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Müllproblem Wegen "Falschtrennern" im Einsatz

Gelbe-Tonnen-Problematik: Wie fühlt es sich an, für andere im Schönebecker Müll zu wühlen? Ein Selbstversuch.

Von Emily Engels 02.08.2018, 21:16

Schönebeck l „Hier, das werden Sie brauchen.“ René Meyer reicht mir eine Packung Schutzhandschuhe, eine Müllzange und ein Fläschchen Desinfektionsmittel. Zusammen mit dem Bereichsleiter der „Fafu“, das ist der Hauswartservice, der unter anderem für die Gebäude der Städtische Wohnungsbaugenossenschaft (SWB) im Einsatz ist, mache ich mich heute auf „Mülltour“. Heißt: Wir fahren zu den Neubausiedlungen in der Garbsener und Moskauer Straße sowie der Straße der Jugend und kontrollieren den Inhalt der Mülltonnen auf Falschbefüllung.

„Das Frustrierende ist die Machtlosigkeit“, sagt René Meyer. Er beschreibt: „Selbst, wenn wir eine Tonne fertig sortiert haben und sie vom Entsorger Tönsmeier abtransportiert wurde, fängt das Spiel wieder von vorne an.“ Er hat das Gefühl, dass Bewohner teilweise einfach die Gelben Tonnen benutzen, sobald der Restmüll voll ist.

Wir erreichen den ersten Containerplatz. „Es gibt nichts, was man in den Tonnen nicht findet“, warnt mich René Meyer, bevor wir die erste Gelbe Tonne öffnen. Noch bevor ich etwas sehen kann, fällt mir etwas anderes auf. Sagen wir es mal so: Dass es in den vergangenen Tagen sehr heiß war, ist zu riechen. Da hilft es nicht, dass neben dem Verpackungsmüll, der in die Gelbe Tonne gehört, ein durchsichtiger Plastikbeutel mit Lebensmittelresten sowie Elektrogeräte und Kabel im Müll liegen.

Dadurch, dass René Meyer und seine Kollegen den Müll für einige Bewohner trennen, verhindern sie Schlimmeres. Denn ist eine Tonne falsch befüllt, kommt als Warnung vom Entsorger ein Sticker mit dem Hinweis, zu trennen. Nach zwei Stickern folgt der Entzug der Tonnen aus dem Wohngebiet. Passiert ist das beispielsweise bereits im März in der Garbsener Straße.

Das Problem an der Sache sei, so René Meyer, dass das Ganze ziemlich zeitaufwendig ist. „Geht man alle Plätze durch, ‚verplämpert‘ man einen Mitarbeiter für einen ganzen Tag“, sagt René Meyer. Dabei seien er und seine Kollegen natürlich längst nicht nur für die Müllsortierung zuständig. „Neben Reinigungsarbeiten sind wir beispielsweise auch für den Heckenschnitt, die Rasenpflege und Havarien zuständig“, so René Meyer. Einige Kollegen seien gerade etwa damit beschäftigt, vom Starkregen überflutete Fahrstuhl-Schächte und Keller leerzupumpen.

An unserer nächsten Station klebt bereits ein „Warnsticker“ von Tönsmeier auf einer der Gelben Tonnen. Für René Meyer der Hinweis dafür: „Hier war der Entsorger bereits vor Ort und hat die Tonne stehenlassen, weil sie falsch befüllt ist.“ Ein Blick hinein bestätigt das. Ich sehe blonde Locken in der Tonne. Mit der Zange greife ich herein – und eine Perücke kommt zum Vorschein.

„In den großen Wohngebieten fühlen viele sich wahrscheinlich nicht verantwortlich, weil sie in der Anonymität untergehen“, glaubt René Meyer. Diese Vermutung teilt auch SWB-Chefin Sigrid Meyer. Sie sagt: „Hierzu fällt mir nichts mehr ein – ich bin ratlos.“ Kommende Woche gibt es nach einer Begehung vergangener Woche ein Treffen mit der Wohnungsbaugenossenschaft (WBG), der Gemeinnützigen Schönebecker Wohnungsbaugenossenschaft (GWG), dem Kreiswirtschaftsbetrieb und dem Entsorger Tönsmeier. Das Ziel: Eine langfristige Lösung finden. Die könnte durchaus sein, so Sigrid Meyer, dass die Gelben Tonnen in den betroffenen Gebieten dauerhaft weggenommen werden. Dann müssten mehr Restmüll-Tonnen her – und das würde sich in den Müllgebühren für die Anwohner widerspiegeln. Besonders schade findet sie es, dass es dann auch die Menschen trifft, die den Müll richtig trennen. Und eben Menschen wie René Meyer und sein Team.

Wir sind bei unserer letzten Station angekommen. Zumindest, was die Tonnen betrifft. Denn später muss René Meyer noch einmal die komplette Runde fahren, um den Sperrmüll abzuholen. Dieser wurde nicht etwa angemeldet, sondern illegal entsorgt – entweder in den Gelben Tonnen, oder daneben. Es schüttet mittlerweile wie aus Eimern, René Meyer und ich sind nass bis auf die Knochen.

Ich versuche, einen Babystuhl aus der Gelben Tonne zu kriegen. Doch als ich ihn an einer Stelle anhebe, finde ich einen Haufen Maden, die von vergammelten Lebensmitteln speisen. Ich springe zur Seite und sage zu René Meyer: „Es tut mir Leid, aber ich kann das einfach nicht mehr.“ Er nickt verständnisvoll und sagt: „Kein Problem, für den Job ist nicht jeder geeignet.“

Als er mir dann erzählt, dass das heute eine harmlosere Tour war – der Müll sei teilweise gestern bereits abtransporiert worden – schäme ich mich ein bisschen. Und habe umso mehr Hochachtung vor ihm und seinen Kollegen.

Im Auto frage ich ihn, was das Kurioseste ist, das er jemals in einer Gelben Tonne gefunden hat. Er muss keine Sekunde nachdenken: „Ein Aquarium – mit Fischen drin.“