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Meisterbrief Bekleidung aus Volzscher Werkstatt

Die Handwerkskammer Magdeburg hat Hannelore Volz mit dem diamantenen Meisterbrief gewürdigt. Die Felgelebenerin war Damen-Schneiderin.

Von Klaus-Peter Voigt 14.07.2016, 16:17

Felgeleben l Leicht vergilbt hat das Prüfungszeugnis von Hannelore Volz mehr als sechs Jahrzehnte überdauert. Der damals 23-Jährigen attestierte die Prüfungskommission 1949: „Mit sehr gut bestanden“. In der Nachkriegszeit war der Hunger nach Lernen groß, eine harte Lehre an der Tagesordnung. Der Wunschberuf Damen-Schneiderin ließ die jungen Frau nicht aufgeben. Später setzte sie sich aus eigenem Antrieb noch einmal auf die Schulbank und erwarb in Halle an der Saale auch noch den Meisterbrief. Der bekam jetzt eine würdige Ergänzung. Die Handwerkskammer Magdeburg verlieh der Schneiderin aus Felgeleben nun einen von 18 diamantenen Meisterbriefen.

„1947 war ich aus Brandenburg nach Schönebeck gekommen und fand in Salze eine Lehrstelle“, erinnert sich Hannelore Volz. Die Freude sei riesengroß gewesen, denn bereits in ihrer Geburtsstadt habe sie begonnen, mit Nadel und Faden zu arbeiten, wollte diese Ausbildung auf jeden Fall fortsetzen. Mit dem tollen Zeugnis war es leicht, eine feste Anstellung zu finden. Und die noch dazu beim späteren Modekönig Heinz Bormann und dessen Frau. Mit ein paar alten Nähmaschinen gründeten beide ihre Bekleidungswerkstätten in der Salzstadt, bevor das aufstrebende Unternehmen Ende der 1950er Jahre komplett ins nahe Magdeburg umzog.

Doch hatte sich Hannelore Volz schon längst selbständig gemacht. Der Bedarf nach Schneiderleistungen war enorm. Als sich die einstige Lehrherrin in den Westen absetzte, standen deren Auszubildende auf der Straße. Die jungen Damenmaßschneidermeisterin wagte da den Schritt zur eigenen Werkstatt. Im Rathaus stieß die Idee sofort auf offene Ohren. Nur wenige Schritte vom Marktplatz entfernt gab es am Breiten Weg ein leerstehendes Ladenlokal, das ihr zugewiesen wurde. „Allen Mut nahm ich zusammen und startete das kleine Unternehmen unter schwierigen Bedingungen mit einer Handvoll Angestellten“, erzählt die Felgeleberin. Anfangs strampelte sie Tag für Tag mit dem Fahrrad in die Innenstadt. Irgendwann kam dann der erste Trabbi und damit ein wenig Annehmlichkeit. Probleme gab es genug, die Räume waren im Winter „hundekalt“, Material Mangelware. Dass in diesen Jahren die Kundinnen nicht allein den Stoff für die modische Bekleidung, sondern auch Knöpfe und Nähgarn mitbrachten, lässt junge Leute heute schmunzeln.

Langsam ging es aufwärts. Wichtig sei es ihr immer gewesen, modisch auf dem Laufenden zu sein, berichtet die Schneidermeisterin. Oftmals waren es Zeitschriften aus der Bundesrepublik, die Anregungen für ein flottes Äußeres boten. Improvisationstalent stand im Vordergrund, Modelle galt es abzuändern und die Schnitte kreativ umzusetzen. Bei den Modenschauen der Innung gehörten Blusen, Röcke oder Kleider aus der Volzschen Werkstatt regelmäßig dazu. Kundinnen kamen aus Magdeburg, Bernburg, aber auch Wismar. Wartezeiten blieben nicht aus, die Nachfrage war wie in vielen Handwerksbetrieben der DDR kaum zu befriedigen. Zweimal gab es einen kleinen Fauxpas, als sich Damen in einem fast identischen Outfit begegneten. „Das war mir mächtig peinlich“, erinnert sich Hannelore Volz. Und sie spricht von besonderen Stücken wie einem Hochzeitskleid, für das 60 Meter Tüll verarbeitet wurden.

In Spitzenzeiten arbeiteten bei Hannelore Volz bis zu zehn Schneiderinnen. Mit der politischen Wende in der DDR nahmen die Aufträge rapide ab. Mit schwerem Herzen gab es das Aus für die stadtbekannte Werkstatt. Inzwischen gehören Damen- und Herrenmaßschneider schon fast zu den seltenen Berufen. Sohn Peter Volz trat zumindest teilweise in die Fußstapfen seiner Mutter. Anfang der 1990er Jahre eröffnete er auch im breiten Weg sein eigenes Modehaus. Ehrensache für sie, dort Anfangs mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, auch wenn er selbst auch den Meisterbrief in der Tasche hat und den Beruf von der Pike auf erlernte.