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Fehlbetrag Politische Erblast drückt ans Tageslicht

Die Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft im Kreis Bernburg mbH ist nur knapp an einem Insolvenzantrag vorbeigeschrammt.

Von Olaf Koch 14.09.2017, 19:53

Schönebeck/Staßfurt l „10 Jahre Salzlandkreis“ – und so langsam drücken die ersten politischen Leichen der Kreisgebietsreform ans Tageslicht. Es sind Altlasten aus dunkler Vorzeit des früheren Landkreises Bernburg, die am Mittwochabend die Mitglieder des Kreistages in helle Aufregung versetzten. „Jetzt wird mir das langsam unheimlich“, brummelte Ex-Innenminister Manfred Püchel (SPD) in den Saal. Er ahnt vielleicht schon, dass der gesamte Vorgang bald nicht nur den Kreistag beschäftigen wird, sondern womöglich die Staatsanwaltschaft?

Ziemlich zum Schluss der Kreistagssitzung hatten die Mitglieder über die Beschlussvorlage B/0632/2017 zu befinden. Die Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft im Kreis Bernburg mbH (WFG), inzwischen eine Beteiligungsgesellschaft des Salzlandkreises, fordert vom Kreis Geld als sogenannte Nachschusspflicht. Der Grund: Der Gewinn und Verlustrechnung der WFG für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2015 steht auf ziemlich krummen Füßen und endet mit einem dicken Minus. Laut Beschlussvorlage im Kreistag summiert sich der Fehlbetrag der Gesellschaft auf satte 1,859 Millionen Euro.

Hintergrund dieses Fehlbetrages sind Grundstücksvorgänge. Demnach geht es um die notwendige Abschreibung bilanzierter Erschließungskosten für nicht im Eigentum der Wirtschaftsfördergesellschaft befindliche Grundstücke in Höhe von 1,177 Millionen Euro und die Abwertung des Gewerbegebietes Alsleben vom Gewerbegebiet zur Ackerfläche aufgrund der Umwidmung der Stadt Alsleben in Höhe von knapp 682.000 Euro.

Laut Gesellschaftervertrag wurde eine Nachschusspflicht mit in die Regelung des Vertrages aufgenommen: „Die Gesellschafter verpflichten sich, neben der Erbringung der Stammeinlage zur Sicherstellung der Finanzierung der Gesellschaft zu weiteren Einzahlungen pro Jahr, soweit dies erforderlich ist. Über diese Nachschüsse und deren Höhe beschließt die Gesellschafterversammlung. Die Zahlung wird fällig, sobald die Gesellschaftsführer sie anfordern.“

Sowohl in der Gesellschafterversammlung als auch dem Kreistag vorangestellten Haushalts- und Finanzausschuss ging die Beschlussvorlage mehrheitlich durch. Bis Mittwochabend zum Kreistag lief somit alles glatt, doch dann kamen die Nachfragen. Neben vielen „so viel ich weiß“ und „wie ich mich erinnern kann“ kam nichts Erhellendes ans Tageslicht. Der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft im Kreis Bernburg mbH, Holger Naumann, steht noch nicht so lange an der Spitze, als dass er Aufklärendes beitragen konnte. Die Vorgänge, unter anderem sollen Flächen kostenlos an Bauern zur Nutzung übergeben worden sein, müssen sich in der Zeit des real existierenden Landkreises Bernburg zugetragen haben.

Viel Licht konnte Holger Naumann somit nicht machen. Sein ziemlich ehrlicher Hinweis auf Nachfrage eines Kreistagsmitgliedes, ob die beiden Grundstücksvorgänge dieser Beschlussvorlage die Einzigen seien: „Ich kann nicht garantieren, dass das alles ist.“

Hinzu scheint wohl auch noch eine gewisse amtliche Schlamperei zu kommen. Bislang konnten sich Holger Naumann und die seit kurzem zuständige Fachbereichsleiterin Soziales, Familie und Bildung, Petra Czuratis, nicht durch Akten, Dokumente und Papiere der WFG wühlen – weil es nämlich keine mehr gibt oder richtigerweise geben soll. Resignierendes Schulterzucken. Eine Aufarbeitung wird sich so nicht ganz einfach gestalten. Es sei denn, die Ordner mit den Vorgängen werden irgendwo noch gefunden.

Insgesamt dreimal fragten einzelne Kreistagsmitglieder bei Verantwortlichen des Landkreises nach, was passieren wird, wenn der Kreistag die Beschlussvorlage und damit die Zuschusszahlung an die WFG Bernburg ablehnt? Dann wird aus dem langen Messer ein stumpfes, rostiges, langes Messer in Form der Insolvenz und einer geschätzten Verbindlichkeit in Höhe von 15 Millionen Euro, wie Fachbereichsleiterin Andrea Schellenberger des Szenario skizzierte.

Vor diesem Dilemma standen nun am Mittwochabend die Mitglieder des Kreistages: Entweder 1,8 Millionen Euro ohne Gewissheit, dass das alle Leichen im Keller der Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft im Kreis Bernburg mbH sind, oder 15 Millionen Euro in eine unkontrollierte Insolvenz. Welche Kröte ist da einfacher zu schlucken?

Der Kreistag einigte sich mehrheitlich auf den Versuch eines Mittelweges. Die Verwaltung hat nun einige Wochen Zeit, die politische Erblast der WFG aufzuarbeiten. Die Ergebnisse sollen bei einem Sonderkreistag vorgestellt werden. Dann wird entschieden, ob der Gesellschaft die 1,8 Millionen Euro Zuschuss überwiesen werden sollen.

Die Mitglieder der Fraktion Die Linke stimmten gegen diesen Weg. Sie wollten der Gesellschaft sofort das Geld zur Verfügung stellen, damit in Ruhe und ohne Hast die Akten gesucht werden können. Auch so kann Krisenmanagement aussehen – im Jahr 10 des Salzlandkreises.