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Kloster Das Geheimnis hinter der alten Mauer

Über das untergegangene Kloster von Plötzky hat Anna-Maria Meussling ein Buch verfasst.

Von Ulrich Meinhard 03.09.2015, 01:01

Plötzky l Verwachsen und verwunschen zeigt sich am Ortsausgang von Plötzky eine alte Mauer. Das verwendete Gestein lässt auch den Laien vermuten, dass sie alt sein muss. Vielleicht sogar sehr alt. Das Straßenschild „Am Kloster“ verrät, dass es hier einst eine sakrale Anlage gegeben haben muss. Wer sich beim Vorbeifahren schon immer gefragt hat, was sich früher hinter der Mauer verbarg, welches Geheimnis dahinter zu finden ist, der kann nun umfassend informiert werden.

Die in Plötzky lebende Restauratorin und Autorin Anna-Maria Meussling hat sich dem Geheimnis angenommen. Sie als Einheimische wusste natürlich schon immer, dass Plötzky vor Zeiten ein bedeutendes Kloster beherbergte. Vielleicht beherbergte das Kloster auch den Ort. Es wird in jedem Fall eine intensive Zweierbeziehung gegeben haben. Schließlich besaß Plötzky im Mittelalter das Stadtrecht. Der 2005 wieder aufgestellte Roland bezeugt die ehemalige Bedeutung des Ortes.

Vom Kloster, das zum Zisterzienser-Orden gehörte und stets etwa 30 Nonnen ein Zuhause bot, sind nur Reste erhalten. Die Mauer an der Straße nach Pretzien etwa. Kellergewölbe ebenso, die heute zu den verschiedenen Grundstücken der Einwohner gehören und wo die Nonnen einst Getränke und Essbares lagerten. Vermauerte Toreingänge gibt es noch. Das Haus des Revierförsters könnte das einzige übriggebliebene Klostergebäude sein, wenngleich es im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut wurde.

„Das Zisterzienserinnen-Kloster Plötzky St. Maria Magdalena auf dem Georgenberg“ hat Anna-Maria Meussling ihre Publikation genannt. „Ich wollte ein Buch schreiben, das man gerne liest, wollte mich nicht nur an den Fakten festhalten, sondern bin recht locker mit ihnen umgegangen“, sagt sie im Gespräch mit der Volksstimme. Fakt ist, dass das Kloster im Mittelalter garantiert von großer Bedeutung war. Doch es gibt keinerlei Zeichnungen von den Klostergebäuden. Ein Plan von 1901 zeigt zwar Mauerreste auf, eine Zuordnung, wo genau die Kirche gestanden hat, wo der Kreuzgang, ist aufgrund dieses Dokumentes aber nicht möglich. Der Heimatverein Plötzky hat sich dennoch an eine Rekonstruktion gewagt, als Modell, versteht sich. Das ist in der Heimatstube des ostelbischen Ortes ausgestellt und auch im Buch von Anna-Maria Meussling als Bild abgedruckt. Es zeigt ein dem Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg ähnliches Gotteshaus, mit einem sich südlich angliedernden Kreuzgang sowie mehrere Wirtschafts- und Lagergebäude. Wilfried Kiske, der Vorsitzende des Heimatvereins, mutmaßt, dass ein Mensch eine dreiviertel Stunde gebraucht hat, um das gesamte Gelände rund um den Georgenberg abzulaufen.

Bedeutende Nonnen, wie etwa eine Mechthild von Magdeburg oder eine Hildegard von Bingen, hat Plötzky nicht hervorgebracht. Anna-Maria Meussling schreibt in ihrem Prolog: „Fünf Jahrhunderte hat das Kloster das Dorf bestimmt. Einstmals gingen dort Kinder zur Schule, lernten Lesen und Schreiben. Kranke und Arme durften sich Essen und Mittel gegen Krankheiten erbitten. Viele Dorfbewohner fanden im Umfeld Arbeit. Das Dorf entwickelte sich zum Städtchen mit Marktgerechtigkeit ...“ Plötzky wird in alten Urkunden unterschiedlich benannt: Plezege um 1213, Plotzik um 1310, Ploce, Plozzeke und Plötzka um 1725. Kirchlich gehörten Ort und Kloster lange Zeit zum Bistum Brandenburg.

Das Kloster wird erstmals in einer zwar nicht mehr erhaltenen, aber bezeugten Urkunde aus dem Jahr 1228 erwähnt. Anfangs waren es wohl Benediktinerinnen, die im Kloster lebten, ab 1322 ist von Zisterzienserinnen die Rede. Ihr Wahlspruch lautete und lautet noch immer: „Wir wollen in einer Liebe, unter einer Regel und nach einheitlichen Bräuchen leben.“ Eine der Regeln hat um 1427 die Nonne Sophie gebrochen. Sie wurde wegen „Unkeuschheit“ bestraft, wie aus den Chroniken zu entnehmen ist. Wie genau und was konkret vorgefallen ist, wird nicht erwähnt.

Der Anfang vom Ende des Plötzkyer Klosters markierte ein dem Essen und Trinken recht zugewandter, zugleich aber fast unglaublich mutiger Mönch namens Martin Luther. Er wollte die mittelalterliche Kirche reformieren, was misslang. Stattdessen entstand eine neue christliche Kirche. Viele Klöster standen vor der Frage: wie weiter? Auch die Plötzkyer Nonnen um ihre damalige Priorin Anna Bles mussten sich entscheiden: bleiben oder gehen. Im Jahr 1524 holten die ersten Magdeburger Mönche die ersten Plötzkyer Nonnen fort und heirateten sie. Im Ort selbst kamen sechs Nonnen umgehend unter die Haube. Sie waren eine gute Partie, kannten sich in Hauswirtschaft bestens aus, auch in Heilkunde, Töpferei, Rechnungswesen oder Landwirtschaft. Einige der Ordensschwestern blieben dennoch im Kloster. Belegt ist für das Jahr 1576, dass noch zwei Damen im aufgelösten Kloster lebten. Belegt ist weiterhin, dass der Kurfürst von Sachsen 1678 Geld gab zur Sanierung des maroden Kirchendaches. Allein, die Kirche ist 1793 dann doch abgerissen worden. „Der Bruchstein wurde einfach weiterverkauft und verbaut“, schreibt Anna-Maria Meussling. Der Gommeraner Bürger Blumenau, offenbar ein cleverer Geschäftsmann seiner Zeit, ist über den Verkauf der Kirchensteine reich geworden.

So ist also alles dahin? Mitnichten. „Mich hat ja besonders interessiert, wohin das gesamte Inventar gekommen ist“, lässt die Buchautorin wissen. Und diesbezüglich gibt es eine ganze Reihe von Erfolgsmeldungen: In den Kirchen von Plötzky, Pretzien und Ranies sind Gestühl, Empore, aber auch Teile des Altars eingebaut worden. Das ehemalige Sakramentshaus zur Aufbewahrung heiliger Geräte aus dem Kloster Plötzky steht heute in der Ranieser Kirche. Das Altarkreuz der Klosterkirche hängt heute in der St.-Thomas-Kirche Pretzien. Anna-Maria Meussling geht davon aus, dass die Klosterkirche genauso schlicht, „aber wunderschön bemalt war“, wie die Kirchen in Plötzky und Pretzien.

Es gibt noch viel mehr zu erzählen vom untergegangenen Kloster Plötzky. Etwa von der Nonne, die keine sein wollte und gegen ihr Gelübde einen Edelmann aus Thüringen heiratete. Sie soll nach ihrem Tod oft im Kloster gesehen worden sein: schön, aber leichenblass und mit glänzenden Perlen und Steinen sei ihr Gesicht geschmückt gewesen. Für Bittende habe sie immer eine kleine Gabe gehabt...

Oder die Frage nach dem Verbleib des Klosterschatzes und der Klosterurkunden. Alles sollte zusammen auf einem Elbkahn nach Dessau transportiert werden. Ein Sturm kam auf, der Kahn sank.

Oder die Raubüberfälle der Magdeburger, die die Nonnen 1550 um ihre Vorräte (nicht aber um ihre Unschuld) brachten. Das Amt Gommern, argwöhnend, dass die Räuber auf den Geschmack gekommen seien und sicher wiederkehren würden, stellte eine Wachmannschaft bereit. Das Misstrauen galt zurecht. Die Magdeburger kamen erneut und wurden in die Flucht geschlagen. Vom Schiff aus wollten sie Plötzky aus Rache beschießen. Doch der Schuss ging nach hinten los und zerschmetterte den Mast des Leitschiffes.

Das von Anna-Maria Meussling verfasste Buch ist im Eigenverlag erschienen und nur über sie selbst zu beziehen, Kostenpunkt 15 Euro, Kontakt über Telefonnummer (039200) 5 19 57. Und wie findet Ehemann Rüdiger Meussling das jüngste Werk seiner besseren Hälfte? „Meine Zigarre ist ständig ausgegangen, so spannend fand ich das Lesen“, sagt der ehemalige Pfarrer.