1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Corona-Krise: Büro statt Bühne

Kultur Corona-Krise: Büro statt Bühne

Die Corona-Pandemie trifft jeden. Besonders die Veranstaltungsbranche leidet unter den Maßnahmen. Wie kommen Künstler durch die Krise?

Von Tom Szyja 29.01.2021, 05:30

Eggersdorf/Schönebeck l „Ich wünsche mir für die Künstler und für die gesamte Gesellschaft eine klare Perspektive, wie und wann es weitergehen kann“, sagt Humoristin Josefine Lemke. Der Lockdown sorgt dafür, dass sich der Arbeitsplatz der Eggersdorferin von der Bühne ins Büro verlegt hat.

Seit dem 2. November darf sie nicht mehr als Lisbeth Koslowski, eine ihrer Kunstfiguren, auftreten. Stattdessen muss sie sich um Verträge mit Agenturen oder Veranstaltern kümmern.

Aufgrund der verordneten Zwangspause liegt der Gedanke nahe, dass die Künstlerin schlechte Stimmung verbreitet. Das Gegenteil ist der Fall. „Oft höre ich den Medien, dass Kollegen von mir über ihre Situation klagen. Ich sehe dass anders. Bei mir überwiegt die Hoffnung, dass es bald wieder besser wird. Für uns Künstler und uns alle“, erzählt die Eggersdorferin.

In einem normalen Jahr tourt Lemke mit ihrem Programm etwa 200-mal durch ganz Deutschland. Im vergangenen Jahr seien nur rund 100 Auftritte möglich gewesen.

Trotz dieser Einbußen macht sich Lemke keine größeren finanziellen Sorgen. Einerseits hat sie durch ihre langjährige Karriere etwas an Rücklagen angesammelt, andererseits hat sie die finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung in Anspruch genommen. Vor dem zweiten Lockdown im November hatten Bund und Länder die sogenannten Novemberhilfen beschlossen.

Mit dem Programm erhalten Selbstständige und Unternehmen, deren Geschäfte durch die Corona-Maßnahmen nicht mehr möglich waren, Ausgleichszahlungen. Von der Pandemie gebeutelte Personen und Firmen erhalten einfach gesagt 75 Prozent November-Umsatzes aus dem Jahr 2019. Dies verkündete das Bundesfinanzministerium im Herbst vergangenen Jahres.

„Es hat zwar etwas gedauert, bis die Anträge zu den Hilfen freigeschaltet wurden, aber die Bearbeitung der Anträge durch das Land Sachsen-Anhalt ging zügig“, berichtet Lemke. Die Gelder aus dem November hätte sie schon erhalten. Die Zahlungen der zweiten Überbrückungshilfe im Dezember stehe noch aus.

Für die Umsetzung der Finanzhilfen ist in Sachsen-Anhalt die Investitionsbank zuständig. „Seit dem 12. Januar haben wir knapp 3100 Anträge bewilligt. Dadurch wurden Zahlungen von rund 50 Millionen Euro (inklusive Abschlagszahlungen) an Soloselbstständige und Unternehmen getätigt“, erläutert Michaela Kern, Sprecherin der Investitionsbank Sachsen-Anhalt.

Einige Künstler sind während der Corona-Pause auf die Idee gekommen, ihre Auftritte virtuell im Internet zu übertragen oder im Autokino aufzutreten. Josefine Lemke erklärt, warum Sie das nicht gemacht hat: „Diese Optionen kamen für mich nicht infrage. Mein Motto ist immer: ‚Live ist Live‘. Einen Auftritt vor Publikum kann kein Internetstream oder ähnliches ersetzen.“ Aktuell bleibt ihr deshalb nichts anderes übrig, als an ihrem Programm zu feilen oder bürokratische Aufgaben zu erledigen. Kürzlich hat Lemke bereits verschobene Shows erneut verlegen müssen.

Vor diesem Hintergrund ist die Humoristin umso dankbarer, dass sie zwischen Juni und November letzten Jahres bei einigen Veranstaltungen auftreten durfte. Es sei spürbar gewesen, dass sich die Gäste nach Unterhaltung gesehnt hätten. Nichtsdestotrotz wurden die Corona-Maßnahmen von allen Beteiligten eingehalten. Die Zusammenarbeit mit Veranstaltern, wie zum Beispiel Hotels oder Theatern „habe super geklappt“, berichtet Lemke.

Künstler wie Josefine Lemke gehören eher nicht zu den Kunden, für die René Klingler arbeitet. Der Schönebecker leitet zusammen mit seiner Frau Christin Ludwig die Firma Indis Messebau. Anders als die Humoristin kann Klingler seit letztem Frühjahr nicht mehr seiner Arbeit nachgehen. „Unsere Haupteinnahmequelle sind Messen. Doch seit Beginn der Corona-Krise wurden alle Messen national wie international abgesagt“, so Klingler.

Was ihn trotz des Lockdowns positiv stimme, sei der Zusammenhalt unter Kollegen und dass er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen könne.

Die missliche Situation der Veranstaltungsbranche war Thema der Aktion „Night of Light“ im vergangenen Sommer. Bei der bundesweiten Kampagne wurden berühmte Wahrzeichen in ganz Deutschland angestrahlt. In Schönebeck geschah das am IGZ Inno-Life im Kurpark. „Ich würde mir aber eine größere Beachtung der Politik und der gesamten Gesellschaft wünschen, die über solche Tage hinausgeht. Wir sind die Branche, die am härtesten von der Pande- mie betroffen ist“, erklärt Klingler.

Anders als Friseure oder Gastronomen hätten sie nicht zwischendurch aufmachen können. Außerdem würden viele Leute vergessen, was alles zu dem Wirtschaftszweig gehört. „Viele denken bei der Veranstaltungsbranche nur an große Konzerte und Events. Es geht aber auch um die kleinen Dorffeste. Oder der DJ, der bei einer Hochzeitsfeier spielt. Das sind alles Personen, die von den Corona-Maßnahmen am härtesten betroffen sind“, macht Klingler deutlich.

Bis zur zweiten Jahreshälfte käme er finanziell noch über die Runden. Ab dann hofft er, dass er wieder regulär arbeiten dürfe. Die Verluste sollen nicht mit erhöhten Preise für die Kunden ausgeglichen werden.