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Fußball Ein Gewinner im doppelten Sinne

Marcus Bolze wechselte im Sommer aus privaten Gründen von Staßfurt nach Schönebeck. An der Elbe blüht der Offensivmann wieder auf.

Von Enrico Joo 23.07.2018, 23:01

Staßfurt/Schönebeck l Marcus Bolze kennt die Gesetze des großen Profigeschäfts, weiß, was sich als Fußballer gehört, was Anstand heißt und Respekt. Gerade hatte der 29-Jährige am Sonntag im Achtelfinale des Sparkassen-Cups das 2:0 für Union Schönebeck erzielt, seine Mannschaftskollegen stürmten auf ihn zu, Bolze aber scheute die Emotionen. „Ich habe aus Respekt vor Staßfurt nicht gejubelt“, sagte er später. Das T-Shirt zog er ganz hoch über den Kopf, bis nicht mal die kurzen Haare zu sehen waren. Ausgerechnet gegen den SV 09 Staßfurt – seinen alten Arbeitgeber – fügte Bolze seinem neuen sportlichen Glück eine weitere facettenreiche Nuance zu.

In der noch holprigen Vorbereitung bei den Schönebeckern ist Bolze der große Gewinner. Das Tor gegen Staßfurt war bereits das dritte im vierten Spiel für ihn. Auch gegen Heyrothsberge und Felgeleben hat er getroffen. Nun wird ein Stürmer in modernen Zeiten freilich nicht mehr ausschließlich an Toren gemessen, bei Bolze ist die Quote aber doch Indikator des gewachsenen Selbstbewusstseins, des neuen sportlichen Glücks. So sieht es auch sein neues Team. So sieht es sein neuer kongenialer Sturmpartner Philipp Glage. „Top-Transfer“, sagte der 29-Jährige am Rande der Partie am Sonntag in Staßfurt und klopfte ihm dabei freundschaftlich auf die Schulter. „Die beiden passen schon super zusammen“, sagte auch Trainer Andreas Sommermeyer. Baustellen gibt es noch einige im zweiten Jahr der Schönebecker in der Verbandsliga. Die Offensive zählt aber keinesfalls dazu. Die ist sehr gut aufgestellt.

Die neue quirlige Unbekümmertheit bei Bolze hat simple Gründe. In Schönebeck darf er wieder im Sturmzentrum spielen, während er in Staßfurt meist auf der rechten Außenbahn „geparkt“ wurde. Er sah sich dort selbst ein wenig verschenkt. „Ich bin Stoßstürmer, ich brauche die Räume. Dort fühle ich mich am wohlsten. Die rechte Außenbahn ist nicht so meins. Das war auch ein Grund, nach Schönebeck zu wechseln.“

Aber nicht der ausschlaggebende. Bolze wohnt seit zwei Jahren in Schönebeck, hat hier sein privates Glück gefunden. Mit seiner Partnerin will er einmal eine Familie gründen. Das ist mittlerweile wichtiger als der Sport. Und so ließ er es sich ernsthaft durch den Kopf gehen, als vor ein paar Wochen die Anfrage aus Schönebeck kam. Dort könnte er nun mit dem Fahrrad zum Sportplatz fahren. Nicht mehr pendeln zum Fußball, eine Liga höher spielen, auf einer neuen, geliebten Position. Die Argumente für den Wechsel lagen klar umrissen auf der offenen Hand. Trotzdem hat sich Bolze schwer getan mit einer sofortigen Entscheidung. Was ausschließlich mit der herzlichen Atmosphäre beim Ex-Klub zu tun hat. „Ich habe mich in Staßfurt sehr wohl gefühlt. Der Verein lag mir am Herzen. Ich musste sehr lange überlegen“, sagt er. Schlaflose Nächte habe es gegeben, zwei Wochen lang „habe ich an nichts anderes mehr gedacht“. Dann entschied er sich für Union und gegen den SV 09.

Jubelstürme gab es an der Bode natürlich nicht. „Der Verein fand‘s nicht schön. Die Spieler haben mir aber Glück gewünscht. Wir haben uns im Guten getrennt.“ Das gehört sich eigentlich auch so. Aber Bolze selbst hat das schon anders erlebt. Im Sommer 2017 war er nach vielen Jahren beim SV Förderstedt nach Staßfurt gewechselt. Da wurde viel schmutzige Wäsche gewaschen. Als Bolze gegen seinen alten Verein gleich mehrmals traf beim Liga-Vergleich, fiel der Jubel entgegen der üblichen Vorgehensweise provokant exzessiv aus. Das war ein klares Statement. Genauso wie der nicht vorhandene Jubel am Sonntag, der ausdrückte, dass sich die Wege von Bolze und dem SV 09 zwar getrennt haben, sich die Parteien aber weiter in die Augen gucken können.

So spielt Marcus Bolze erstmals in seiner Karriere in der Verbandsliga. Der Premierensprung auf der Karriereleiter macht ihm aber keine Angst. „Ich habe keinen Bammel. Ich freue mich auf die neue Aufgabe“, sagt Bolze. „Ich bin positiv überrascht. Ich wurde sehr gut aufgenommen. Ich denke, ich habe alles richtig gemacht.“ Seine Zweifel waren unberechtigt. Seine Grübeleien und durchwachten Nächte entpuppten sich im Nachhinein als haltlos.

In Schönebeck ist der Offensiv-Mann einer von acht Neuzugängen. Da ist es normal, dass noch viel getüftelt werden muss, dass noch Sand im durchgewechselten Getriebe ist. „Aber wir werden zusammenwachsen“, verspricht Bolze. Union kommt vom lateinischen „Unio“ und heißt soviel wie „Einheit“. Diese an der Elbe zu generieren, liegt auch in den Händen von Marcus Bolze, der mit seinen Toren dafür sorgt, dass das Selbstbewusstsein der Schönebecker für die neue Saison wächst. Schöner Nebeneffekt für Bolze: Er selbst wird in der neuen sportlichen Heimat damit ein unverzichtbarer Bestandteil des Ganzen sein. Marcus Bolze ist glücklich. Nicht nur privat, sondern nun auch ganz klar sportlich.