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Feuerwehr Roschkowski: "Wir sind keine Brauerei"

Anstatt Werbematerial an die Feuerwehren zu verteilen, sollten Vorschriften angepasst werden, fordert der Calbenser Stadtwehrleiter.

Von Thomas Höfs 16.02.2018, 00:01

Calbe l Rund 300.000 Euro gibt das Land aus, um den Feuerwehren in den kommenden Tagen Werbematerial zuzuschicken. Plakate, Flyer, Postkarten, Anstecker, ein Handbuch und Bierdeckel soll es demnach geben.

„Ich finde das verwerflich“, sagt der Calbenser Stadtwehrleiter Jan Roschkowski. Die Mittel hätten an anderer Stelle sicherlich mehr geholfen, schiebt er nach. Unklar sei ihm noch, warum das Innenministerium den Feuerwehren für die Mitgliedergewinnung Bierdeckel schicke, sagt er. „Wir sind doch keine Brauerei.“

Seit Jahren kümmere sich die Feuerwehr Calbe um die Gewinnung neuer Mitglieder. Mit Plakataktionen und Flyern habe die Wehr bereits ihre Erfahrungen gesammelt, bestätigt er. Mit derartigen Aktionen lassen sich kaum neue Mitglieder gewinnen. Das gehe an der Lebensrealität deutlich vorbei, ist er überzeugt.

Man sollte nichts unterlassen, um neue Mitglieder für die Mitarbeit in der Feuerwehr zu finden, sagt Bürgermeister Sven Hause. Ob die Paketaktion des Innenministeriums den angestrebten Zweck erfülle, bleibe abzuwarten.

Neben ihrer Kernaufgabe, der Bekämpfung von Bränden und der Hilfeleistung, betätigen sich die Feuerwehren seit Jahren bereits in der Nachwuchsarbeit, erinnert er. Stattliche Zahlen können die Feuerwehren hierbei landesweit vorweisen, hat er sich intensiv mit dem Thema befasst. Allerdings führe die arbeitsintensive Jugendarbeit nicht dazu, dass die Zahlen der aktiven Mitglieder steigen. Im Gegenteil. Seit Jahren sinkt landesweit die Zahl der Einsatzkräfte in den Feuerwehren.

Den Kommunen fällt es zunehmend schwerer, Menschen zu einer Mitarbeit zu bewegen und sie zu begeistern. Der Dienst in den Feuerwehren müsse attraktiver und interessanter werden, sagt er.

Das sieht auch Stadtwehrleiter Jan Roschkowski so. Nach dem freiwilligen Eintritt in die Feuerwehr habe das Mitglied nur noch Pflichten.

Zunächst folgt nach dem Einritt die zweijährige Grundausbildung. Viele Stunden muss sich ein angehender Feuerwehrmann ausbilden lassen. Erst mit dieser Grundausbildung dürfe er an Einsätzen teilnehmen und vielleicht einen Schlauch halten, schildert er. Er plädiert dafür, die Ausbildung zu überarbeiten. Für einfache Arbeiten im Einsatz sei die Ausbildungszeit einfach zu lang. Darüber hätte er sich eine Debatte gewünscht, fordert er.

Während sich die Feuerwehren gleich nach dem Mauerfall vor allem aus den Jugendwehren verjüngten, sind die Kameraden heute vor allem auf die sogenannten Quereinsteiger angewiesen. Familienväter und -mütter, die in den Kommunen vielleicht ein Haus gebaut haben und sesshaft geworden sind, erzählt er. Gestandenen Menschen, die eine Ausbildung abgeschlossen haben und erfolgreich im Berufsleben stehen, könne er den Umfang der Feuerwehrausbildung aber kaum noch vermitteln. Anders als angehende Feuerwehrleute aus der Jugendfeuerwehr verfügen sie über Lebenserfahrung und müssten eine andere Ausbildung durchlaufen.

Außerdem finden viele Ausbildungen auf Kreisebene vor allem an den Wochenenden statt. Was für Jugendliche in der Regel kaum ein Problem darstellt, ist für Menschen, die im Berufsleben stehen und eine Familie haben, eine Hürde, sagt er.

Familienväter setzten sich nicht wochenlang jedes Wochenende in Lehrgänge, meint er. Hier müsse die Ausbildung so verändert werden, dass diese Zielgruppe sie auch besuchen wolle und könne. Das sei effektiver als Plakataktionen und Flyer, schätzt er weiter ein. Letztlich sei der Schwund der Mitglieder aber auch vielleicht darauf zurückzuführen, dass viele Aufgaben bei den Feuerwehren abgeladen wurden. Heute sind die einstigen Brandbekämpfer nicht mehr nur bei Bränden gefragt. Das Einsatzspektrum ist vielfältiger geworden, bestätigt der Stadtwehrleiter. Oftmals habe er den Eindruck, dass die Wehren mit vielen Fragen und Problemen allein gelassen werde. Daran sollten die Behörden arbeiten, fordert er. Das stärke das Ehrenamt.