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Nachwuchsmangel Welsleber Tischlerei findet Lehrling

Jahrelang hatte die Tischlerei Froese in Welsleben Probleme, einen Tischlerlehrling zu finden.

Von Melanie Dahrendorf 17.08.2018, 03:00

Welsleben l Dass der Lehrling Marcel Metzner am 15. August 2018 morgens pünktlich um 6 Uhr auf dem Hof steht, grenzt für seinen Chef Frank Froese aufgrund von schlechten Vorerfahrungen mit anderen Bewerbern schon fast an ein Wunder. Seit Jahren hat er geeigneten Nachwuchs für seine Tischlerei gesucht – vergebens. Umso glücklicher ist Froese jetzt über seinen neuen Lehrling.

Wer bei Frank Froese durch das Hoftor geht, wird freundlich empfangen. Mit Stolz zeigt er seine große Werkstatt, die schweren Maschinen. Im kommenden Jahr hat er ein Jubiläum zu feiern, denn 2019 ist er bereits seit 30 Jahren Tischlermeister. Er hat das Geschäft seines Vaters übernommen, die Firma ist seit gut 40 Jahren ein Familienbetrieb. „Alles, was wir irgendwo einbauen, stellen wir auch selbst her“, erzählt Frank Froese. Doch eines macht dem Tischlermeister sorgen: der Nachwuchs im Handwerk.

„Niemand will solche Arbeiten noch machen“, erzählt er. „Meistens werden die Schüler nach der vierten Klasse sofort auf das Gymnasium geschickt, damit sie später studieren können.“ Deshalb wahrscheinlich, so schlussfolgert Froese, sei es so schwierig geworden, Auszubildende zu finden. Das sei jedoch nicht der einzige Grund. „Das Niveau in den Schulen wird immer niedriger“, so Froese.

Fragt man ihn nach den Eigenschaften, die ein Bewerber für seinen Betrieb mitbringen soll, antwortet er: „Lesen, Schreiben und das Einmaleins beherrschen.“ Was im ersten Moment fast schon banal klingt, sei „für die Schulabgänger leider nicht mehr selbstverständlich“. Vor allem die zunehmende Anzahl der Gymnasiasten sehen Frank Froese und auch seine Ehefrau Susanne als Problem an. Da viele Schulabgänger studieren wollen, bleibt die Anzahl der Lehrling niedrig.

Natürlich würden sich auch Menschen mit einem Realschulabschluss bewerben, aber je weiter die Zeit voranschreitet, umso schlechter würden die Leistungen der Schüler werden, ist sich das Ehepaar einig.

Neulich, erinnert sich Froese, hatten sie einen Probearbeiter zu sich auf den Hof eingeladen. Dieser sollte im Idealfall mindestens einen Tag lang bleiben. Der 16-jährige Schulabgänger ging nach 1,5 Stunden – und kam nicht mehr wieder. „Als Begründung hat er genannt, dass er das lange Stehen zu anstrengend findet“, so Froese kopfschüttelnd. „Die meisten denken sofort, dass sie krank sind, wenn sie von der Arbeit mal eine Schweißperle auf der Stirn haben.“ Die Spreu habe sich vom Weizen in den letzten Jahren deutlich getrennt, was die Bewerber angeht.

Seit 1988 kann Frank Froese in seinem Betrieb Lehrlinge ausbilden, jedoch bleiben seit drei bis vier Jahren die Bewerbungen aus. „Früher wurde in Schulen noch Werken, Sticken oder Gartenarbeit als Unterrichtsfächer angeboten. Das gibt es inzwischen nicht mehr.“ Dass es bei den wenigen Bewerbern meist schon an diesen Grundvoraussetzungen scheitert, betont er oft. „Ein anderer Kandidat sollte hier eine Woche lang arbeiten. Er kam an jedem einzelnen Tag 20 Minuten zu spät“, sagt er. „Sie müssen die Arbeit auch wirklich machen wollen – sonst wird das nichts.“ Ein weiterer wichtiger Punkt sei auch, dass die Chemie unter seinen Mitarbeitern stimme.

Dann kam Marcel Metzner ins Spiel. „Ich kann lesen und schreiben – und zur Arbeit kam ich sogar nüchtern“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Mit seiner zuverlässigen Art konnte er punkten – und wurde als einziger von vier Bewerbern eingestellt. Zwei abgebrochene Studiengänge liegen hinter dem 26-Jährigen. „Ich konnte mit der ganzen Theorie einfach nichts mehr anfangen“, so Metzner. „Ich wollte dem Beruf unbedingt nachgehen, weil man am Ende des Tages sieht, was man geschaffen hat.“

Der Magdeburger hatte zuvor bereits seine Leidenschaft für Longboards (Vorgänger des Skateboards) genutzt, um ebendiese selbst anzufertigen. Da sei er auf den Geschmack gekommen.

Einen Ausbildungsplatz im handwerklichen Bereich zu finden, war für Marcel Metzner jedoch schwieriger als anfangs angenommen. Er habe bei vielen Tischlereien angerufen und nachgefragt – einstellen wollte ihn niemand. „Für viele Firmen lohnt sich das bei den Kosten auch nicht mehr“, ergänzt Froese. Wie viel Geld ihn ein Lehrling koste, will meist niemand wissen. In einem zweiwöchigen Rhythmus wechseln sie zwischen Betrieb und Berufsschule. „Das kostet mich genau so viel, als würde ich einen Facharbeiter einstellen.“

Marcel Metzner freut sich jetzt in erster Linie darauf, „die kleinen Kniffe“ des Tischlerberufs zu lernen. Zwar könne er handwerklich schon „ein bisschen was“, in der Ausbildung möchte er noch Struktur in seine Arbeitsschritte bringen und die Abläufe verinnerlichen. Frank Froese ergänzt dazu noch, dass es nicht schlimm sei, wenn sein Lehrling noch keine Zeichnungen „lesen“ könne – dazu sei schließlich die Ausbildung da. Wenn Marcel Metzner möchte, könne er nach der Ausbildung auch noch seinen Meistertitel im Betrieb erlangen.

Drei Auszubildende könne er theoretisch jährlich im August einstellen. Zumindest eine Stelle konnte er 2018 besetzen. Zu seinem ersten Tag gab es übrigens anstelle von einem Blumenstrauß – den es sonst häufig zum Ausbildungsbeginn als Begrüßung gibt – einen Gehörschutz. „Den wird er deutlich häufiger brauchen“, sagt der Chef schmunzelnd.