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Kinderwunsch Wenn „Teddy“ zum Quadfahren einlädt

Das Schicksal hat Familie Richter aus Schönebeck hart getroffen. Unbeschwerte Zeit ist für die Richters Mangelware. Doch gab es sie jetzt.

Von Bianca Oldekamp 17.08.2020, 01:01

Schönebeck/Magdeburg l Dass ihr gemeinsamer Alltag alles andere als leicht ist, ist an diesem Tag keineswegs zu spüren. Leichtigkeit liegt in der Luft, obwohl für den Herzenswunsch von Jaron Richter schweres Gerät aufgefahren wird. Nicht nur aufgefahren und vorgeführt, sondern Jaron und sein Zwillingsbruder Julius durften auch selber fahren – und zwar Quad. Ein Herzenswunsch von Jaron, den der Neunjährige bereits vor zwei Jahren das erste Mal geäußert hat, berichtet Vater Bernhard Richter. Benzin liegt den Jungs schließlich im Blut. Während ihr Vater Motorrad fährt, setzen die Zwillinge auf Motocross. Quad sind sie aber noch nicht gefahren.

Jaron Richter ist neun Jahre alt und schwer krank, wurde vor rund einem Jahr am Herzen operiert. Nicht die erste Operation, die der Junge aus Schönebeck über sich ergehen lassen musste. Aber an seinem eigenen Herzen die letzte. Muss nochmal am Herzen operiert werden, stünde eine Transplantation an, berichtet Mama Beate Richter.

Doch Jarons schwere Erkrankung ist nicht das einzige Schicksal, das denn Alltag der Familie prägt – mal mehr, mal weniger. Bereits 2015 hat das Schicksal erbarmungslos zugeschlagen und der Familie Sohn und Bruder Jona genommen. „Nur mein Mann hat Jona lebend gesehen“, berichtet die Schönebeckerin Beate Richter gefasst. Dennoch gehört Jona zur Familie.

Doch als wäre der frühe Tod von Jona und die Herzerkrankung Jarons nicht schon schlimm genug, ist auch Schwester Jael schwer krank. Doch dazu später mehr. Jael selbst war an diesem besonderen Tag für die Zwillingsbrüder nicht dabei, sondern bei Oma untergebracht. Quadfahren ist für Dreijährige schließlich noch nichts.

Wohl aber für fast zehnjährige Jungs. Nach anfänglicher Vorsicht im Umgang mit dem unbekannten Gefährt hatte Jaron den Dreh schnell raus, nahm die Pfützen, die nach dem Starkregen auf der Quadstrecke im Süden Magdeburgs entstanden sind, gekonnt mit und sorgte dafür, dass er von oben bis unten mit Matsch bedeckt war. Julius, laut Mama Beate eigentlich der wildere der beiden Zwillinge, saß zwar auf einem größeren Quad, legte aber einen nicht ganz so rasanten Fahrstil an den Tag. Mit den Zwillingen auf der Strecke war auch Maik Kuplich. Der Calbenser ist Gründer und Vorsitzender des Vereins Teddy-Wuensche, der der Familie diesen Tag überhaupt erst ermöglicht hatte.

Nach dem Quadfahren durften die Jungs dann nämlich noch auf der Rückbank eines Lada Niva 4x4, ein Klassiker unter den Geländewagen, Platz nehmen und mitfahren. Beide Aktionen haben den Zwillingen Spaß gemacht und ihnen nicht nu ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Unterdessen ist ihre Schwester, die dreijährige Jael, bei Oma untergebracht. Jael ist als Frühchen zur Welt gekommen, leidet an einer Schädigung der weißen Substanz im Hirn, hervorgerufen durch vorgeburtlichen Sauerstoffmangel, die sich in Form einer Spastik der Beine äußert. Diese Beeinträchtigung macht dem Mädchen und ihrer Familie das Leben schwer.

Der Ausflug zum Erlebnispark Magdeburg am Wochenende war allerdings nicht der erste Wunsch, den der Verein der Familie erfüllt. Vor einigen Wochen war die Familie zusammen mit Maik Kuplich im Reit-Therapie-Zentrum in Sachsendorf unterwegs. Getreu des Mottos „Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“ durfte Jael in den letzten Wochen an einer Pferdetherapie teilnehmen, „die ihren Gesundheitszustand sehnlichst verbesserte“, berichtet Maik Kuplich. Weil die Pferdetherapie dem Gesundheitszustand der Dreijährigen so gut tut, ermöglicht der Verein dem Mädchen weitere Einheiten auf dem Sachsendorfer Hof und hofft, dass diese Jaels Gesundheitszustand noch weiter verbessert.

Durch Zufall hatten die Eltern während einer Pferdetherapie-Stunde seiner Schwester Jael bemerkt, dass auch Sohn Julius die Zeit auf dem Pferdehof gut tut. Für Julius als Bruder von Geschwistern, die oft mehr Aufmerksamkeit bekommen als er als gesundes Kind, sind die Schicksale der Geschwister Zeit seines Lebens eine Dauerbelastung. „Er muss immer auf seine kranken Geschwister Rücksicht nehmen und entwickelte im Verlauf des letzten Jahres und in Verbindung mit Jarons Herz-Operation selbst ein seelisches Trauma“, berichtet Maik Kuplich.

Auch Julius ermöglicht der Verein jetzt zehn Reitstunden und hofft, dass er mit der Hilfe des Pferdes und den Therapeuten auch sein Trauma besiegen kann.

Erfahren hatte Maik Kuplich vom Schicksal der Familie vor einigen Wochen. Ihm sei sofort klar gewesen, dass er alles versuchen würde, vor allem den Kindern der Familie ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. „Um so wenigstens ein wenig den Schmerz, Trauer und Angst für einen gewissen Zeitraum vergessen zu lassen“, sagt der Vorsitzende des Vereins Teddy-Wuensche.