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Kunst Der unbekannte Lebensretter

Im Sommer 1970 rettete ein Schiffer in der Elbe in Schönebeck einer Frau das Leben. Als Dankeschön gab es eine Skulptur.

Von Ulrich Meinhard 17.06.2018, 04:30

Schönebeck l Viele Skulpturen hat der kürzlich verstorbene blinde Künstler Dario Malkowski im Laufe seines Lebens geschaffen. Einige stehen in Schönebeck auf öffentlichen Plätzen und können damit zu jeder Zeit betrachtet werden. Andere hat er gezielt für bestimmte Personen angefertigt und sie ihnen zum Teil geschenkt. Darunter ist die Darstellung eines Lebensretters, der eine geschwächte Frau stützt. Diesen Lebensretter und diese Frau hat es tatsächlich gegeben. Von dieser außergewöhnlichen Geschichte berichtet Waltraud Jäger.

Ihr Ehemann Georg nämlich ist dieser unbekannte Held. Die Begebenheit liegt schon Jahrzehnte zurück. Als aber die Volksstimme im März dieses Jahres unter der Rubrik „Kennen Sie Ihre Heimat“ ein Foto von einem Straßenrennen veröffentlichte, waren auf dem Foto am Bildrand ein Mann mit dunkler Brille und eine Frau zu sehen. Waltraud Jäger ist sich relativ sicher, in ihnen Dario Malkowski und dessen erste Ehefrau zu erkennen.

„Wir lagen im Sommer 1970 mit einem Schiff der Deutschen Binnereederei in Schönebeck an der Brücke fest“, erzählt Waltraud Jäger. Da es sehr warm war, besorgte sie Eis für die Mannschaft. Als sie zur Brücke zurückkam, bemerkte sie eine „komische Stimmung“ auf der Elbbrücke. Sie hörte jemanden rufen: „Die hat das schon mal gemacht ...“

Als Waltraud Jäger zum Schiff kam, war ihr Ehemann nicht an Bord. Der Schiffsführer sagte ihr, dass er mit dem Rettungsring in die Elbe gesprungen sei, um eine Ertrinkende zu retten.

„Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er total geschwächt und mit kaputten Füßen zum Schiff“, schildert die Schönebeckerin das dramatische Erlebnis. Georg Jäger berichtete den Seinen damals, dass er einer Frau das Leben retten konnte. Dabei wäre er fast selbst ertrunken, weil sich die Person fest an ihn geklammert hatte. Beide trieben bis in den damaligen, heute nicht mehr existierenden Hafen der Firma Wanckel. Dort konnte Georg Jäger die Frau an Land ziehen. Mit letzter Kraft. „Viele Gaffer standen an Land und riefen durcheinander“, erinnert sich Waltraud Jäger. „Er hat sich dann mit seinem Rettungsring und den aufgeschnittenen Füßen in weiß-grauer Hose wieder zum Schiff begeben.“

Die Fahrt ging an diesem Tag noch in Richtung Halle/Saale. Dort angekommen, war die Geschichte schon im Hafenbüro bekannt. „Uns wurde gesagt, dass sich ein Herr Malkowski gemeldet habe und Georg sprechen wolle“, heißt es in dem Bericht von Waltraud Jäger weiter.

Das Ehepaar traf sich schließlich mit dem Künstler. Er bot den beiden Geld als Dankeschön an, was beide aber ablehnten. Malkowski habe dann das Gesicht von Georg Jäger abgetastet, um ihn näher kennenzulernen, wie der blinde Künstler sagte. Das war seine Art zu sehen. „Später bat er uns noch einmal zu sich, um uns eine Büste zu zeigen, die er als Erinnerung an die Rettung seiner ehemaligen Frau - die sehr krank war - gestaltet hatte. Er schenkte sie uns - und das war eine große Geste von ihm und für uns etwas ganz Besonderes.“

Der bescheidene Georg Jäger hat für seine Tat nur das ein oder andere Schulterklopfen bekommen. Was er tat, tat er aus reiner Menschlichkeit und aus Pflichtgefühl. Der empfindsame, feinfühlige Dario Malkowski, dessen gesamtes Schaffen auf den Menschen und die Menschlichkeit hin ausgerichtet war, fand damit in ihm einen Seelenverwandten. Und er bedankte sich auf seine Weise.