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Jahrestag 25.000 Stunden für Schalom-Haus

Ein rundes Jubiläum steht dem Schalom-Haus in der Schönebecker Republikstraße bevor.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 28.04.2016, 01:01

Schönebeck l Eher unauffällig befindet sich das Schalom-Haus an der Republikstraße - mittendrin in der Häuserreihe. Erst wer direkt davor steht, erkennt, dass sich hinter der hellen Fassade kein Wohnhaus befindet. Es ist ein Haus Gottes. Seit 30 Jahren fühlen sich hier die Mitglieder der evangelisch-freikirchlichen Baptisten-Gemeinde Schönebeck zuhause. Wenngleich von außen das christliche Haus unscheinbar wirkt, so ist die Geschichte umso wechselvoller und schmerzlicher. Denn erbaut wurde dieses Haus mit der Kuppel auf dem Dach 1877 von der jüdischen Gemeinde. Die Reichspogromnacht 1938 läutete mit der blinden Zerstörungswut der Nazis das Ende ein. Danach diente das Haus zweckentfremdet - als Lagerraum der Flugzeugwerke „Junkers“, Arbeitsamt, Museum, Möbelverkaufsstelle und Turnhalle. 1986 schließlich wurde das Gotteshaus wieder zu einem Ort des Glaubens: Am 3. und 4. Mai 1986 haben die Schönebecker Baptisten die Einweihung des Schalom-Hauses an der Republikstraße gefeiert. Das liegt also 30 Jahre zurück. Am kommenden Sonntag, 1. Mai, blicken die Gemeindeglieder und ihre Gäste auf dieses besondere Fest zurück.

Denn die Sanierung, besser gesagt der Wiederaufbau, konnte nur mit dem Einsatz von viel Geld, Arbeitskraft und Freizeit geschehen. Daran kann sich Matthias Menzel von der Baptisten-Gemeindeleitung noch sehr gut erinnern. Er war damals 16 Jahre alt, als er und zahlreiche weitere Gemeindeglieder mindestens an drei Tagen in der Woche zum Arbeitseinsatz am heutigen Schalom-Haus kamen. Drei Jahre lang zog sich das. Zeit und Aufwand, die nötig waren. „Das Haus befand sich in einem katastrophalen Zustand“, beschreibt Matthias Menzel kurz zusammengefasst den Anblick, der sich damals den Baptisten bot. Das schreckte sie aber nicht ab. Sie hatten wohlwissend 1983 das Gebäude der Synagogengemeinde zu Magdeburg abgekauft. „Unsere Gemeinde musste aus ihrem Haus an der Steinstraße ausziehen“, nennt Matthias Menzel einen Beweggrund.

Die evangelisch-freikirchliche Gemeinde hatte selbst nicht viel Geld. „Wir haben fast alles aus eigenen Mitteln gestemmt“, berichtet er. Zusammengekommen sind so neben den finanziellen Summen außerdem rund 25.000 Stunden, die die Gemeindeglieder während der Arbeitseinsätze geleistet haben. Da wurden Steinwände durch Scheiben ersetzt, Böden verlegt, ein Taufbecken errichtet und und und. Für die Neugestaltung hatte die Gemeinde den Innenarchitekten Edgar Drechsel beauftragt. Von ihm stammen zudem die riesige Werke in javanischer Wachsbatik, die auf künstlerischem Weg an die drei Christenfeste Jesus Geburt (Weihnachten), Auferstehung (Ostern) und den Geburtstag der Kirche (Pfingsten) erinnern.

„Wir setzen viel auf Transparenz“ sagt Matthias Menzel zu dem heutigen Aussehen des Schalom-Hauses, das von Helligkeit geprägt ist. Der Gemeindesaal ist hoch, die Wände sind weiß und die Trennwand zum Eingangsbereich besteht aus Schaufensterglas. Bei der Erwähnung eben dieser muss Matthias Menzel schmunzeln. „Wir haben hier fünf große Schaufensterscheiben verbaut“, sagt er. Diese Anzahl gleiche einem Wunder. Schließlich habe es zu DDR-Zeiten bekanntlich nicht jeden Rohstoff zu jeder Zeit gegeben. „Dem Landkreis wurden damals wohl 15 solcher Scheiben pro Jahr zugeteilt“, sagt er zu diesem kleinen durchsichtigen Wunder im Schalom-Haus.

Einem Wunder gleicht übrigens auch, dass die einstige Synagoge überhaupt den Zweiten Weltkrieg überstanden hatte, berichtet Steffi Krettek, die sich ebenfalls in der Gemeindeleitung engagiert. „Eigentlich wollten die Nazis die Synagoge abbrennen“, sagt sie. Ein Feuer hatten sie in der Reichspo-gromnacht gelegt. „Jedoch hatten sie Angst, dass das Feuer dann auf die anderen Häuser überspringt“, sagt sie. Deshalb sei das Feuer gelöscht worden.

Die Geschichte des Hauses gebietet es also, dass der Ursprung nicht in Vergessenheit gerät. So befindet sich im Eingangsbereich eine Rabbinerbank - eines der wenigen Möbelstücke der Synagoge, die noch erhalten sind. Zu dem Bewahrten gehören die Eingangstüren ebenso. Fotos von einst beweisen, dass sich die Optik ähnelt. Und selbst der Name Schalom-Haus kommt nicht von ungefähr. Schalom (hebräisch für Friede) soll die Bestimmung und den Ursprung des Hauses ausdrücken.

Zu der Baptisten-Gemeinde, die es in Schönebeck seit 1932 gibt, gehören rund 90 Mitglieder. Gemeinsam wollen sie mit Gästen am kommenden Sonntag, 1. Mai, den 30. Jahrestag des Schalom-Hauses feiern. Der Festgottesdienst beginnt um 10 Uhr. Die Predigt wird Pfarrer i.R. Peter Fischer halten. Gegen 11 Uhr soll es im Rahmen dieses Gottesdienstes einen Grußteil geben. Nach dem Gottesdienst gibt es ein gemeinsames Mittagessen, bevor um 14 Uhr bei klassischer Musik Fotos aus der Geschichte des Schalom-Hauses und der Gemeinde gezeigt werden.