1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Der Wolf kommt von selbst

Natur Der Wolf kommt von selbst

Auf einen Artikel über den Wolf reagiert nun Dietmar Spitzenberg aus Staßfurt. Er ist Mitglied der Fachgruppe Faunistik und Ökologie.

Von Ulrich Meinhard 04.06.2017, 04:41

Schönebeck/Staßfurt l „Wie keine andere Tierart erhitzt der Wolf seit Jahren die Gemüter und führt zu stark gegensätzlichen Meinungen.“ So schätzt Dietmar Spangenberg von der Fachgruppe Faunistik und Ökologie Staßfurt die aktuell anhaltende Debatte um die Rückkehr des Wolfes ein. In einer Email an die Volksstimme nimmt er Bezug auf Aussagen von Kreisjägermeister Jens Hennicke. Dietmar Spangenberg schreibt weiter:

„Bei dieser Polarisierung ist es um so wichtiger, sich in der Diskussion an belegbare Fakten und Zahlen zu halten. In einer Kooperationsvereinbarung aus dem Jahr 2014 zwischen dem Landesjagdverband Sachsen-Anhalt und dem damaligen Landwirtschafts- und Umweltministerium erklärt sich die Landesjägerschaft bereit, mit dem Land gemeinsam im Wolfsmonitoring und in der Öffentlichkeitsarbeit zu wirken. Insofern ist das Interview mit dem Kreisjägermeister des Salzlandkreises ein Beitrag dazu. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass ich über viele Jahre mit dem Wolfsmanagement in Sachsen-Anhalt vertraut war, erscheint es mir aber notwendig, einige in dem Interview formulierte Ausführungen zu kommentieren:

Dies betrifft unter anderem die Aussage eines jährlichen Zuwachses der Wolfspopulation um 40 bis 50 Prozent und die Vermutung, dass diese in den kommenden Jahren weiter rasant nach oben steigt.

Wolfsrudel (oder -familien) beanspruchen ein festgelegtes Territorium, in dem sich keine anderen Rudel etablieren. Dieses territoriale Verhalten beeinflusst (neben dem Nahrungsangebot und der Lebensraumeignung) maßgeblich die Zahl vorkommender Wolfsrudel, also die Populationsgröße. Der Nachwuchs verlässt nach dem zweiten Jahr überwiegend diesen Familienverband, um sich neue, geeignete Territorien zu erschließen. Besetzte Reviere führen zum weiteren Abwandern. Eine im Beitrag vom Dienstag prognostizierte Zunahme ist in dieser Höhe schlichtweg nicht realistisch, wie auch die Zahlen des Landesumweltamtes in Halle zum Wolfsmonitoring belegen und führt zu völlig falschen Vorstellungen in der Bevölkerung.“

Es sei zweifellos richtig, so Dietmar Spitzenberg, dass durch den Wolf eine Beeinträchtigung der seit Jahrzehnten ohne wesentliche Schutzmaßnahmen praktizierten Viehhaltung möglich ist und auch erfolgt. Ein verändertes Verhalten und erhöhte Aufwendungen zum Schutz von Nutztieren seien daher zwingend.

Der Fachmann führt weiterhin aus: „Ein ‚Weiter so wie bisher‘ kann es nicht geben. Daran ändert auch eine geforderte Reduzierung der Wolfszahl (auf welches Maß?) nichts. Wenn ein einzelner Wolf es gelernt hat, Schutzvorrichtungen zu überwinden, haben allerdings auch die übrigen vorsorglich getöteten Wölfe keine Wirkung. Soweit ein unakzeptables Verhalten eines einzelnen Tieres vorliegt, können auch zum jetzigen Zeitpunkt entsprechende Maßnahmen auf der Basis des Naturschutzrechtes ergriffen werden, ohne dass erst eine Überführung in das Jagdrecht erfolgen muss.

Besonders kritikwürdig ist die Aussage ‚...Seit 2008 wird der Wolf in unserem Bundesland wieder angesiedelt. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, zirka 1000 Wölfe wieder anzusiedeln...‘

Hier wird eine falsche Darstellung verbreitet, die absolut nicht der Realität entspricht und eher die Diskrepanz der Meinungen bestärkt, anstatt sachlich zu informieren. Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland ist ein völlig natürlicher Prozess, der durch keine aktive menschliche Maßnahme (auch nicht durch so genannte ‚Kofferraumwölfe‘, wie verschiedentlich verbreitet) gestützt wird. Lediglich die Verfolgung einzelner zuwandernder Tiere, wie noch vor 1990 auf dem Gebiet Ostdeutschlands praktiziert, ist nicht mehr statthaft. Im Wesentlichen ist es die sehr hohe Wilddichte, die sich der Wolf als Nahrungsquelle erschließt und die ihn hier wieder heimisch werden ließ. Im Übrigen wird die Zahl 1000 in Fachkreisen als Populationsgröße angesehen, ab der ein guter Erhaltungszustand der Art angenommen wird, wobei diese Zahl sicher nicht als unabdingbar statisch anzusehen ist.

Auch die Aussage zum Wolfseinfluss auf das (hier natürlicherweise nicht heimische) Mufflon vermittelt nicht die ganze Realität.

Das Mufflon wurde beginnend zum Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland ausschließlich aus Gründen der Jagdbereicherung eingeführt und zum Teil auf nicht geeigneten Standorten aktiv angesiedelt (anders als der Wolf). Die ursprünglich auf felsigen Standorten lebende Art hat evolutiv kein Anpassungsverhalten an den Wolf entwickelt, da dieser im ursprünglichen Lebensraum des Mufflons nicht vorkam. Dieses fehlende beziehungsweise falsche Anpassungs- und Fluchtverhalten ist für das Mufflon letztlich nachteilig.

Sicher ließe sich über den Wolf noch trefflich diskutieren und streiten. Das ein Leben mit dem Wolf aber möglich ist, zeigen uns Länder, in dem er nie ausgerottet war. Es wird daher noch eine längere Zeit dauern, dieses ebenso zu praktizieren. Bis dahin werden sicherlich noch viele unterschiedliche Sichtweisen den Weg in die Öffentlichkeit finden.

Vielleicht ist auch einmal eine Reduzierung der Wolfsvorkommen erforderlich. Das sollte aber zu gegebener Zeit und nach Wertung vorliegender Fakten entschieden werden - aber auch diese Meinung wird eben unterschiedlich gesehen. Keinesfalls ist es jedoch der Wolf, der das Gleichgewicht der Natur bedroht oder der die Artenvielfalt reduziert, wie am Schluss des Beitrages unterstellt wird. Im Gegenteil.

Das ist wohl in einem ganz bedeutenden Umfang immer noch der Mensch mit seiner maßlosen Überheblichkeit gegenüber der Natur und mit seinem egoistischen Verhalten.“