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Kreisumlage Die Angst vor der Klagewelle

Spätestens nach der erfolgreichen Klage von Hecklingen gegen die Kreisumlage sorgt das Thema im Salzlandkreis für Aufregung.

Von Emily Engels 28.11.2018, 00:01

Schönebeck/Staßfurt/Bernburg l In wohl jeder kommunalpolitischen Sitzung wird derzeit die Kreisumlage heiß diskutiert. Ausgelöst wurde all das durch die erfolgreiche Klage der Stadt Hecklingen. Doch wie genau wird eigentlich die Kreisumlage berechnet und wie hoch sind die Beträge für die einzelnen Kommunen im Kreis? Die Volksstimme hat die wichtigsten Eckdaten rund um das Thema sowie die wichtigsten Streitpunkte zusammengefasst.

Zur Deckung des Finanzbedarfs können Kreise eine Kreisumlage von ihren angehörigen Gemeinden erheben. Grundlage für die Berechnung ist die Steuerkraft (berechnet aus Grundsteuer A, Grundsteuer B, Gewerbesteuer, Einkommenssteuer- und Umsatzsteueranteile) der Gemeinden aus dem Vorvorjahr sowie die Schlüsselzuweisungen des Landes an die Kommunen aus dem Vorjahr. Von dieser Umlagegrundlage wird ein bestimmter Satz als Kreisumlagesatz definiert – dieser wird auch als Hebesatz bezeichnet. Während dieser im Salzlandkreis 2013 bis 2015 noch 45,851 von Hundert (entspricht Prozent) betrug, ist er seit 2016 auf 47,06 Prozent gestiegen.

Je nach Entwicklung der Steuerkraft einer Gemeinde kann das konkret bedeuten: Selbst, wenn der Hebesatz über die Jahre gleich bleibt, kann die Kreisumlage entsprechend der Steuereinnahmen sinken oder steigen.

Im Altkreis Schönebeck hat 2018 Schönebeck mit 13,8 Millionen Euro die höchste Kreisumlage, die niedrigste hat die Stadt Barby mit 2,7 Millionen Euro. Im Raum Staßfurt mus Staßfurt mit 12,1 Millionen Euro am meisten Geld abgeben, am wenigsten muss die Stadt Egeln (ohne andere Gemeinden der Verbandsgemeinden mit einbezogen) mit 90.000 Euro bezahlen.

Welch eine wichtige Einnahmequelle die Kreisumlage für Landkreise ist, zeigt ein Beispiel aus dem Salzlandkreis. 2018 hat der Kreis 79,6 Millionen Euro über die Kreisumlage eingenommen – das sind 19,34 Prozent der Gesamterträge (411,7 Millionen Euro).

Die Stadt Hecklingen hat in diesem Jahr erfolgreich gegen die Kreisumlage aus dem Jahr 2017 geklagt: Das Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg hat den Umlagebescheid für 2017 aufgehoben. Der Kreis habe „wesentliche Verfahrens- und Beteiligungsrechte der zur Zahlung verpflichteten Städte und Gemeinden“ bei der Berechnung der Höhe der Kreisumlage nicht beachtet, beanstandet das VG.

Den Städten und Gemeinden müsse genügend Gelegenheit zur Darstellung ihrer finanziellen Belange gegeben werden, zudem müsse die „Abwägung der gegenseitigen finanziellen Interessen“ in die Berechnung einfließen, stellten die Richter klar. Diesen Anforderungen sei der Landkreis im Fall Hecklingen nicht gerecht geworden.

Hecklingen musste 2017 2,3 Millionen Euro Kreisumlage zahlen. Tatsächlich haben sie nur 600.000 Euro bezahlt und haben sich den Rest stunden lassen.

Neben Hecklingen haben zehn weitere Kommunen des Salzlandkreises gegen die Kreisumlage geklagt. Darunter die insgesamt fünf Gemeinden der Verbandsgemeinde (VG) Egelner Mulde, und die Gemeinden der VG Saale-Wipper.

Der Kreis ist im November gegen die erfolgreiche Klage der Stadt Hecklingen in Berufung gegangen. Jetzt muss das Oberverwaltungsgericht (OVG) entscheiden. Schließt dieses sich der Sichtweise der Magdeburger Verwaltungsrichter an, könnte dies für den Salzlandkreis sehr teuer werden. Bleiben die Richter dabei, dass die damals verschickten Bescheide zur Kreisumlage rechtswidrig sind, müsste der Kreis auch den zehn weiteren Kommunen, die ebenfalls geklagt haben, die Umlage wieder zurückzahlen.

Die Stadt Hecklingen selbst hätte jedoch kaum etwas von einer Rückzahlung. Das Geld für die Kreisumlage hatte sie damals als Liquiditätshilfe vom Land erhalten – und müsste es dementsprechen wieder zurückzahlen.

Um weitere Klagen zu vermeiden, hat die Kreisverwaltung einen ausführlichen Abwägungsprozess zur Festsetzung der Kreisumlage durchgeführt. Dazu wurden Anhörungsgespräche mit den Gemeinden geführt und detailliertes Zahlenmaterial zu den kommunalen Finanzen angefordert.

Dieser Abwägungsprozess findet sich in einer Beschlussvorlage zum Nachtragshaushalt wieder. Über diesen soll der Kreistag in einer Sondersitzung am heutigen Mittwoch beschließen. Einzusehen sind der Abwägungsprozess und das Zahlenmaterial aus den Kommunen für alle Bürger auch in den Unterlagen zum Kreistag auch hier.

Der Nachtragshaushalt weist derzeit einen Fehlbetrag von 5,5 Millionen Euro auf. Dieser Fehlbetrag könnte rein theoretisch durch die Erhöhung des Hebesatzes der Kreisumlage von 47,06 auf 50,34 Prozent ausgeglichen werden. Ob das für die Kommunen verkraftbar wäre, wurde in dem aufwändigen Abwägungsprozess zur Festsetzung der Kreisumlage berechnet.

Darin wurde die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen anhand eines Punktesystems bewertet. Bei nur einer Gemeinde (Giersleben) galt die Leistungsfähigkeit als gesichert. Bei sieben Gemeinden (Barby, Bernburg, Calbe, Staßfurt, Bördeland, Stadt Egeln und Güsten) ist sie eingeschränkt, bei zehn Gemeinden (Aschersleben, Hecklingen, Könnern, Schönebeck, Bördeaue, Stadt Seeland, Börde-Hakel, Borne, Alsleben und Ilberstedt) ist sie gefährdet.

Das Resultat des Abwägungsprozesses ist, dass der Kreis den aktuellen Hebesatz von 47,06 Prozent als angemessen erachtet.

Von vielen Kommunen gibt es auch nach der Anhörung scharfe Kritik am Verfahren des Kreises. So steht in einem Schreiben der Verbandsgemeinde (VG) Egelner Mulde in Bezug auf das Protokoll einer Beratung des Kreises mit der Verbandsgemeinde: „Da das Protokoll nicht in Ansätzen unsere in der Beratung gemachten Äußerungen enthält, kann es dafür auch keine Bestätigung geben.“ Einige wichtige Kritikpunkte sind in dem Schreiben an den Kreis noch einmal zusammengefasst:

• Die VG hält es für nicht machbar, die finanzielle Leistungsfähigkeit einer einzelnen Gemeinde, losgelöst von der Verbandsgemeinde, zu ermitteln. Vom Kreis wurde das aber gefragt.

• Die Verbandsgemeinde hat das Gefühl, dass die Beschlussfassung der Nachtragshaushalt nur dazu dient, die versäumte Abwägung nachzuholen. Es scheine dabei nur darum zu gehen, den Kreisumlagesatz für das Jahr 2018 zu rechtfertigen.

Kritik kommt unter anderem auch aus Calbe von Bürgermeister Sven Hause. Er sagt auf Anfrage der Volksstimme: „Schon jetzt haben wir aufgrund der Kreisumlage einen Stau an Sanierungsarbeiten. Die Kreisumlage schränkt uns bereits jetzt erheblich ein.“ Während der Anhörungsgespräche habe die Stadt Calbe immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass kein Einverständnis zu der vorgesehenen Höhe der Kreisumlage bestehe – weder für das Jahr 2018. noch für 2019. Sven Hause sieht dabei beide Seiten – den Kreis genauso wie seine Stadt. Er sagt: „Dabei gibt es kein generelles Unverständnis zur Notwendigkeit der Erhebung einer Kreisumlage. Nur so kann die Gemeinschaft funktionieren. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel an der Höhe.“

Deshalb wird die SPD-Fraktion des Kreistages in der heutigen Sitzung einen Änderungsantrag zur Beschlussvorlage zum Nachtragshaushalt stellen. In diesem fordert die Fraktion, dass der Hebesatz auf 43,2 Prozent gesenkt wird. „Das wäre ein positives Signal. Ein Zeichen, dass man kompromissbereit ist“, so Sven Hause, der im Kreistag Mitglied der SPD-Fraktion ist.

Den Kommunen stünden dann jährlich 6,5 Millionen Euro mehr zur Verfügung – der Kreis hätte allerdings auch einen 6,5 Millionen Euro höheren Fehlbetrag auszugleichen.

Das der Beschlussvorlage zum Nachtragshaushalt in der heutigen Sondersitzung des Kreistages zugestimmt wird, ist nicht unbedingt wahrscheinlich. Denn in jedem der vorausgegangenen Ausschüsse wurde die Beschlussvorlage abgelehnt. So auch im Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales.

Andrea Schellenberger, Fachbereichsleiterin Finanzen, Recht und Service für die Kreisverwaltung. sagte im Kreisausschuss zu der Beschlussvorlage: „Wir haben den neuen Beschluss erstellt, weil wir den Prozess verloren haben.“

Der bisher fehlende Abwägungsprozess sei hier nachgeholt worden. Eine Zustimmung der Beschlussvorlage im Kreistag wäre für den Kreis wahnsinnig wichtig.

Wenn das nicht passiert, könne das große finanzielle Konsequenzen haben. Die Befürchtung der Kreisverwaltung: „Wir haben sonst mit einer Klagewelle zu rechnen.“ Die mögliche Konsequenz daraus: Der Salzlandkreis würde 80 Millionen Euro zurückzahlen müssen. „Ein Risiko, das wir als Verwaltung nicht tragen können und wollen“, so Schellenberger weiter.

Sie merkt an, dass es noch kein vorgeschriebenes Verfahren für eine Abwägung der Kreisumlage vom Land gebe. Das Innenministerium arbeitet an einer Richtlinie.

Saale-Wipper-Stadtrat Siegfried Westphal (CDU) sagte im Kreisausschuss für Soziales, Sport und Kultur: „Hinter dem Abwägungsprozess steckt eine enorme Fleißarbeit hinter.“ Er findet es gut, wenn das Thema von beiden Seiten beleuchtet wird. „Wenn wir den Hebesatz zum Beispiel auf 42 Prozent reduzieren würden, müsste der Landkreis mit dem Rotstift dermaßen durchgehen.“ Das sei ein Dilemma, das immer größer wird.

Denn auf der anderen Seite müssen die Stadträte es ihren Einwohnern in den jeweiligen Gemeinden erklären, wenn sie wieder Einschnitte machen müssen, um genug Geld für die Kreisumlage aufzubringen.