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Flussreise Der Bischof fährt lieber mit dem Schiff

Eine historische Flussfahrt wird jetzt auf Saale und Elbe nachgestellt.

Von Ulrich Meinhard 26.08.2015, 16:25

Schönebeck l Er war klein. Nur 1.62 Meter groß. Er litt an einem Furunkel am Allerwertesten. Vielleicht waren es auch Hämorrhoiden. Deshalb reiste der Bischof ungern mit dem Pferd. Eine Schiffsfahrt war ihm lieber. Wie in jenem Sommer des Jahres 1015, als er von Merseburg nach Magdeburg musste. Zum Kaiser.

Die Rede ist von Bischof Thietmar, der vor allem als Geschichtsschreiber bekannt geworden ist. Seine historische Flussfahrt ist Grundlage für ein außergewöhnliches Projekt, für eine nachgestellte Reise von Dom zu Dom. Von Merseburg nach Magdeburg will am 28. August eine 20-köpfige Gruppe von Mittelalterdarstellern reisen. Auf der Saale und der Elbe. Im Salzlandkreis werden Alsleben (31. August), Bernburg (1. September), Nienburg (2. September), Calbe (3. September) und Schönebeck (4. und 5. September) Stationen dieser Flussfahrt sein.

In die Rolle des Bischof Thietmar schlüpft der Initiator des Projektes, Thomas Kirchhoff. „Die Idee dazu gibt es seit drei Jahren“, erklärt er gegenüber der Volksstimme. Hintergrund dieser Reise war eine Paddeltour von Wettin nach Magdeburg. „Die habe ich 2001 mit meinem Vater und meinem Sohn unternommen. So ist die Idee entstanden“, berichtet Thomas Kirchhoff. Für ihn persönlich ist die Saale eine Art Schicksalsfluss, der familiengründend wirkte. „Mein Vater war Ende der 1950er Jahre am Saaledurchstich in Nienburg beteiligt. Auf der Brücke standen viele Schaulustige. Unter anderem meine Mutter“, gewährt der 53-Jährige einen kleinen Einblick in seine Familiengeschichte.

Apropos Geschichte: Wer einen Blick auf die mitteldeutsche Historie wirft, stößt unweigerlich auf Bischof Thietmar. Der kleine Mann kann sogar 1000 Jahre nach seinem irdischen Dasein als Integrationsfigur für Sachsen-Anhalt gelten. Schließlich besuchte er zuerst die Magdeburger Domschule und legte 1015 den Grundstein für den Merseburger Dom.

Die Reise startet also am Freitag, 28. August, in Merseburg, wo derzeit die Ausstellung „1000 Jahre Kaiserdom Merseburg“ zu sehen ist. Einen Tag später wird Halle die erste Zwischenstation sein. Das erste Nachtlager auf dem Gebiet des Salzlandkreises schlägt der Tross am 31. August in Alsleben auf. Bernburg folgt am 1. September, bevor die Reise am 2. September in Nienburg Halt macht. Am 3. September werden die Calbenser Zeugen einer Prozession unter Leitung von Bischof Thietmar sein, die Hospitalkirche Heilig Geist ist das Ziel (14 Uhr). Um 16 Uhr will der Bischof die Honoratioren empfangen - mit anschließender Bittstellung und Prozession durch den Ort. Um 19 Uhr folgt eine Audienz.

Am 4. September legt das Boot in Calbe gegen 10 Uhr ab, um gegen 14 Uhr am Schönebecker Bootshaus Delphin anzulegen. Das Drehbuch sieht hier vor: Abt Odilo von Cluny erzählt aus seinem Leben; Bischof Thietmar und der Abt werden zu Verbündeten. Thietmar feiert St. Mauritius und den bevorstehenden Abschluss der Mission. Abendliches Mahl.

Der Tross besteigt am 5. September gegen 11 Uhr das Boot, um gegen 12 Uhr in Frohse anzulanden. Hier wird es erneut eine Prozession geben, zur Kirche St. Laurentius. Gegen 15 Uhr kommen Bischof und Getreue in Magdeburg an - gerade richtig zum „Kaiser Otto Fest“.

Der Hallenser Musiker Klaus Adolphi (Gruppe Horch) hat für diese Flussreise extra Lieder komponiert, darunter eine Hymne und ein Liebeslied. Die Darsteller begeben sich mit viel Einfühlungsvermögen in ihre Rollen, tragen nicht etwa Kostüme, sondern Gewänder, die gewebt und gefärbt sind wie vor 1000 Jahren. Tomaten und Kartoffeln als Proviant? Fehlanzeige. Die gab es damals nicht. Allein bei der Hygiene wird eine Ausnahme gemacht: An den Nachtlagern stehen Dixie-Klos zur Verfügung.

Hinter Thomas Kirchhoff steht ein ganzer Verein. Der heißt „Geschichte(n) erleben“ und hat sich zum Ziel gesetzt, mitteldeutsche Geschichte erlebbar zu machen. Schließlich sei Sachsen-Anhalt Kernland deutscher Geschichte. „Thietmars Flussreise soll zu einer beständigen Institution werden“, macht Kirchhoff deutlich.

Sachsen-Anhalts Minister für Landesentwicklung und Verkehr, Thomas Webel, hat die Schirmherrschaft übernommen. „Intention seiner Bereitschaft ist die geschichtliche Bedeutung der schiffbaren Flüsse für das Land Sachsen-Anhalt. Die geplante Veranstaltung hat eine identitätsstiftende und prägende Wirkung von Elbe und Saale für die Bewohner der Region und für das Land Sachsen-Anhalt“, argumentiert seine Sprecherin Tatjana Kutscha. Wird der Minister auch einmal an Bord gehen? „Auf Grund anderer terminlicher Verpflichtungen ist Herrn Minister Webel eine Teilnahme an der historischen Schiffsreise leider nicht möglich“, lautet die Antwort seiner Sprecherin.

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