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Nachwuchs Gnadau geht das Feuerwehrpersonal aus

Immer weniger Einwohner der Barbyer Ortschaft sind zum ehrenamtlichen Dienst in der Wehr bereit.

Von Thomas Höfs 31.03.2016, 18:31

Gnadau l In den ersten Minuten eines Einsatzes sind die Feuerwehrfrauen und -männer in Gnadau in der Regel auf sich allein gestellt. Zwar rücken bei einem Einsatz die Wehren aus Barby und Pömmelte mit an. Doch das kann dauern, wissen die Gnadauer aus Erfahrung. Oft stand die Unterstützung schon an den Bahnschranken kurz vor dem Ort. Dann sind die Gnadauer weiter auf sich allein gestellt und müssen sich selbst helfen.

In der Risikoanalyse, dem Grundsatzpapier für die Aufstellung und Ausrüstung der Barbyer Feuerwehren, wird die Mannschaftsstärke noch mit 18 Kameraden für Gnadau angegeben.

Die kleine Feuerwehr ist allerdings nun bereits an einem Punkt, sagt Bürgermeister Jens Strube (parteilos), wo die eigene Hilfe immer fraglicher wird. Denn es fehlt den Gnadauern das Personal. Frauen und Männer aus dem Ort, die tagsüber zu Hause auch mal abkömmlich sind, fehlen einfach, schildert Ortswehrleiter Stefan Rößler. Immer mehr Einwohner zwischen 20 und 50 Jahren sind tagsüber in Gnadau nicht mehr, weil sie außerhalb arbeiten, sagt er. Wegen der Arbeit habe die Feuerwehr zuletzt einige aktive Mitglieder verloren, zieht er Bilanz.

In der Risikoanalyse, dem Grundsatzpapier für die Aufstellung und Ausrüstung der Barbyer Feuerwehren, wird die Mannschaftsstärke noch mit 18 Kameraden für Gnadau angegeben. Dabei beträgt die Einsatzstärke nur noch den halben Wert. Vorausgesetzt, es sind auch alle erreichbar und kommen bei einer Alarmierung, gibt der Ortswehrleiter zu bedenken.

Unter der Woche befinden sich tagsüber nach seiner Schätzung vielleicht noch zwei bis drei Feuerwehrleute im Ort. Das wäre auch für einen Ort, der nur aus Wohnhäusern besteht, kaum ausreichend, um im Einsatzfall handlungsfähig zu sein.

Doch Gnadau ist anders strukturiert, sagt die zuständige Haupt- und Ordnungsamtsleiterin Karin Knopf. Im Ort gibt es eine Grundschule, einen Kindergarten, ein Seniorenheim mit 70 Bewohnern sowie produzierendes Gewerbe, zählt sie auf. Wenn es dort einmal brennen sollte, dürften die wenigen verfügbaren Feuerwehrleute kaum ausreichen, um einen Brand schnell zu löschen, schätzt sie ein.

„Verpasst die Feuerwehr aus irgendwelchen Gründen wichtige Entscheidungen in den ersten Minuten am Einsatzort, läuft sie den weiteren Entwicklungen nur noch hinterher.“

Michele Ferchland-Amtage, die Vize-Ortswehrleiterin von Gnadau kennt solche brenzligen Situationen aus der jüngeren Vergangenheit. Als neulich ein Stall gebrannt habe, habe die Unterstützung fast zehn Minuten an der Schranke gestanden. In der Zeit habe sich die Gnadauer Feuerwehr selbst helfen müssen.

Zeit, ergänzt Stefan Rößler, ist zudem der entscheidende Faktor bei jedem Einsatz. „Verpasst die Feuerwehr aus irgendwelchen Gründen wichtige Entscheidungen in den ersten Minuten am Einsatzort, läuft sie den weiteren Entwicklungen nur noch hinterher“, sagt er.

Mit dem vorhandenen Personal sei es beispielsweise undenkbar, eine Einrichtung wie das Seniorenheim selbständig zu evakuieren, malt er ein Szenario aus. Das in Gnadau verfügbare Personal würde nicht einmal ansatzweise ausreichen, um handlungsfähig zu bleiben.

Zwar rolle jedes Mal die Unterstützung aus Barby und Pömmelte an. Doch stehen die Wehren immer wieder an den verschlossenen Bahnschranken, schildert er. Warum die Stadt nicht mit der benachbarten Stadt Schönebeck sprechen könne, damit beispielsweise aus Felgeleben ebenso Unterstützung kommen könne, fragt er in Richtung Bürgermeister.

Jens Strube will den Hinweis gern aufnehmen, wie er sagt. Vielleicht lasse sich mit der Nachbarstadt eine Vereinbarung treffen, dass auch von dort regelmäßig Hilfe nach Gnadau kommt, denkt er laut nach. Versuchen wolle er es auf jeden Fall, verspricht er.

Von den zehn Ortsfeuerwehren in der Stadt Barby sind drei tagsüber einsatzbereit, sagt Karin Knopf. Sie kennt das Problem der personellen Unterbesetzung seit Jahren. Dabei kümmern sich die Feuerwehren seit vielen Jahren verstärkt selbst um Nachwuchs. Bereits im Kindergartenalter holen die meisten Feuerwehren die Kinder in den Orten ab und versuchen, sie für eine Mitarbeit in der Feuerwehr zu begeistern. Spielerisch wird ihnen gezeigt, was Feuerwehr bedeutet.

„Wir sind von Haus zu Haus gezogen und haben mit den Menschen gesprochen und für eine Mitarbeit geworben.“

Dazu kommen Erfahrungen, wie Zusammenhalt und Kameradschaft, auf die die Feuerwehren besonders achten. Viele Kinder und Jugendliche haben sich in den vergangenen Jahrzehnten für die Feuerwehrarbeit begeistern lassen. Trotz guter Mitgliedzahlen macht sich die Investition in die Jugendarbeit bei den Einsatzkräften nicht oder nur kaum bemerkbar, weiß die Amtsleiterin. Die jungen Leute verlieren mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter nicht das Interesse, erzählt der Ortswehrleiter. Die Jugendlichen finden einfach in der Region nicht den Ausbildungsplatz, den sie sich vorgestellt haben und wandern ab. Die meisten kommen nach der Ausbildung nicht wieder, werden in der Ferne heimisch und gründen dort eine Familie. Viele treten dann dort der örtlichen Feuerwehr bei, weiß er. Das ist für die Feuerwehren hierzulande besonders frustrierend, ärgert er sich über jeden Abgang.

Zum Vorwurf könne er dies den jungen Leuten nicht machen. Es sei vielmehr die Politik, die die Rahmenbedingungen so setzen müsse, dass die jungen Leute hier eine Perspektive sehen und bleiben, schätzt er ein.

Auf Aufrufe verlässt sich die Gnadauer Feuerwehr inzwischen nicht mehr, wenn es um die Mitgliedergewinnung geht. „Wir sind von Haus zu Haus gezogen und haben mit den Menschen gesprochen und für eine Mitarbeit geworben“, erzählt er. Drei bis vier Leute hätten sich für das Thema interessiert, sei die ganze Ausbeute gewesen.

In einem Ort mit rund 500 Einwohnern sei dies eindeutig zu wenig, schätzt er ein. Ausgerüstet ist die Feuerwehr mit einem älteren Tragkraftspritzenfahrzeug mit einem kleinen Wassertank. Um das Risiko im Ort besser abdecken zu können, soll es in Zukunft durch ein deutlich größeres Löschgruppenfahrzeug ersetzt werden. Doch was nutze die beste Technik, wenn kein Personal mehr vorhanden sei, sie zu bedienen, fragt sich der junge Ortswehrleiter.

Alle zwei Wochen treffen sich die Feuerwehrfrauen und -männer im Gerätehaus freitags ab 19 Uhr zum Dienst. Um 16.30 Uhr treffen sich immer am gleichen Tag die Jugendfeuerwehrmitglieder, ergänzt die Stellvertreterin. Auch hier, sagte sie, würde sich die Feuerwehr über mehr Mädchen und Jungen freuen. Mitmachen kann jedes Mädchen und jeder Junge ab dem zehnten Lebensjahr. Die Mitgliedschaft in der Jugendfeuerwehr ist dabei natürlich für die Kinder völlig kostenfrei, wirbt auch der Bürgermeister.