend den dort entnommenen Proben wird der angelieferte Tabak klassifiziert.