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Jubiläum Von Schrot und Korn: Franz Krause ist 100

Franz Krause aus Barby ist 100 Jahre alt. Zum Geburtstag gratulierte dem rüstigen Feuerwehr-Alterskameraden auch Innenminister Stahlknecht.

Von Thomas Linßner 20.09.2017, 17:14

Barby l „Das ist in meiner Dienstzeit eine Premiere, einen Hundertjährigen für 70 Jahre Feuerwehrzugehörigkeit auszuzeichnen“, gesteht Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht diesen Superlativ. Kurz zuvor ist Franz Krause im Löschfahrzeug der Marke „S 4000“ vorgefahren. Der Hundertjährige trägt eine Feuerwehruniform, die seit Jahrzehnten noch immer dieselbe Konfektionsgröße hat. Die Schulterstücke zeigen ihn im Rang eines Brandinspektors - geflochten, ein goldener Stern.

Auf dem Markt sind Kameraden unterschiedlicher Altersklassen im Karree angetreten, um den Jubilar zu ehren. Von den Knirpsen der „Löschbiber“ bis zu den Damen und Herren der Altersabteilung. Doch die sind im Schnitt 15, 20 Jahre jünger. Franz Krause ist am 19. September 2017 hundert Jahre alt geworden.

Kamerad Marco Halla holt ihn von Zuhause in der Bahnhofstraße mit dem „S 4000“, Baujahr 1964, ab. Nachdem Familie und Freunde am Vormittag im „Rautenkranz“ gefeiert haben, wo auch Landrat Markus Bauer gratulierte, hatte sich Franz am Nachmittag ein bisschen ausgeruht. Ihm war allerdings klar, dass er am Abend mit seinen Feuerwehrkameraden feiern würde.

Also steht Marco vor der Tür: „Komm Franz, wir machen eine Runde durch Barby und fahren dann zum Depot.“ Der Jubilar, dem man weder beim Ein- noch Aussteigen auf den hohen Beifahrersitz des Lkw helfen muss, freut sich. Auf zum Depot!

Was dann geschieht, treibt dem ehemaligen Getränkehändler dann doch die Rührung ins Gesicht. Marko Halla steuert den „S 4000“ nicht ins Magdeburger Tor, sondern zum Marktplatz, wo er mit ohrenbetäubenden Lärm der Sondersignale empfangen wird. Der Feuerwehr-Spielmannszug Biere schmettert die unvermeidliche Feuerwehr-Hymne „Alte Kameraden“. Alt-Bürgermeister Jens Strube, der auch zu den Gratulanten zählt, muss sich zusammen reißen, nicht mitzusingen ...

Auf der Rathaustreppe warten schon Innenminister Holger Stahlknecht und andere „offizielle“ Gratulanten. Stahlknecht zeichnet Krause mit einem goldenen Abzeichen aus, auf dem eine „70“ prangt. Die Kameraden nennen diese Art Auszeichnung lax „Durchhaltespange“. Dabei verspricht er, nachher mit dem Hundertjährigen noch ein Bier im Depot zu trinken. Roland Rasehorn vom Feuerwehrverband hat neben markig-warmen Worten ein liebevoll eingewickeltes „Fresspaket“ dabei. Franz Krause sagt nicht viel, er ist gerührt. Der Barbyer gehört einer Generation an, die ihre Emotionen unter Kontrolle hat.

Als Franz 1917 in der Barbyer Rusthofstraße geboren wird, ist in Deutschland die Nahrung rationiert, die Menschen darben. Es ist Krieg. Noch sitzt Wilhelm II. auf dem Thron. Die Kinder lernen in der Schule, dass der Kaiser „ein guter Mann“ sei, doch so recht glaubt das niemand mehr. Gut ein Jahr später ist der Krieg verloren und vorbei. Da ist Franz gerade mal eineinhalb Jahre alt.

Franz Krause wird in eine Getränkehändlerfamilie hinein geboren. Vater Herrmann zuckelt in den 1920er Jahren mit dem Pferdewagen los und verkauft das Braunbier mit dem launigen Namen „Puparsch-Knall“. Die Leute kommen mit Milchkannen, wenn Herrmann bimmelt. Der Laden läuft, Barby wächst durch Industrieansiedlungen wie die „Maizena“. 1929 kann sich Herrmann Krause einen Lkw anschaffen. Der kleine Franz sitzt stolz neben seinem Vater auf dem „Bock“, wenn der Getränke ausfährt. Doch „Bierkutscher“ werden will er nicht. 1931 beginnt er eine Lehre auf der Barbyer Schiffswerft. Weil die Werft in Auswirkung der Weltwirtschaftskrise schließt, wird er Bäckerlehrling in Magdeburg. Er fährt fast täglich mit dem Rad zu Arbeit! Als Geselle schuftet er von 3 Uhr morgens bis 19 Uhr abends.

1939 wird Franz Krause zur Wehrmacht eingezogen. Er trägt die Fliegeruniform, die ihm - abgesehen von seinem attraktiven Äußeren - zu noch mehr Schlag bei den Mädels verhilft. 1943 heiratet er Martha, die ihm schon Jahre zuvor als „Mädchen mit langen Zöpfen“ aufgefallen war. Mit Martha wird er 69 Jahre verheiratet sein und drei Kinder haben.

1947 tritt er in die Feuerwehr ein, übernimmt nun doch den Getränkehandel seines Vaters. Die zahllosen Löscheinsätze unterstützt Krause mit seinem jeweiligen Firmenfahrzeug. Mit klappernden Bier- oder Brausekästen rast er zum unweit gelegenen Depot, um den Tragkraftspritzenanhänger anzuspannen.

Man nennt es Spanndienst, was Franz Krause macht. Es kommt auch vor, dass später eintreffende Kameraden auf der Ladefläche zwischen den Flaschen hocken und so zum Einsatzort fahren. Krauses Fahrzeuge, die Marken wie „Hansa“, „Phänomen“, „S 4000“ oder „W 50“, sind von der Wehr fest eingeplant. Schließlich hat die Feuerwehr nicht einen so großen Fuhrpark.

Erst mit Anschaffung jenes „S 4000“, mit dem der Hundertjährige am 19. September 2017 die Ehrenrunde macht, wird Krauses „Bier-Löschzug“ nicht mehr gebraucht.

Und so schließt sich der Kreis.

PS: Franz Krause ist körperlich wie geistig fit. Er fährt noch Auto, fegt regelmäßig die Straße und bewirtschaftet seinen Garten. Vor zwei Wochen strich er den Zaun selbst, weil die Maler nicht rechtzeitig ‘ran waren ...