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Modellfliegerei Vom Aussterben bedroht

Seit 1958 lässt Friedrich-Wilhelm Riel aus Calbe Modellflieger in die Lüfte steigen. Er sorgt sich nun um die Zukunft des Vereins.

Von Susann Salzmann 22.03.2018, 23:01

Calbe l Für die Forschungswelt wäre es wohl die Sensation schlechthin. Rochen können nämlich doch fliegen - nicht nur durch das ozeanische Nass, sondern auch in der Luft. Bis zu 100 Meter kann der Meeresbewohner in die Lüfte steigen und mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 bis 20 Kilometern pro Stunde seine Bahnen ziehen. Mit etwas Glück – und gutes Wetter vorausgesetzt – kann der emporsteigende Rochen am Wartenberg beobachtet werden. Immer dann, wenn Friedrich-Wilhelm Riel seinen Modellflieger auspackt und startet. Der besitzt nämlich das Aussehen eines Rochens. „Damit ist er sehr langsam“, vergleicht der Modellfliegerbauer mit anderen Modellen, die mit einer Geschwindigkeit von bis zu 174 Kilometer pro Stunde durch die Luft sausen. Nur einmal, da „hat er die Ohren angelegt und war zu schnell“, verweist der Calbenser auf ein Justierungsproblem.

Die Faszination Modellflugbau besteht für den 70-jährigen Senior darin, abseits des Standards zu basteln. Nicht nach angebotenen Bausätzen, sondern noch beinahe jedes Teil nach dem zuvor herausgesuchten Originalbauplan eigenhändig zu formen. Insgesamt 32 Modellflieger hängen im Hause Riel von den Decken wie amerikanische Nachbauten von Tornado-Fliegern oder Agrarflugzeugen. Segler und Ultraleichtflugmodelle zieren Zimmerecken oder befinden sich noch in der Werkstatt im eigenen Häuschen. Mehrere Stunden verbringt er vor allem in den Wintermonaten in seinem Arbeitsareal. Allerdings: „Immer zur Raubtierfütterung finde ich mich in der Küche ein“, kommentiert er mit einem breiten Schmunzeln. Dass ihm die Gattin seine Essensportion an den Bastlerplatz im Obergeschoss des Eigenheimes liefert, sei im Hause Riel strengstens untersagt. Seit 20 Jahren schon. Zum damaligen Zeitpunkt hat sich Riel mit 25 anderen Modellflugfreunden zur Vereinsgründung entschieden. Heutzutage ist die Mitgliederzahl auf zehn geschrumpft. Er ist mit 70 Jahren der älteste. Durch die schrumpfende Mitgliederstärke sei der Verein in gewisser Weise vom Aussterben bedroht. Hätte der Verein so viel Mitglieder wie Riel Modellflieger vorweisen kann, stünden die Fliegerfreunde auf zukunftssicherem Boden.

Mögliche Klischees, dass das Hobby zu teuer für Jugendliche (an denen es im Verein komplett fehlt) sei, will er gar nicht erst aufkommen lassen. Stattdessen hält er dagegen. Die Kosten seien mit rund 100 Euro für einen Modellflieger und weitere rund 30 Euro für eine Fernsteuerung überschaubar. Wer diese Kosten nicht aufwenden möchte, kann ohne Umstände auf ein „Trainingsflugzeug“ zurückgreifen. „Das habe ich extra selbst gebaut, damit Modellfluganfänger damit üben können“, erzählt Riel. Unter Aufsicht und mit Anleitung der kundigen Vereinsmitglieder könnten die Interessenten die Flieger dann auf dem 80 mal 30 Meter großen Gelände am Wartenberg fliegen lassen.

Aber nur bei geringen Windgeschwindigkeiten bis ungefähr 18 Kilometer pro Stunde. Alles darüber würde den Fliegern mehr schaden. Modellfliegerbastler Riel brächte dies auch nicht über‘s Herz. Weder beim amerikanischen Tornado, den er selbst gebaut hat, noch bei seinen kreativen Modellfliegerergüssen. Denn bei dem Vereinsvorsitzenden fliegt nicht nur der Rochen. Selbst eine – ganz traditionell – auf einem Besenstiel sitzende Hexe und Superheld „Sky-Man“ (zu Deutsch: Himmelsmann) sind im Grunde Modellflugzeuge mit einem Elektromotor, die mit 20 bis 40 Kilometern pro Stunde die Lüfte erobern.

Was sich nach wenig anhört, kann trotzdem gefährlich sein. Denn mit zunehmender Geschwindigkeit können sich die Modelle in gefährliche Geschosse verwandeln. „Deshalb ist auch richtig, dass Modellflugplätze sich anderthalb Kilometer weit weg von Wohngebieten befinden sollen“, so Friedrich-Wilhelm Riel. Für andere, kürzlich verabschiedete Regelungen fehlt jedoch die Einsicht in die Nachhaltigkeit. Zum Beispiel für das Anbringen des Namens am Modellflugzeug. „Wozu, wenn ich es ohnehin nur auf einem vorgesehenen Flugplatz fliegen lasse? Dann sehe ich doch, wo es herunterkommt?“, kommentiert er. Nicht nur für wenig sinnvoll, sondern auch für Abzocke hält er zusätzlich die Prüfungen, die Modellflieger gegenwärtig ablegen müssen. Sozusagen ein „Modellflugführerschein“. Kosten: 25 Euro. Gültigkeit: Fünf Jahre. Eine Regelung, der sich auch erfahrene Modellflugsportler nicht entziehen können. So muss auch Riel selbst diese Prüfung ablegen. Dabei kann er mit Fug und Recht in die Kategorie „erfahren“ eingeordnet werden. Schließlich geht er seinem Hobby seit 1958 nach. Damals ist er durch Schnupperstunden bei der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) aufmerksam gemacht worden. „Weil mir aber die ein bis zwei Stunden in der Woche zu wenig waren, habe ich zu Hause mit dem Basteln der Flieger weitergemacht“, erinnert sich der gelernte Maurer. Durch diese Bastelei habe er sich handwerkliche Fähigkeiten wie das Bohren, Laubsägen oder das Holzbiegen angeeignet. Handwerkliche Fertigkeiten, die er später im Leben immer wieder brauchte.

Zurück zum Platz: Insgesamt 70 Kilogramm Grassamen wurden auf dem Modellfliegerplatz - einer landwirtschaftlich stillgelegten Fläche - gesät. Aufgegangen ist seit dieser Zeit vieles: Neben der Grasfläche vor allem Riels Vorzeigeexemplare. Zu denen gehört ein tschechischer Düngerstreuer mit der Bezeichnung Slim Z 37. Was im Original eine Flügelspannweite von rund zwölf Metern besitzt und 970 Kilogramm wiegt, hat Riel im Modellmaßstab mit einer Spannweite von 1,90 Meter und einem Gewicht von 4800 Gramm nachgebaut. Tabu sind auf dem Calbenser Platz jedoch Modelle, die mehr als fünf Kilo wiegen. Dafür müsste der Platz unter anderem von der Luftaufsichtsbehörde extra genehmigt werden. Früher gelangten die Flieger mangels entsprechender Technik von Böschungen aus in die Luft oder wurden mithilfe von Gummimotoren gen Himmel befördert. Gebaut wurde damals mit Kiefernholz. Heute verwende man Bügelfolie und das leichteste Holz der Welt, Balsa.