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Fundfahrräder Drahtesel warten auf Käufer

Die Stadt Schönebeck verkaufte am Dienstagnachmittag Fundfahrräder. Das teuerste Fahrrad gab es für 30 Euro.

Von Jörn Wegner 06.04.2017, 01:10

Schönebeck l Die Schlange vor dem alten Verwaltungsgebäude am Breiteweg 18 in Schönebeck ist schon von weitem zu sehen. Rund 30 Personen warten bereits vor dem Eingang.

Als ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes kurz nach 16 Uhr die Tür des Gebäudes öffnet, versuchen die Wartenden möglichst schnell in den Verkaufsraum zu gelangen. Doch aufgrund der Größe des Raumes werden nur kleine Gruppen hineingelassen.

Einige Flüchtlinge, die ebenfalls gewartet haben, verstehen das System nicht und versuchen, mit der ersten Gruppe ins Gebäude zu kommen. Die Reaktion: Ausländerfeindliches Gebrüll aus der Gruppe der Wartenden.

Im Innenraum wird das Problem deutlich: Es gibt mehr Menschen als Fahrräder. Etwa zehn Drahtesel warten auf Käufer. Klar ist: Wer zum Verkauf kommt, sucht kein High-Tech-Rad. Es geht darum, so günstig wie möglich einen fahrbaren Untersatz zu finden.

Die Räder haben ihre besten Zeiten eindeutig hinter sich, viele sind verrostet, nur die wenigsten komplett mit Licht, Schutzblechen und Gepäckträgern gleichzeitig ausgestattet. Für fünf Euro gibt es kaum mehr als einen Stahlrahmen mit zwei Rädern.

Mit 30 Euro ist das teuerste Fahrrad ein Jugendrad eines Markenherstellers. Die meisten Räder gibt es für 15 Euro. Wer sich entschieden hat, reißt das Preisschild ab und geht damit zum Kassentisch. Viele versuchen, sich so schnell wie möglich ein Rad zu sichern, die Konkurrenz ist groß.

Eine Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte, hat einen Drahtesel erstanden. „Leider konnte ich keine Probefahrt machen“, sagt sie. Denn das Rad hat neben einem rostigen Korb auf dem Gepäckträger einen Platten.

Für 15 Euro hat sie die Katze im Sack gekauft, vielleicht reicht Aufpumpen, vielleicht hat das Rad einen größeren Defekt. Zuvor hatte sie einen Ordnungsamtsmitarbeiter gefragt, ob die Räder funkionstüchtig seien. Das könne er nicht garantierten, antwortet dieser. Aber für ein neues Fahrrad aus dem Geschäft reicht das Geld einfach nicht, sagt die Frau. Um ihre Chancen auf ein gutes Rad zu erhöhen, hat sie sich bereits eine Stunde vor Eröffnung in die Schlange vor dem Gebäude eingereiht. Der Lohn: Sie wurde mit der ersten Gruppe eingelassen.

Einmal im Jahr werden in Schönebeck Fundräder verkauft. Sechs Monate warten die Räder im städtischen Fundbüro auf mögliche Besitzer, erklärt Rathaussprecher Hans-Peter Wannewitz. Danach geht es in den Verkauf. Fahrradruinen, die nur noch Schrottwert haben, finden die Käufer nicht. Solche Räder werden entsorgt.

Der Erlös der Räder, diesmal rund 180 Euro, landen für drei Jahre auf einem Verwahrkonto, danach fließen sie in den allgemeinen Haushalt, wie Hans-Peter Wannewitz mitteilt.