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Gerüche Fall Schirm: Verhärtete Fronten in Schönebeck

Die Bürgerinitiative gegen mögliche Geruchsbelästigungen bei Schirm eckt immer wieder an. Lokale Politiker zeigen sich verärgert.

Von Andre Schneider 19.10.2020, 13:42

Schönebeck l Das Ziel der Bürgerinitiative ist klar: Der Betrieb solle verschwinden. Die Gründe für diese drastische Forderung liegen für die Mitstreiter um die Magdeburgerin Renate Fiedler auf der Hand.

Immer wieder nutzt die Bürgerinitiative Gelegenheiten, um ihrem Ärger öffentlich Luft zu machen. Vor allem ein Flugblatt, das der Volksstimme vorliegt, sorgte dabei für Aufsehen. „Giftskandal in und um Schönebeck“ ist es überschrieben. Die Bürgerinitiative wirft dem Standort der Schirm GmbH darin vor, „Dioxine, Schwefelverbindungen und Chlorverbindungen“ zu verursachen und die „Abwässer fließen mutmaßlich in die Elbe“. Die Stoffe schädigten das Erbgut, seien krebserregend und führten zu Herzkrankheiten und Atembeschwerden.

Zudem wirft die Bürgerinitiative der Stadt vor – ebenfalls in besagtem Flugblatt – dass das Gebiet der Fabrik „1996 vom Wohn- zum Gewerbegebiet umgewidmet“ wurde. Grundstücke hätten ihren Wert verloren und seien sogar unverkäuflich. Auf der Rückseite dieses Flugblattes äußern die Mitglieder des nicht eingetragenen Vereins ihren Unmut über „geruchs und Lärmbelästigungen“. Es sei „nicht ausgeschlossen, dass hochgiftige Stoffe sich in Geruchswolken befinden könnten“. Weiterhin heißt es: „Die Firma Schirm lagert und verabeitet Stoffe und Stoffverbindungen, die laut Umweltverträglichkeitsstudie vom 9. Oktober 2019 vom Tüv Nord hochgiftig und explosiv sind“.

Ihre Bedenken hat die Bürgerinitiative mehrfach bei der Stadtverwaltung, dem Rat und Oberbürgermeister Bert Knoblauch vorgebracht. Letzterer beantwortete einen Katalog von 22 Fragen, so gut wie er es könne. „Allerdings ist für viele Teile die Landesverwaltungsbehörde zuständig“, wie Knoblauch unter anderem beim Kandidatenforum der Volksstimme und zuvor bei der Bürgerversammlung „Altstadt“ fast schon gebetsmühlenartig betonte. Mit Knoblauchs Antworten zeigte man sich bei der Initiative wenig zufrieden. Das heftige Auftreten, insbesondere von Siegbert Geistlinger, sorgte fraktionsübergreifend mehrfach für Unmut. Im Bauausschuss überreichte er seine Fragen erneut wild polternd an den Bürgermeister und verlies daraufhin wutentbrannt den Sitzungssaal des Rathauses.

Auch im Gespräch mit der Volksstimme zeigte sich ein ähnliches Bild. Inhalte des Gespräches sollten zunächst veröffentlicht werden, wurden aber im Nachgang seitens der Bürgerinitiative zurückgezogen und eine Veröffentlichung direkter und indirekter Zitate untersagt.

Gestattet wurde der Volksstimme allerdings die Nutzung eines Antwort-Briefes an die Stadtratsfraktion der Linken. Dem voraus ging ein Besuch aller Ratsfraktionen bei Schirm. Fraktionsvorsitzende Sabine Dirlich bezieht in dem Schreiben Stellung zum Flugblatt. „Dieser Stil von Denunzierung, unbewiesener Mutmaßungen, die als Tatsachen dargestellt werden und Skandalisierung ist für uns völlig inakzeptabel.“ So werde, wie Dirlich in dem Schreiben bekräftigt, „Ökologie und Demokratie nicht genutzt, sondern geschadet“. Für die Beschäftigten der Firma Schirm habe das Flugblatt eine „niederschmetternde Wirkung“ hinterlassen.

Auch das Verhalten Siegbert Geistlingers bei der Einwohnerfragestunde des Stadtrates wird bei den Linken aufs Schärfste verurteilt. Geistlinger wird in dem Brief der Linken wie folgt zitiert: „Die sollen doch nach Afrika gehen, da ist genug Platz.“ (Die Mutterfirma der Schirm GmbH sitzt in Johannesburg/Anm. d. Red.). Was Geistlinger im Rat vor Zeugen äußerte, wird im Antwortschreiben der Bürgerinitiative widerrufen: „Ihr sinngemäßes Zitat ist entstellt und aus dem Zusammenhang gerissen.“ Die Fronten scheinen mehr als verhärtet.

Bei der Schirm GmbH sei man sich der Verantwortung für Menschen und Umwelt bewusst. In einer Pressemitteilung, die Unternehmenssprecher Christian Liepack parallel zu einem Besuchstermin mit allen Fraktionen des Stadtrates herausgab, heißt es, dass Schirm mit der „hauseigenen Initiative Zero Harm dabei sogar weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus“ geht. „Wir streben damit nachhaltiges Arbeiten an, ohne den Menschen, der Umwelt oder der Gemeinschaft, in der wir arbeiten zu schaden“, wird die Geschäftsführung zitiert.

Davon, ob die Bürgerinitiative auch direkt Kontakt zu Schirm aufgenommen habe, wisse Liepack nichts. „Wir sind auf jeden Fall zum Dialog bereit“, erklärte er in einem Telefonat gegenüber der Volksstimme. Die Schirm GmbH könne Gutachten vorlegen, die Vorwürfe und Mutmaßungen der Bürgerinitiative entkräften würden.