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Kinderwohngruppe Langersehnte Wiedereröffnung

Vor eineinhalb Jahren ist das Kinderheim in Zens abgebrannt. Nun konnte das Haus nach der Sanierung feierlich übergeben werden.

26.09.2016, 01:01

Zens l Das ist auch selten zu erleben, dass gestandenen Männer vor Rührung die Tränen in den Augen stehen. Doch es war am vergangenen Sonnabend genau der richtige Moment dafür. Tief bewegt berichtete der Vorstandsvorsitzende des Vereines Nestwärme, Willi Kempa, vom Moment des Feuers in der Nacht vom 7. auf den 8. März 2015. Aber auch von den Momenten der Anteilnahme, die die Kinder, Jugendlichen und der Verein in den folgenden Wochen und Monaten erfuhren. Mit sehr herzlichen und sehr persönlichen Worten bedankte sich der Geschäftsführer des Vereines, Remo Kannegießer, bei jenen, die in den schweren Stunden nicht nur ihre Arbeit leisteten, sondern wesentlich mehr darüber hinaus. Und es stand ein eher bescheidener Mann im Mittelpunkt, ohne dessen Hilfe auch die Politik nichts hätte ausrichten können: Landwirt Frank Hüsemann.

Das Kinderheim in Zens trägt nun aus Dankbarkeit seinen Namen: Frank-Hüsemann-Haus. Dass der Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern einmal in diese Situation komme sollte, damit hätte er nicht gerechnet. Doch das Blatt wendete sich am wohl schlimmsten Tag in der Geschichte des Kinderheimes – am 7. März 2015. „Es war ein technischer Defekt, der das Haus abbrennen ließ“, erinnert sich Willi Kempa. „Dieser Tag war schrecklich und wird mir immer in Erinnerung bleiben.“

Wenngleich vor allem die Kameraden der freiwilligen Feuerwehren aus der Region alles Menschenmögliche unternahmen, war das Haus nicht mehr zu retten. Die Flammen zerstörten in jener Nacht nicht nur das Dach und die obere Etage, sondern auch fast den familiären Zusammenhalt der Kinderheimbewohner mit dem pädagogischen Team.

Denn: Von Amts wegen bestand die Frage, ob das Haus jemals wieder aufgebaut werden kann und ob die Kinder nicht womöglich – und das aus Sicht der Heimbewohner – nicht vielleicht auf andere Gruppen aufgeteilt werden könnten. Doch dieses Problem stand vermutlich nur eine Sekunde im Raum an dem schrecklichen Abend. Denn es waren vor allem die Mädchen und Jungen selbst, die deutlich machten, dass sie in der gewachsenen „Familie“ des Heimes zusammenbleiben möchten und keine Veränderung akzeptieren würden.

Was dann passierte, dürfte ebenfalls als ein Novum in die Heimbetreuung des Landes Sachsen-Anhalts eingehen: Vom Tag des Brandes bis heute blieb das Heim in Zens bestehen, die Kinder in einer Gruppe lebten so ein „Familienleben“ weiter. Das wunderbare Projekt des Kinderheimes konnte fortgesetzt werden.

Dafür aber mussten Politik und Verwaltung nicht nur an einem Strang ziehen, sondern auch die Buchstaben des Gesetzes ziemlich weitreichend auslegen – für das Kindswohl. „Es begann schon zwei Tage nach dem Brand die wirklich unbürokratische Zusammenarbeit mit dem Landkreis. Wir haben dort in den schweren Stunden gemerkt, dass man uns tatsächlich helfen will“, so Remo Kannegießer am Sonnabend. Es gab Sondergenehmigungen, die nicht nur Landrat Markus Bauer (SPD) persönlich unterstützte, sondern vor allem auch die Helfer im Landesverwaltungsamt. „Ich muss Ihnen heute sagen, dass ich dafür tiefe, tiefe Dankbarkeit empfinde“, so der Nestwärme-Geschäftsführer.

Und es waren die Einwohner von Zens mit Ortsbürgermeister Frank Ahrend (CDU), die sich um die Rettung des Kinderheimes verdient machten, es waren die Menschen aus Bördeland, die eine nie dagewesene Spendenaktion zum Wiederaufbau des Hauses ins Leben riefen, und es war die Verwaltung der Gemeinde Bördeland mit allen Mitarbeitern. „Ich habe damals erlebt was Bürgernähe bedeutet“, so Remo Kannegießer.

 Die Mitarbeiter des Bauhofes, Amtsleiter und selbst Bürgermeister Bernd Nimmich (SPD) waren damals vor Ort und packten bei den Aufräumarbeiten an. Auch die Mitglieder des Vereines schoben nicht nur Tag-, sondern auch Nachtschichten. „Und keiner sagte, das die Arbeitszeit vorbei sei. Der Wille, helfen zu wollen, war übergroß“, merkte Remo Kannegießer an.

Was aber danach folgte, war die Ernüchterung: Wie sollte der Aufbau des Hauses bezahlt werden? Die finanziellen Mittel des Vereines waren lange nicht so üppig, dass Nestwärme das Projekt hätte stemmen können. Aber es waren wieder die zwischenmenschlichen Beziehungen, die das Blatt wendeten – namentlich Frank Hüsemann. Dem Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern gehörte zu diesem Zeitpunkt nicht nur Acker in der Gemarkung, sondern eben auch das Grundstück mit dem Kinderheim. Remo Kannegießer suchte in den folgenden Wochen das Gespräch, das später mit dem Steuerberater des Landwirtes zum Durchbruch verhalf. Mit im Boot die Versicherung, die für den Schaden aufkam. Am Ende spendete Frank Hüsemann einen großen fünfstelligen Betrag, mit dem der Verein Nestwärme einen Kredit bei der Bank aufnehmen konnte.

Es sollte eigentlich die letzte Hürde gewesen sein, aber es war erst die vorletzte in der Geschichte des Wiederaufbaus. Denn als die Baufirma das Haus entkernte, kamen immer mehr Schäden zum Vorschein. Doch am Ende wurden diese Probleme bewältigt. Mehr als 40 Container waren nötig, um das Haus zu entkernen. Auf der dahinterliegenden Außenanlage wurden insgesamt 600 Kubikmeter Unrat entsorgt.

Nun ist es geschafft. In dieser Woche werden die zwölf Kinder des Heimes (sechs deutsche im Alter von 12 bis 17 Jahren und sechs ausländische von 16 bis 18 Jahren) umziehen. Ein Teil geht in das restaurierte Haus, ein anderer in die betreuten Wohnungen, die sie auf das eigenständige Leben vorbereiten werden. „Wir schaffen das“, war das Motto. Oder wie Remo Kannegießer sagt: „Wer Nestwärme erzeugen will, muss enger zusammenrücken.“ Ja, bei solchen Sätzen dürfen gestandenen Männern mal die Tränen in den Augen stehen.