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Kreistag Philharmonie droht Insolvenz

Zwei finanzielle Probleme hat die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie. Der Kreis soll hier in die Finanzierungslücke springen.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 29.02.2016, 00:01

Schönebeck l Die Zukunft der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie (MKP) liegt im Argen. Derart im Argen, dass der gemeinnützigen GmbH (gGmbH) die Insolvenz droht. Abwenden kann diese nur ein Kreistagsbeschluss. Ein Beschluss über das Bewilligen von 137 281 Euro (Fehlbetrag und Rechtsstreit). Es steht die Frage im Raum: Bekennen sich die Kreistagsmitglieder zu ihrem „Hausorchester“? Am heutigen Montag beraten erstmals die Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses darüber, bevor am Mittwoch, 2. März, der Kreistag seine Entscheidung fällen muss.

Vorweg sei angemerkt: Sowohl die Vertreter der Kreisverwaltung als auch der Kammerphilharmonie wollten sich im Vorfeld der Sitzungen nicht äußern. Für diesen Artikel standen nur die entsprechende Beschlussvorlage inklusive ihrer 14 Anlagen zur Verfügung.

Zum Hintergrund: Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie hat zwei finanzielle Probleme. Zum einen ist das ein Fehlbetrag aus dem Geschäftsjahr 2014: 17 281 Euro. Das Minus ist insgesamt 52 847 Euro groß. Ihm wird Eigenkapital in Höhe von 35 565 Euro gegengerechnet, so dass die genannten 17 281 Euro noch offen sind. Zurückzuführen sei das Minus auf eine Vielzahl von Faktoren, führt Orchester-Geschäftsführer Hans-Jörg Simon gegenüber dem Salzlandkreis aus. Dazu gehören ein witterungsbedingter Umsatzeinbruch beim Operettensommer 2014 (18 000 Euro) und weniger Förderung für das Musikfest „Klänge im „Raum“ (7400 Euro) genauso wie geringere Abschreibungen und nicht planbare Preissteigerungen.

Zum anderen ist da die Summe von 120 000 Euro, die der Kammerphilharmonie das Genick zu brechen droht. Sie ist Gegenstand eines Rechtsstreites zwischen der Schönebecker gGmbH und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund. Bei einer Betriebsführung, die die Deutsche Rentenversichung Bund 2009 durchgeführt hat, wurde eine Forderung für das Jahr 2005 aufgestellt. Dem DRV nach, hat die MKP zu wenige sozialversicherungspflichtige Beiträge abgeführt.

Dabei geht es nicht um die festangestellten Musiker, sondern um die Gastmusiker und beispielsweise die freiberuflichen Visagisten, die für die Zeit des Operettensommers engagiert werden. Im Schreiben des DRV heißt es dazu: „Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist Voraussetzung für das Entstehen von Versicherungspflicht ... Der Abschluss eines Arbeitsvertrages ist nicht erforderlich, das Arbeitsverhältnis entsteht schon durch die mit der Arbeitsaufnahme verbundene Eingliederung in den Betrieb.“ Dieses Thema soll ebenso andere Orchester in Deutschland betreffen.

Deshalb bestand laut DRV damals eine Forderung in Höhe von 47 445 Euro. Dagegen hatte die MKP Widerspruch eingelegt und ausführlich begründet. Aufgrund dessen wurde die DRV-Nachforderung auf 29 168 Euro abgeändert, der Widerspruch von der MKP aber abgewiesen. Dagegen haben die Schönebecker Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben. Ein Ergebnis steht inzwischen teilweise fest. „Am 12. Februar fand die mündliche Verhandlung statt“, heißt es in der Beschlussvorlage. Und: „Das Sozialgericht hat mit Urteil vom selben Tag die im Streit stehenden Bescheide des DRV teilweise abgeändert ... Im Übrigen hat es die Klage der MKP abgewiesen.“

Was heißt das für das Orchester? „Eine abschließende Bewertung kann durch den Prozessbevollmächtigten der MKP erst nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe vorgenommen werden. Hiermit ist nicht vor Mitte bis Ende des Monats April zu rechnen“, steht in der Beschlussvorlage.

Bei der Kammerphilharmonie kann man derzeit nur schätzen, wie hoch die tatsächliche Forderung sein wird. Das Problem: Da die Betriebsprüfung 2009 erfolgte und sich mit den Beanstandungen auf das Jahr 2005 bezieht, ist davon auszugehen, dass auch für die folgenden Jahre Nachforderungen von der Deutschen Rentenversicherung Bund geltend gemacht werden.

2014 wurde ein Steuerberater beauftragt, eine Prognose der Nachzahlungen für 2006 bis 2009 anzustellen. Sein Ergebnis: 233 969 Euro. Und sein Fazit: „Eine derartige Nachforderung führt zu einer bilanziellen Überschuldung und stellt eine existenzbedrohende Situation dar.“

Das Problem: Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie gGmbH verfügt nicht über die nötigen Rückstellungen. Schwer gefallen sein muss es der MKP bereits, für das Ursprungsjahr 2005 rund 20 000 Euro auf die hohe Kante zu legen.

Und warum wird der Salzlandkreis nun nicht um die ganzen prognostizierten 233 696 Euro gebeten? „Hierbei handelt es sich um den Fall, dass die MKP im Rechtsstreit vollumfänglich unterliegt“, erklärt der MKP-Geschäftsführer gegenüber dem Salzlandkreis. Davon geht Hans-Jörg Simon jedoch nicht aus. Er rechnet mit einer Forderung in Höhe von 120 000 Euro. Eine grobe (Ein-)Schätzung vorab.

Mit der Entscheidung, ob der Salzlandkreis seinem „Hausorchester“ das Leben retten wird, will man offensichtlich nicht bis voraussichtlich April warten. Deshalb soll der Kreistag in dieser Woche darüber beschließen, ob für den Fall des Falles eine Rückstellung eingeräumt wird. Es soll nur die Summe fließen, die geleistet werden muss.

Genau genommen ist der Salzlandkreis die letzte Rettung für die MKP. Denn neben dem Land ist er der größte Förderer der gemeinnützigen GmbH. Das Land wiederum habe dem Kreis gegenüber deutlich gemacht, „dass eine Fortführung der MKP wünschenswert und dem Land Sachsen-Anhalt daran gelegen wäre. Dies führe aber nicht zu einer Förderung um jeden Preis“.

Ob der Salzlandkreis überhaupt in der Lage ist, die vorgesehenen 120 000 Euro für die MKP zu übernehmen, ist unklar. Derzeit obliegt eine Haushaltssperre.