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Handwerk Rückkehr zur Meisterpflicht

Wer in Schönebeck oder anderswo einen Fliesenlegerbetrieb gründen will, der muss ab 2020 Meister sein.

Von Paul Schulz 13.12.2019, 00:01

Schönebeck l Was haben Fliesenleger, Böttcher und Raumausstatter gemeinsam? Diese Handwerksberufe sind ab Januar 2020 wieder meisterpflichtig. Das hat der Bundestag gestern mit der Änderung der Handwerksordnung beschlossen. Insgesamt werden zwölf Gewerke (siehe Infokasten) aus den seit 2004 zulassungsfreien Handwerken und handwerks-ähnlichen Gewerben wieder zulassungspflichtig. Das gilt jedoch nur für neu gegründete Betriebe, bereits bestehende Betriebe genießen Bestandsschutz.

Ziel des Ganzen ist es, die Qualität und die Qualifikation im Handwerk zu stärken. Außerdem soll so die Ausbildungsqualität verbessert und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.

Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, begrüßt die Änderung und die Rückkehr zur Meisterpflicht. „Die Stärkung des Meisters ist ein entscheidender Beitrag, um die Zukunft eines qualitativ hochwertigen, ausbildungs- und betriebsnachhaltigen Handwerks sicherzustellen“, teilt Grupe mit. Zudem bilde der Meisterbrief die Grundlage für hohe Produktqualität und für eine solide Ausbildung.

Jedoch ist Grupe die Änderung zu kurz gegriffen. „Wir hätten uns mehr Gewerke gewünscht. Die Aufstellung der Gewerke hat sich aus einem langen Diskussionsprozess zwischen den Bundesfachverbänden der einzelnen Gewerke ergeben. Aus unserer Sicht ist der Prozess nicht abgeschlossen“, sagt Burghard Grupe.

In Schönebeck gibt es – um das Beispiel des Fliesenlegers noch einmal aufzugreifen – sowohl Meisterbetriebe, als auch Unternehmen ohne Beteiligung eines Meisters. Auch Letztere bleiben bestehen, doch in Zukunft dürfen dann nur noch Meister einen Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerbetrieb gründen.

Nico Hergert, gelernter Fliesenleger und Obermeister der Bau-Innung für Betriebe im Altkreis Schönebeck, begrüßt die Rückkehr zum Meister. Dass mit der Novellierung der Handwerksordnung im Jahr 2004 zahlreiche Gewerke zulassungsfrei geworden sind, war ein Fehler, so Hergert. „Jeder der dachte, er kriegt ne Fliese an die Wand, hat sich selbstständig gemacht. Das hat das Preisgefüge am Markt kaputt gemacht“, so der Obermeister der Bau-Innung.

Hergert hofft, dass das Gewerk des Fliesenlegers – und das Handwerk generell – durch die Wiedereinführung des Meisters wieder attraktiver wird. „Und dass die Handwerker wieder stolzer auf ihren Beruf sein können.“

Ausgewählt wurden die Gewerke übrigens anhand von zwei Kriterien. So spielt vor allem das Gefahrenpotenzial beziehungsweise der Verbraucherschutz eine entscheidende Rolle. In Gewerken, bei deren Ausübung nach Auffassung des Gesetzgebers Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter entstehen können, ist der Meistertitel Voraussetzung für eine Betriebsgründung. So sollen Gefahren, die aus mangelnder Qualität resultierenden, minimiert werden. „Fehlende Qualifikation führte nicht selten zu schlechterer Qualität. Zudem gab es nachweislich schneller vom Markt verschwindende Betriebe und infolge dessen einen geringeren Gewährleistungs- und Verbraucherschutz“, erklärt Burghard Grupe.

Das zweite ausschlaggebende Kriterium ist der Kulturgüterschutz. Dadurch sollen Gewerke, die als immaterielles Kulturgut betrachtet werden, vor Verwässerung ihrer tradierten Fertigkeiten geschützt werden. Dazu zählt beispielsweise das Orgelbauerhandwerk.

Doch die Wiedereinführung der Meisterpflicht wird auch von kritischen Stimmen begleitet. Der Interessenverband freier und unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker spricht von einer „Zwangsvermeisterung“. In einer Veröffentlichung des Verbandes heißt es: „In der Europäischen Union gibt es in fast allen Ländern einen freien Marktzutritt zur selbstständigen Handwerksausübung. Nur in Deutschland ist der Berufszugang im Handwerk so streng reguliert (Meisterzwang). Deutsche Handwerker ohne Meisterbrief fühlen sich – zu Recht – hierdurch diskriminiert.“ Zudem hebt der Verband hervor, dass Verbraucher nicht in jedem Fall den „hohen und teuren Standard“ benötigen würden, den der Meisterbrief mit sich bringt.