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Geschichte Tragisches Ende eines Lebemanns

Josef Gilsdorf vom Rheinischen Verein für Denkmalspflege sammelt Kolonialgeschichtliches. Kürzlich war der 83-Jährige in Groß Rosenburg.

Von Thomas Linßner 16.10.2018, 10:01

Groß Rosenburg l Es es ist eine Feldpostkarte, die 1905 in Bethanien (Deutsch Südwestafrika) aufgegeben wurde. Sie zeigt einen Grabstein und vier hölzerne Kreuze. Die Gefallenen sind kaiserlich-deutsche Soldaten der Schutztruppe. Sie fielen bei einem Patrouillenritt. Adressat ist Sergeant H. Schmidt in Ludwigsburg (Würtemberg), der die Karte von seinem Freund Wilhelm bekam. „Möge ihnen die Erde leicht sein. Sie sind zu beneiden erlöst von allem Erdentrübsal“, schreibt Wilhelm schwermütig. Sätze, die nicht gerade nach großer patriotischer Begeisterung klingen. Der Kartenschreiber wird vermutlich - wie die meisten seiner Kameraden - mit Enthusiasmus und großer Erwartung dem Afrika-Befehl des Kaisers gefolgt sein. Die Realität vor Ort belehrte ihn eines Besseren. In Namibia war es heiß, trocken und alles andere als friedlich.

Zwischen 1904 und 1908 hatten deutsche Truppen, unter anderem unter dem Kommando von unter dem Befehl von Generalleutnant Lothar von Trotha, den Aufstand von Herero und Nama blutig niedergeschlagen. Laut Schätzungen wurden 65.000 bis 85.000 Angehörige des Herero-Volks und 10.000 Nama dabei getötet.

Zum Vergleich: 1282 deutsche Soldaten sollen in Südwestafrika gestorben sein. Die meisten von ihnen kamen jedoch nicht in Kämpfen mit den Ureinwohnern um, sondern durch Krankheiten wie Typhus und Cholera. Die deutsche Besatzung Deutsch-Südwestafrikas endete erst am 15. Juli 1915.

Die Niederschlagung des Aufstandes galt als der verheerendste aller Feldzüge, die das deutsche Kaiserreich je in seinen Kolonien geführt hat. Die namibischen Ureinwohner fordern seit langem eine Anerkennung der deutschen Vorgehens als „Völkermord“.

Soviel zum geschichtlichen Hintergrund, der Josef Gilsdorf aus der Nähe von Köln sein Leben lang fasziniert. „Ich war schon 40 Mal in Afrika“, sagt der ehemalige Maschinenbau-Ingenieur stolz. Die Feldpostkarte von 1905 hatte ihn neugierig gemacht. Laut Rosenburgs Burg- und Heimatvereinsvorsitzender Karin Keller wurde sie auf einem Dachboden gefunden.

Als sich der Schutztruppen-Experte Gilsdorf mit den Namen der Gefallenen beschäftigte, stieß er auf einen Klein Rosenburger: Alexander Elsner war der Sohn des Amtsrates Gottlieb Elsner. Der junge Mann war allerdings nicht scharf darauf, in die landwirtschaftlichen Fußstapfen seines Vaters zu treten. Nach seinem Abitur ging er zu den Husaren, wurde zum Leutnant befördert. Als sein jüngerer Bruder Georg sich in Rosenburg das Leben nahm, quittierte er den Armeedienst, um das Gut seines Vater fortzuführen. Dabei muss es zu Spannungen gekommen sein: Alexander konnte oder wollte nicht. Hinzu kommt, dass er ein Lebemann gewesen sein muss. In einem zeitgenössischen Gerichtsreport werden Elsner ein verschwenderischer Lebenswandel und 70.000 Mark Schulden attestiert. Damals eine ungeheure Summe.

Vermutlich aus diesem Grund kehrte er zur Fahne zurück, meldete sich 1904 als Kriegsfreiwilliger nach Deutsch Südwestafrika. Dort fiel er am 26. März 1905 im Gefecht von Groß Heusis. Sein Grab existiert heute noch in Namibia, in der Rosenburger Kirche erinnert ein Gedenkstein an ihn.

Diese Geschichte faszinierte den 83-jährigen Sammler Gilsdorf, der nun den Geburtsort des Leutnants besuchte. In seinem Archiv hat er viele hundert Originalstücke zur deutschen Kolonialgeschichte zusammen getragen.

Das damalige „Deutsch Südwest“ und heutige Namibia scheint er wie seine Westentasche zu kennen. Auf die Frage, ob er schon mal was von der Farm „Barby“ gehört hat, kommt die verblüffende Antwort: „Natürlich: Die liegt bei Helmringhausen im Süden Namibias und hatte sogar eine eigene Poststelle.“ Als die Briten nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg das Land übernahmen, hätten sie den Poststempel weiter benutzt, nur das „Deutsch“ aus dem Gummi heraus geschnitten.

Und die Farm Barby? Sie hieß ursprünglich „Gorab“, wurde 1907 vom ehemaligen Kolonialsoldaten Friedrich Elze erworben und betrieben. Er zählte zu jenen Freiwilligen, die sich Ende des 19. Jahrhunderts nach Afrika verpflichteten. Der junge Mann diente in der Schutztruppe, wurde später Polizist. Er benannte die Farm zu Ehren seiner Heimatstadt in „Barby“ um, was bis heute so geblieben ist.

Doch das ist wieder eine ganz andere Geschichte.