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Heinz Warnecke Bewahrer von Regionalgeschichte(n)

Der Pömmelter Ortschronist Heinz Warnecke hat schon mehrere Fotobücher mit wertvollem geschichtlichen Inhalt erarbeitet.

Von Thomas Linßner 22.08.2016, 20:08

Pömmelte l „Es ist erstaunlich, was heute so alles möglich ist“, zeigt Heinz Warnecke auf den Bildschirm seines Laptop. Darauf sieht man die gefüllten und leeren Layoutrahmen eines Buches.

Der 95-Jährige braucht nur bei sich selbst nachzugucken, muss dafür Material-Berge aus analoger Zeit digitalisieren. Das betrifft seine typischen mit Schreibmaschine betexten und mit Fotos beklebten A4-Blätter, die in Themenordnern aufbewahrt werden.

In loser Folge veröffentlicht die Volksstimme mit freundlicher Genehmigung des Autors Buch-Passagen. Eine steht unter der Überschrift „Vorkommnisse aus der Kriegszeit in Pömmelte“. Darin geht es auch um „Abstürze von Feindflugzeugen“.

In den letzten zwei Kriegsjahren wurden unter anderen auch Magdeburg und Dessau mit ihrer bedeutenden Indu­strie stark bombardiert. Bei Pömmelte befand sich eine Scheinwerferstellung des Flakgürtels um Magdeburg. Nach Augenzeugenberichten stürzten in dieser Zeit zwei getroffene Flugzeuge bei Pömmelte ab, so in Nähe des „Luftschachtes“, einem Überbleibsel aus der Bergbauzeit, am „Gänseanger“. Der im Gleitflug stürzende Bomber soll fast den Schornstein der damaligen Molkerei gestreift haben.

Das andere Flugzeug stürzte beim sogenannten „Dornbusch“ (in der LPG-Zeit beseitigt) zwischen der „Wachsfabrik“ und Zeitz ab. Kurz vor dem Aufprall sprang ein Besatzungsmitglied aus dem Flugzeug und erlitt dabei eine Beinverletzung. Der Verletzte schleppte sich bei Dunkelheit bis zur „Wachsfabrik“, wo er von dem hilfsbereiten Felix Richter aufgenommen wurde, bis ihn die Polizei in Gewahrsam nahm. Der damalige nationalsozialistische Bürgermeister Friedrich Kersten äußerte sich abfällig zum Verhalten Felix Richters. Letzterer war Angestellter in der Schacht-Verwaltung gewesen und lebte unverheiratet bis ins hohe Alter mit seiner Schwester zusammen in der Neuen Siedlung.

Die Leiche eines bei diesen Abstürzen getöteten Amerikaners wurde vom Gemeindediener Hugo Krabbes in einer Ecke des Friedhofs beigesetzt. Von Hugo Krabbes Tochter Agnes Klimm und Schwiegertochter Toni Krabbes, beide vor 1933 Kommunisten, wurde heimlich und bei Dunkelheit der schmucklose Grabhügel wenigstens mit einem Blumenstrauß versehen.

Nach dem Krieg wurde der Tote exhumiert und auf einem US-Sammelfriedhof beigesetzt.

2010 fanden Mitarbeiter der amerikanischen Militärbehörde Defense POW/MIA Accounting Agency (DPAA) an der Absturzstelle sogar noch Wrackteile. Zuvor waren sie bei Heinz Warnecke.

Eine weitere Geschichte steht unter der Überschrift „Deserteur Hermann Schäfer“: Sieben Wochen vor dem Kriegsende 1945 folgte Hermann Schäfer nicht seiner Einberufung und versteckte sich nur mit Wissen seiner Mutter auf dem Heuboden.

Nach einigen Wochen wagte er sich bei Dunkelheit ins Dorf, natürlich ohne jegliche Kontaktaufnahme. In der Nacht vom 11. zum 12. April 1945, kurz vor dem Einzug der Amerikaner, wurde er durch das Geklapper von Holzschuhen, die KZ-Häftlinge trugen, aufmerksam. Vom Garteneingang gegenüber der Schmiede (Schönebecker Straße) sah er, wie eine größere, aus Richtung Schönebeck kommende, Gruppe von Elendsgestalten durch Pömmelte getrieben wurde.

Vor Hermann Schäfers Augen spielte sich folgendes ab: Der im Schmiedegehöft Wille tätige französische Kriegsgefangene musste täglich im Kartoffeldämpfer Schweinefutter bereiten. Dieses schüttete er auf eine vor der Schmiede liegende Eisenplatte. Die ausgehungerten Häftlinge stürzten in ihrem Hunger darüber her.

Erst Jahrzehnte später berichtete ein aufschlussreicher Zeitungsbericht „Der Todesmarsch über die Elbbrücke“ (2000) in der Volksstimme über diesen Elendszug.

Hermann Schäfer ist den Pömmeltern unter dem Spitznamen „Blechmänne“ in Erinnerung, weil er Zaun und Gebäude seines Grundstückes an der Glinder Straße vollkommen mit dem verzinkten Blech alter Fässer auskleidete.