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Integration Syrerin macht Bank-Ausbildung

Salwa Al Hasani absolviert mit 32 Jahren nach einem Studium in Syrien in Calbe seit 2016 eine Lehre zur Bankkauffrau.

Von Susann Salzmann 01.03.2018, 01:30

Calbe l Eine Ausbildung in Deutschland. Als Bankkauffrau. Das hätte sich die gebürtige Syrerin Salwa Al Hasani selbst nicht träumen lassen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die heute 32-Jährige bis vor über drei Jahren kein einziges Wort Deutsch gesprochen hat. Ausbildungsbetrieb ist die Salzlandsparkasse. Das derzeitige Einsatzgebiet befindet sich seit mehreren Wochen in der Calbenser Breite. Dort hat das Unternehmen eine Filiale. Und genau dort begegnet der Bankkunde einer freundlich lächelnden jungen Frau im schwarzen Blazer, schwarzer Stoffhose und weißer Bluse. Dort sammelt Salwa momentan Erfahrungen im Servicebereich und fackelt nicht lange, um Kunden unter anderem das Einzahlungs-, beziehungsweise Auszahlungsterminal zu erklären. In gebrochenem, aber gut verständlichem Deutsch.

Doppelt so viel Anstrengung bedeute die anspruchsvolle kaufmännische Ausbildung für sie im Vergleich zu anderen Mitlernenden, die mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen sind. Mit gefühlt doppelt so viel Ehrgeiz steht Al Hasani nichtsdestotrotz hinter dem Ziel eines erfolgreichen Ausbildungsabschlusses, kommentiert Torsten Blauwitz. Er ist der Calbenser Geschäftsstellenleiter und zieht vor der Syrerin seinen Hut: „Sie beißt sich durch die Ausbildung. Man sieht, dass sie es will“, fasst er Engagement und Motivation zusammen.

Zurück zum Anfang: Salwa Al Hasani interessiert sich die das kulturelle Erbe der zeitgenössischen und vergangenen Literatur. Daher studiert sie in ihrem Heimatland Syrien Englische Literaturwissenschaft, das Studium schloss sie im Jahr 2009 ab. Verschiedene Tätigkeiten folgten. Und schließlich kam für sie und ihren Mann im Jahr 2010 die Geburt ihres Sohnes. Die Familie lebte außerhalb von Damaskus, der syrischen Hauptstadt. Das Familienleben war in der kriegsgebeutelten Region allerdings nicht möglich, erzählt sie. Auf den Straßen war die Angst, dass ihrem Söhnchen, ihrem Mann oder ihr etwas zustoßen könnte, stets ein Begleiter. Kurzum: „Es war zu gefährlich für uns wegen des Krieges“, meint die aufgeschlossene Frau. Ein folgenschwerer Entschluss ist die Konsequenz: Sie reist - darauf legt die Mutter besonderen Wert - per Visum nach Deutschland ein. „Wir kamen nicht illegal hierher“, betont Al Hasani. In Beirut (Libanon) habe sie die Reise nach Deutschland beantragt.

Heute lernt die Bernburgerin. Die letzte Zeit bis in die Nachtstunden. Denn ihre Zwischenprüfung auf dem Weg zur Bankkauffrau hat sie gestern mit einem guten Gefühl absolviert. Intensives Lernen sei jedoch nicht verwunderlich, denn immerhin benötige sie auch mehr Zeit, um die Aufgabenstellungen zu verstehen. In der Schule mindestens doppelt so lange wie alle ihre Mitschüler, sagt sie. Das bringe sie beim Lösen der Aufgaben oftmals in Zeitnot. Weniger Aufgaben, weniger Punkte, weiter entfernt von guten Noten. Es gebe Ausnahmen, sagt sie. Damit spielt sie auf Lehrkräfte an, die ihr mehr Zeit zum Beantworten lassen, weil sie um die Sprachbarrieren der gebürtigen Syrerin wissen. „Aber das ist nicht in allen Fächern so“, kommentiert Salwa Al Hasani die momentane Situation.

Weniger vor der Zwischenprüfung, dafür aber vor der Abschlussprüfung hege sie erhebliche Bedenken. Große Angst habe sie, die gestellten Aufgaben durch Sprachhemmnisse nicht in der vorgegebenen Zeit bearbeiten zu können, obwohl sie das inhaltliche Wissen dazu besitze.

„Migranten müssen im ‚typischen deutschen‘ Arbeitsleben bestehen können“, heißt es von Rebekka Hartmann, Pressesprecherin des Jobcenters des Kreises. Deshalb gelten für alle Auszubildenden die gleichen Prüfungsordnungen. Zur Festigung der deutschen Sprache würden speziell für Migranten Integrationskurse, Sprachkurse und berufsbezogene Sprachkurse bereitgestellt, so Hartmann. Dazu könnte Al Hasani einen Antrag auf ein zweisprachiges Wörterbuch bei der Prüfung stellen. „Darüber hinaus sind die Mitglieder in den Prüfungsausschüssen angewiesen, die Prüfungsfragen sprachsensibel zu formulieren“, erklärt Pressereferent des Sozialministeriums Andreas Pinkert eine Kompensationsmöglichkeit der sprachlichen Einschränkungen.

Ausbildungsbegleitende Hilfen – finanziert über das Jobcenter des Salzlandkreises – unterstützen Salwa Al Hasani derzeit bei ihrer Ausbildung. Dazu käme interner Unterricht durch ihren Ausbildungsbetrieb. Zu Hause muss schließlich der digitale Übersetzer im Smartphone als notwendiges Utensil zum Verstehen von Fachbegriffen herhalten. „Vom Google-Übersetzer lasse ich aber die Finger“, lächelt die junge Frau.

Ein nicht zu verschweigender Pluspunkt, um sich leichter in die deutsche Sprache einfinden zu können, waren ihre studienbedingt angeeigneten Englischkenntnisse. Die Weltsprache galt als Brücke – zur ersten Verständigung in Deutschland und zur Kontaktaufnahme mit Einheimischen, durch die sie peu à peu Deutsch lernte.

Englisch war auch der Helfer, der ihr letztlich indirekt zur Ausbildung verhalf. Mit der arabischen als Muttersprache und der englischen als Mittlungssprache konnte sie zwischen Institutionen und Geflüchteten vermitteln. In 2016 meldete sie sich beim Jobcenter des Salzlandkreises. Dort offerierte sie ihre Hilfe als Dolmetscherin. Als die Sparkasse die Aktion anbot, Eröffnungskonten für Zuwanderer einzurichten, war sie laut Blauwitz eine unersetzbare Unterstützung. Deshalb folgte nach drei Monaten von dem Bankunternehmen ausgehend eine Initiative: Salwa Al Hasani wird eine Ausbildung angeboten. Ein dankbarer Blick in Richtung Blauwitz folgt.

Die junge Mutter trifft der Bankkunde gegenwärtig vor allem am Serviceschalter an. Dort leistet sie Hilfe bei Problemstellungen. Gelegentlich wohne sie bereits Beratungsgesprächen teil. Selbst entsprechende zu führen – dafür muss sie sich noch gedulden. Bis zum dritten Lehrjahr.

Wie es nach dem Abschluss weitergeht, ist fast wie in Stein gemeißelt. Die Übernahmechancen stehen sehr gut, meint Blauwitz zur Zukunft der jungen Syrerin.

Auf die Frage, ob auch ein Studium in Deutschland für sie infrage kam, bejaht sie zurückhaltend. Ihr syrischer Studienabschluss wäre in Deutschland nicht anerkannt worden. Heißt: Sie hätte noch einmal von neuem anfangen müssen. Das wollte sie nicht. Immerhin gehe es auch um die Familie, die – so gut als möglich – ohne staatliche Zuwendungen ernährt werden solle. Salwa Al Hasani, eine Bürgerin mit ausländischen Wurzeln wie 6225 weitere im Kreis, die als einige von wenigen eine Lehre absolviert.