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GerichtsprozessRichter: "Kein Mann ist eine Schlägerei wert"

Eine Kneipenschlägerei zwischen drei Frauen ist vor dem Amtsgericht Schönebeck verhandelt worden.

Von Bernd Kaufholz 29.06.2016, 18:05

Schönebeck l Geballte Frauenpower im Saal des Schönebecker Amtsgerichts. Angeklagte, Klägerin, deren Mütter, Freundinnen und Verwandte wollten miterleben, wie das, was in der guten alten Zeit als „Tanzbodenschlägerei“ bezeichnet wurde, ausgehen wird. Juristisch handelte es sich bei dem Geschehen, bei dem sich drei Frauen „sehr nahe gekommen“ sein sollen, um gefährliche Körperverletzung beziehungsweise Beihilfe.

Der Magdeburger Staatsanwalt Andreas Strauß schilderte die Sache, die sich in einer Lokalität nahe Schönebeck zugetragen hat, so: „Beim Oktoberfest am 4. Oktober 2015 kam es zwischen 0.30 und 0.45 Uhr zu einer Auseinandersetzung zwischen den Angeklagten und einer 20-Jährigen.“ Franziska N. (30) habe Lisa-Marie P. am Oberarm nach draußen gezogen, nachdem sie ihr mitgeteilt habe, dass es etwas zu bereden gebe. Das habe sich dann allerdings als ein frontaler Angriff durch die zweite Angeklagte, Catherin K., herausgestellt: „Ein Tritt gegen den Brustkorb, gefolgt von Schlägen mit der Faust und der flachen Hand an den Körper. Die Folge: Blutergüsse und Atemnot.“

Allerdings schilderte die verschnupfte 29-Jährige die Oktoberfest-Auseinandersetzung völlig anders. Sie habe Lisa-Marie P. lediglich an den Oberarmen weggedrückt, weder geschlagen noch getreten. Die körperlichen Übergriffe habe es niemals gegeben. Und die Mitangeklagte Franziska N. sei überhaupt nicht bei dem Zusammentreffen dabei gewesen.

Das bestätigt auch N.: „Mein Abend ist völlig anders verlaufen.“ Irgendwann seien am Saaleingang volle Bierbecher geflogen, einer habe wohl auch P. getroffen. Warum P. „ausgetickt“ sei, könne sie sich nicht erklären.

Strafrichter Eike Bruns konnte sich nur nachdenklich die Stirne reiben. „Können Sie sich erklären, warum Frau P. Sie beschuldigt hat?“

Allgemeines Schulterzucken. Und dann doch noch ein Erklärungsversuch. „Sie ist doch jetzt mit Kai B., dem Ex von Caterin K., zusammen.“ Ein Eifersuchtsdrama, das in Schlägen oder einer Falschaussage gipfelte? Man weiß es nicht. Wird es wohl auch nie erfahren.

Allerdings blieb das vermeintliche Opfer im Zeugenstand bei ihrer Darstellung. „Frau K. hatte mich schon den ganzen Abend angerempelt und auch an den Haaren gezogen.“ Zudem sei sie als „Schlampe“ bezeichnet worden.

Als Beweis für die handfeste Auseinandersetzung zeigte sie dem Gericht den mitgebrachten Ausdruck eines Blusen-Fotos und verlangte als Schadensersatz „40 Euro, da war nichts mehr zu reparieren.“ Außerdem Schmerzensgeld für zwei Wochen Beschwerden im Brustbereich.

„Ja, was machen wir nun?“, fragte der Richter mehr rhetorisch, hatte er doch schon eine Idee im Hinterkopf, um die Prozessbeteiligten künftig auch juristisch auf Distanz zu halten: „Sehen sie mal, wir müssen da jetzt Ruhe rein bringen. Hier kann man sich doch gar nicht aus dem Weg gehen. Da muss man miteinander auskommen.“

Bisher seien nicht alle Beweismittel ausgeschöpft und es sei für einen Vergleich noch nicht zu spät. „Sie sind doch nicht die typischen Schlägerinnen. Und dann noch Alkohol als Treibsatz ... Können Sie sich nicht die Hand geben und die 40 Euro zahlen und schiedlich, friedlich gehen wir auseinander?“ – Die erste Reaktion von K.: „Ich zahle nicht!“

Doch nach einem fünfminütigen Gespräch mit ihrem Strafverteidiger Dieter Schulz willigten die Angeklagten doch ein. Catherin K. drückte Lisa-Marie P. die Scheine mit einem süßsauren Lächeln in die Hand und Richter Bruns stellte das Verfahren nach Paragraf 153, Absatz 2 (das Gericht kann in jeder Phase des Verfahrens das Verfahren einstellen, wenn die Schuld des Täters gering ist), ein.

Als Schlusswort gab er den drei Frauen noch mit auf den Weg: „Von mir als Mann sei ihnen gesagt: Kein Mann ist es wert, dass man sich für ihn prügelt.“