EIL

Jäger Das „Grüne Abitur“

Zweimal jährlich findet die Jägerprüfung für Neulinge statt. So jetzt auch in Barby. Dabei geht es um Wissen rund um Hege und Jagd.

Von Thomas Linßner 22.09.2016, 15:44

Barby l „Sie sehen Ende Dezember einen Sprung Rehe auf dem Feld. Woran können Sie eindeutig die weiblichen Stücke erkennen, damit sie nicht ausversehen einen Bock schießen?“, will Prüfer Tobias Wostry wissen. Der Prüfling, ein gestandener Kerl Anfang 40, kratzt sich am Kopf. „Ähh, an der ..., der Schürze? Ja, doch, an der Schürze!“, streift er anfängliche Unsicherheit ab. Was richtig ist. Damit ist jenes helles Haarbüschel über dem weiblichen Geschlechtsteil gemeint, das eindeutiges Unterscheidungsmerkmal ist. Wostry und sein Kollege Reinhard Koschinski sind Prüfer der Station „jagdbare Tiere“. Hier sind rund zwei Dutzend Präparate, Gehörne und Geweihe ausgestellt, die die Aspiranten kennen müssen. Was sich auf den ersten Moment leicht anhört, entpuppt sich bei Prüfungsstress zuweilen als schwierig.

Wie heißen die Augen von Haarraubwild, Fuchs, Hase, Kaninchen? Seher. Und wie beim Hirsch-, Rehwild? Lichter. Und die vom Jagdhund und Federwild? Der Prüfling, der ziemlich am Ende seiner Konzentration ist, winkt ab: „Weiß ich jetzt nicht“. „Die heißen Augen“, lächelt Jens-Torsten Franke milde, der die Abteilung Hege und Jagdbetrieb betreut.

„Ab jetzt haben Sie das Grundgerüst und können anfangen, ein Jäger zu werden. Mit der bestandenen Prüfung tragen Sie aber auch eine große Verantwortung.“

Bei ihm demonstriert sein gut ausgebildeter Jagdhund an einem Jungfuchs, wie apportiert wird. Und was die Stellung eines „Bruch“ auf erlegtem Wild bedeutet: Er zeigt an, dass der Waidmann ein Stück in Besitz genommen hat. Beim männlichen Wild weist das gebrochene Ende des Fichtenzweiges zum Haupt, beim weiblichen umgekehrt. Zu guter Letzt nimmt Franke sein Horn, um Jagdsignale zu blasen. Auch die haben verschiedene Bedeutungen: Wecken, Begrüßung, Sau tot oder „Schüsseltreiben“ (Essen) …

Tobias Wostry will selbstverständlich wissen, wann welche Tierart gejagt werden darf. Zum Beispiel der Dachs. Er ist vom 1. August bis 31. Dezember „offen“. Der Prüfling weiß es. „Und der Waschbär?“, hakt der Barbyer Hegeringleiter nach. Der Nachwuchsjäger ist unsicher: „Kann man den als Neozon nicht das ganze Jahr über ...?“ Wostry zitiert die Vorschrift: „Zur Aufzucht benötigte Elterntiere darf man nicht strecken.“ Soll heißen: Wenn die eingeschleppten Räuber Nachwuchs haben, dürfen die Eltern nicht geschossen werden.

„Nun schätzen Sie mal selbst Ihre Leistung ein“, fordert Wostry am Ende den Mann auf. „Naja, dolle war das nicht“, ist der Prüfling selbstkritisch. „Das war eine Vier, aber Sie haben bestanden. Vor allem die Jagdzeiten müssen sitzen“, legt er dem Mittvierziger ans Herz.

Bei Helmut Maczulat und Wolf-Dietrich Deubel geht es um Ökologie. Getreidearten, Baumsamen, Holzstämme oder Flugbilder von Greifvögeln müssen bestimmt werden. Ein junger Jäger, der vielleicht Ende 20 ist, betritt selbstsicher die Bühne. Seine Körpersprache unterscheidet ihn von den „gestandenen“ Kerlen. Er hat lässig die Hände in den Hosentaschen, derweil seine älteren Kollegen selbige vor Ehrfurcht eher an der Hosennaht haben. Der Eleve weiß gut Bescheid, kann Hafer, Gerste, Weizen und Eiche, Fichte, Eibe zuordnen. Als ihn Helmut Maczulat eine Pflanze mit gelben Blüten vor die Nase hält und sagt, das sei ein Neophyt, lösen sich die Hände mit schwindender Selbstsicherheit langsam aus den Hosentaschen. Auch als Wolf-Dietrich Deubel ihm Eselsbrücken (ein edleres Wort für gelb und was hat der Weihnachtsmann…) baut, kommt er nicht auf Goldrute. Der junge Mann besteht trotzdem. Fortan dürfte er stets seine Jägerprüfung vor Augen haben, wenn er am Straßenrand amerikanische Goldruten sieht.

Dirk Krampe und Fritz Schüler betreuen die Abteilung Jagdhundewesen. Hier wird gerade Klaus Reinelt geprüft, der mit ziemlicher Sicherheit die Fragen be- und überbeantwortet, sodass ihn Krampe bremsen muss. Der IT-Fachmann beeindruckt vor allem mit Wissen zur Wildgesundheit, dass man meint, er sei Tierarzt. Was versteht man unter Ektoparasiten? „Sie leben auf anderen Organismen und dringen nur mit den der Versorgung dienenden Organen in den Wirtsorganismus ein ...“ Auch mit der Erklärung der „Aujeszkyschen Krankheit“ hat der Computer-Fachmann keine Probleme. Als er die Dose mit Markierband erkennt - es dient der jagdlichen Nachsuche eines angeschossenen Wildes, wird der Mann entlassen. Gut. Bestanden.

Am Ende der drei Prüfungstage gibt Kreisjägermeister Jens Hennicke den Jungjägern mit auf den Weg: „Ab jetzt haben Sie das Grundgerüst und können anfangen, ein Jäger zu werden. Mit der bestandenen Prüfung tragen Sie aber auch eine große Verantwortung: für das Wild und die Natur, den Umgang mit Waffen und für die Zukunft der Jagd und ihre traditionellen Werte. Am Ende des Tages zählt nicht, was sie gejagt haben, sondern immer nur wie sie gejagt haben!“