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Konzert Romantische Klänge voller Kontraste

Was passiert, wenn ein erstklassiger Geigenvirtuose und ein preisgekrönter Dirigent auf ein Schönebecker Orchester treffen?

Von Emily Engels 12.12.2017, 02:02

Schönebeck/Barby/Magdeburg l Inmitten der der winterlichen Kälte berührt ein warmer Luftstrom die Gemüter der Zuhörer. So in etwa könnte man den melancholischen und doch trostvollen Anfang von Max Bruchs Violinkonzert beschreiben, den Nicolas Koeckert auf seiner Violine vorträgt. Man möchte fast „vorklagt“ schreiben, doch dafür ist das Spiel des Ausnahmegeigers trotz der tragischen Melodie zu wohlig, zu schön.

Koeckert, teils deutsch, teils brasilianisch, teils jüdisch, schafft dabei immer wieder den Wechsel zwischen romantisch-lyrischer Phrasierungen und hoher Virtuosität – beides für einen gelungenen Vortrag vom Bruch-Konzert dringend notwendig. Das klingt dann etwa so: Befürchtet man gerade, Koeckert hätte sich in einem musikalischen Gedanken vollkommen verloren, folgt eine glasklar phrasierte und klug durchdachte Passage. So schafft Koeckert in seinem Spiel stets den schmalen Grad zwischen Traumwandlerei und Bodenständigkeit.

Der warme Klang seiner Guadagnini-Violine ist vor allem im Adagio, dem zweiten Satz des Violinkonzertes zu hören. Während der Satz bei so manch einem Geiger schnell ins Langweilige driften kann, ist hiervon in Koeckerts Interpretation keine Spur. Zu viele neue Ideen, zu viele Klangfarben bringt der Künstler während seines Spiels hervor. In dem finalen Satz, dem Allegro energico zeigt Koeckert noch einmal die technischen Möglichkeiten, die er auf seinem Instrument hat. Da wird keine Note schlampig gespielt oder gar weggelassen. Obwohl das bei dem flotten Tempo, das Koeckert und das Orchester an den Start legen, durchaus zu verzeihen wäre.

Orchester und Solist sind perfekt aufeinander abgestimmt, was nicht zuletzt an der Beobachtungsgabe von Gastdirigent Wolfgang Rögner liegt. Da werden Blicke – und Lacher – zwischen Instrumentalisten und Dirigenten ausgetauscht, die Freude am Konzertieren ist von beiden Seiten nicht zu übersehen.

Genauso wie sich an der melancholischen Stimmung nichts mehr ändern wird – schließlich geht es von g-Moll ins noch dunklere c-Moll, zieht sich auch das Kontrastreichtum durch den Konzertabend mit der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie.

Während in der Tragik von Bruchs Violinkonzert stets noch ein Funken Hoffnung durchschimmert, scheint im ersten Satz von Schuberts 4. Sinfonie - der „Tragischen“ – alles verloren. Könnte man für einige Minuten meinen. Denn nach dem zutiefst traurigen Adagio molto schlägt die Stimmung bereits im zweiten Teil des ersten Satzes, dem stürmischen Allegro vivace, schlagartig um.

Gastdirigent Rögner, der eigentlich das Leipziger Sinfonieorchester musikalisch leitet, holt all diese Facetten aus der Kammerphilharmonie heraus.

Das Ergebnis: Eine gute Balance der Stimmen untereinander, und auch in schwierigen Passagen – etwa beim synkopierten Rhythmus, der sich durch den 1. und 4. Satz zieht – klare Strukturen und trotz einer harmonischen Komplexität zugleich eine Klarheit, die fast an Mozart erinnert.

Das Finale ist von einem drängenden zur Grundtonart c-Moll passenden Charakter geprägt, der am Schluss – passend zu dem erfolgreichen Konzert – in ein festliches Ende mündet. Auch hier spielt der zur Entstehungszeit der Sinfonie 19-jährige Schubert mit fünf tonalen Ebenen, die Kammerphilharmonie meistert diese Herausforderung meisterlich.

Der tschechische Komponist Antonin Dvořák zählte einst zu den größten Bewunderern der Sinfonie Nummer 4 von Schubert. Er schätzte das Werk wegen der „vielen exquisiten Details in der Orchestrierung“, des starken Charakters und der Individualität.

Die letzten zwei Punkte sind durchaus Attribute, die nach dem gelungenen Konzertabend auch auf das Spiel der Kammerphilharmonie unter Rögner zutreffen.