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Honecker Einschreiben der Postfrau wieder abgeluchst

Ein 1986 bei der Post aufgegebener Einschreibebrief an Erich Honecker in Barby blieb ungeöffnet. Jetzt löst sich das Rätsel auf.

Von Thomas Linßner 10.10.2017, 03:12

Barby l 1986 machte der Barbyer Handwerksmeister Erwin Gaßler eine Eingabe an Erich Honecker, weil bei seinem Kundendienstauto die Frontscheibe kaputt war und er über Monate keine bekam. Gaßler hatte eine Vertragswerkstatt für Rundfunk, Fernsehen und elektronische Musikinstrumente in der Schulstraße 1. Die Aussage aller KfZ-Fachwerkstätten brachte in auf die Palme: „Frontscheiben sind in den nächsten drei bis fünf Monaten nicht lieferbar.“

„Gegen diesen akuten Ersatzteilmangel erhebe ich hiermit Beschwerde“, grollte der Barbyer. Er fügte noch an, dass er 5000 Einwohner zu versorgen habe und 90 Prozent der Reparaturen im Hause der Kunden stattfinden.

Aus damaliger Perspektive ein ziemlich „dickes Ding“, wegen so einer Angelegenheit gleich den Generalsekretär der SED, den ersten Mann im sozialistischen Staate, zu belästigen.

Rätselhaft an der ganzen Geschichte war vor allem, dass das Barbyer DDR-Museum den verschlossenen Brief 31 Jahre später öffnete. Schon allein deswegen, da es sich um ein Einschreiben handelte und sich eine Postmitarbeiterin von damals sicher war, dass Einschreiben, die abgestempelt, mit einer laufen Nummer-Marke beklebt und registriert waren, niemals an den Absender zurück gegeben wurden.

Doch in einer Kleinstadt wie Barby sollte man niemals niemals sagen. Vor allem nicht zu Angelegenheiten aus DDR-Zeiten, wo man viel dichter - warum auch immer - als heute beieinander war.

Detlef Gaßler (52), jüngster Sohn von Erwin Gaßler, erinnert sich noch deutlich. „Ich kann aus meiner Erinnerung sagen, dass meine Mutter unter Aufwendung ihres gesamten Charmes und maximaler Überredungskunst den aufgegebenen Einschreibebrief aus dem Postamt Barby wieder zurückgeholt hat. Sonst wäre dieser auch nicht in dem Gaßler-Nachlass ungeöffnet aufgetaucht.“

Detlef Gaßler erinnert sich zu dem, dass seine fürsorgliche Mutter ihrem Gatten vorsichtshalber den Vorgang verschwieg. Der wäre, gelinde gesagt, „ungehalten“ gewesen, wenn das Eheweib seine Mühen, an Honecker zu schreiben und dort Dampf abzulassen, torpediert hätte.

Detlef Gaßler erklärt den (nachvollziehbaren) Hintergrund der Briefrückholung: Die beste Freundin von Marli Gaßler war Gisela K., die in der „Milchhalle“ auf dem Markt arbeitete. Sie hatte zu jener Zeit einen Ausreiseantrag laufen. „Giselas Sohn saß als politischer Häftling in Halle ein, oder war bereits schon abgeschoben. Das bekomme ich zeitlich nicht mehr so genau auf die Reihe“, sagt Gaßler. „Auf alle Fälle hatten wir Frau K. und ihre Schwiegertochter mit Sohn bei der Ausreise unterstützt, indem wir bei ihrer Wohnungsauflösung in der Langen Reihe mit der Containereinlagerung halfen und auch noch einige Behördengänge machten“, erklärt er weiter. Deswegen habe die Vermutung nahe gelegen, dass der Handwerksmeister auch von der Stasi beäugt wurde. „Meine Mutter wollte uns mit der Staatsratseingabe nicht noch mehr in den Beobachtungsfokus bringen“, führt er weiter aus.

 „Da meine Eltern alles, aber auch alles aufgehoben haben, war dieser ungeöffnete und nie versendete Einschreibebrief an Honecker noch in den Nachlassunterlagen zu finden“, so Detlef Gaßler.

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