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Kriminalität Ermittler-Panne beim Enkeltrick in Gnadau

Enkeltrick-Betrüger waren im Salzland unterwegs. In Calbe waren sie erfolgreich. In Gnadau nicht.

Von Thomas Linßner 08.05.2019, 01:01

Gnadau/Calbe/Staßfurt/Löderburg/ l Als Peter Erben (71) am Sonnabend vom Enkeltrick in der Volksstimme las, stieg sein Blutdruck in ungesunde Höhen. Laut einer Polizeimeldung sollten am Donnerstag „15.000, 20.000 und 25.000 Euro Bargeld erschlichen werden“. Drei ältere Damen hätten richtig reagiert, als bei ihnen ein vermeintlicher Enkel anrief und die Polizei verständigte. „Da in zwei Fällen bereits Übergabe-Zeitpunkte ausgemacht wurden, kamen zivile Beamte zum Einsatz“, hieß es in der Polizeimeldung.

So angeblich auch in Gnadau. Hier klingelte das Telefon bei einer alten Dame im Comeniusweg. Die 88-Jährige Frau M. verständigte ihre Nachbarin Doris Erben, die sich sofort an das Polizeirevier Schönebeck wandte.

Der junge Mann sei nach der üblichen Masche vorgegangen, zitiert Peter Erben seine Nachbarin. „Rate mal, wer hier ist?“ Als Frau M. fragte: „Etwa Bernd?“, habe er gejubelt: „Ja, Bernd! Ich brauche deine Hilfe.“ Dann kam eine der üblichen Geschichten: Für ein dringendes Geschäft brauche er 20.000 Euro. Er würde einen Freund vorbei schicken, weil er verhindert sei. Die 88-Jährige machte am Telefon klar, dass diese Summe für sie „utopisch“ sei. Dennoch habe der Anrufer angekündigt, nach Gnadau zu kommen. Und zwar Donnerstag, 14 Uhr, Comeniusweg.

Was jetzt passierte, sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. „Die Polizei kam mit einem Kleinbus gegen 13.30 Uhr. Die haben direkt im Comeniusweg in Höhe der ehemaligen Druckerei geparkt“, schüttelt Peter Erben den Kopf. Aus dem Fahrzeug seien zwei Männer und eine Frau gestiegen, die Uniform trugen.

Weil der blau-silberne Kleinbus mit der Aufschrift „Polizei“ so unübersehbar wie ein Elefant im Porzellanladen gewesen sei, habe Erben die Beamten gebeten: „Sie stehen hier vollkommen auf dem Präsentierteller! Fahren Sie doch in meine Toreinfahrt.“ Darauf habe ein Beamter - wie sich später heraus stellte, waren die Drei vom Revierkommissariat Schönebeck - entspannt abgewunken. „Der will doch erst um 14 Uhr kommen. Jetzt ist es 13.30 Uhr!“

Nun hat Peter Erben, der gebürtige Thüringer, schon viel in seinem Leben durchgemacht. Weil er 1976 mit Flugblättern gegen die Biermann-Ausbürgerung protestierte, lernte er den DDR-Strafvollzug von innen kennen. Auch von cleveren Ganoven, die beim Enkeltrick erfolgreich sind, hatte er oft gehört und gelesen. „Dass so ein Verbrecher pünktlich ist, wie ein Staubsaugervertreter, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, so der 71-Jährige. „Der wird, bevor er seine potenziellen Opfer aufsucht, vorher die Gegend genau unter die Lupe nehmen.“

Kurz vor 14 Uhr hätten die Beamten ihren Kleinbus dann doch noch „versteckt“. Und zwar auf dem Parkplatz vor dem Altenheim, der etwa 50 Meter weiter östlich (auch im Comeniusweg!) liegt. „Der Täter wird sich hinter einer Hecke über soviel polizeiliches Entgegenkommen krumm und lahm gelacht haben“, vermutet Peter Erben. Jedenfalls kreuzten die vermeintlichen Täter nicht auf.

Warum die Polizisten so vorgingen, kann sich Polizeisprecher Marco Kopitz nicht erklären. „Die vor Ort handelnden Beamten entscheiden frei über ihre Vorgehensweise, welche sich aber in der Regel an polizeilichen Handlungsgrundsätzen ausrichtet“, so Kopitz knapp. Er bedauert, dass in Gnadau - anders als zuvor angenommen - keine Zivilfahnder dabei sein konnten. Sie hätten zeitgleich einen Einsatz in Staßfurt gehabt, wo es auch um einen Enkeltrick ging.

In Calbe hatten die Enkeltrick-Betrüger in der vergangenen Woche Erfolg. Eine 89-jährige Frau hatte in der Sparkassen-Geschäftsstelle Breite 25.000 Euro abgehoben und wenig später an einen Unbekannten übergeben.

Eine Mitarbeiterin habe die Seniorin auf den möglichen Enkeltrick angesprochen, bestätigt Sparkassensprecherin Ute Cziesla. Jedoch vergeblich. Die alte Dame habe auf die Auszahlung bestanden. Ute Cziesla unterstreicht, dass die Mitarbeiter für solche Fälle regelmäßig geschult würden und sensibilisiert seien. Aber: „Am Ende zählt für uns der Kundenwille.“

Gleich acht Mal haben Unbekannte im Salzlandkreis und im Jerichower Land vorige Woche versucht, Menschen zwischen 75 und 89 Jahren mit dem sogenannten Enkeltrick übers Ohr zu hauen. Es ging dabei um fünfstellige Geldsummen. Die Anrufer forderten Geldsummen zwischen 15.000 und 65.000 Euro. Ihre Komplizen müssen für eine Geldübergabe in der Region gewesen sein. Eine 84-jährige Frau durchschaute den Trick sofort und blies mit einer Trillerpfeife ins Telefon, um den Anrufer abzuschrecken.