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Kita-Gesetz Weniger Betreuung für arme Kinder?

Kinder aus ärmeren Familien sollen nur noch acht Stunden im Tag in die Kita gehen dürfen. Einige Träger in Schönebeck sehen das kritisch.

Von Jan Iven 10.10.2018, 01:01

Schönebeck l In den Schönebecker Kindereinrichtungen wächst die Kritik an geplanten Änderungen in der Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt. So sorgt eine Überarbeitung des Kinderförderungsgesetzes (Kifög) durch das Land bei Eltern und Erzieherinnen für Unzufriedenheit. Befürchtet wird vor allem eine Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Familien.

Unter anderem ist etwa vorgesehen, ab 2019 den Betreuungsanspruch für Kinder von zehn auf acht Stunden am Tag zu reduzieren, wenn die Eltern nicht arbeiten. Das würde vor allem Familien betreffen, die auf Arbeitslosengeld angewiesen sind. „Dadurch entsteht eine Zwei-Klassengesellschaft“, sagte Jennifer Tannenberg, Elternvertreterin in der Kindertagesstätte Knirpsenland. Kinder hätten ein Anrecht auf Betreuung. „Was können die Kinder dafür, wenn die Eltern nicht arbeiten?“

Auch die Leiterin der Kita Knirpsenland, Angela Spandau, sieht die Pläne kritisch: „Wenn wir Chancengleichheit wollen, müssen wir die Kinder gleich behandeln.“ Eltern sollten selbst entscheiden, wie viele Stunden sie ihre Kinder in die Kitas geben möchten. „Die Kinder brauchen Zeit, um ihre sozialen Kontakte zu knüpfen. Und in Ruhe spielen, können sie oft erst am Nachmittag.“

Die umstrittenen Pläne sorgen auch beim Träger der Kita Storchennest, dem Awo-Kreisverband Salzland, für Verärgerung. „Die vorgesehen Kürzung wäre eine Katastrophe“, sagte Awo-Geschäftsführerin Ines Grimm-Hübner. „Wir waren schließlich so stolz, dass wir den Ganztagesanspruch auf Betreuung mit durchgesetzt hatten.“ Gerade für Kinder aus sozial schwachen Familien sei es wichtig, dass sie für ihre Entwicklung viel frühkindliche Bildung erfahren.

Generell herrscht bei Eltern und Erziehern noch einiges an Unsicherheit. So sei bisher nicht geklärt, ob die Kürzung greift, wenn die Eltern arbeitsunfähig sind. In Zukunft sollen berufstätige Eltern einen Antrag stellen, wenn sie ihre Kinder mehr als acht Stunden am Tag in die Kita bringen wollen. Wie die Prüfung der Berufstätigkeit laufen soll, ist unklar.

In einigen Kitas werden die Pläne weniger kritisch gesehen. „Die meisten Kinder sind bei uns sowieso keine zehn Stunden“, sagte Andrea da Silva-Ferreira, Leiterin der Kita Marienheim. Irgendwie müsse die Betreuung schließlich finanziert werden. „Wichtiger wäre eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels.“

Derzeit kümmert sich in Sachsen-Anhalt in der Krippe eine Erzieherin um sechs Kinder, in der Kita um elf Kinder. Damit belegt das Land deutschlandweit den drittletzten Platz. In einigen Bundesländern versorgen Erzieherinnen teilweise nur halb so viele Kinder.

Eine Verbesserung des Betreuungschlüssels wird auch in vielen anderen Schönebecker Kitas angemahnt. Viele Erzieherinnen wollten sich aber nicht öffentlich zu der Gesetzesnovellierung äußern, da der Entwurf noch nicht vollständig vorliegt. Auch die Stadt Schönebeck als Betreiberin mehrerer Kitas wollte daher noch keine Stellung zu den Auswirkungen der neuen Regelungen beziehen.

Nach Informationen der Volksstimme wollen sich einige Erzieherinnen aus Schönebeck Ende Oktober an einem Aktionstag für eine bessere Kinderbetreuung beteiligen. Zur Debatte steht dabei unter anderem eine Demonstration in Magdeburg. Über die Details soll in den kommenden Tagen entschieden werden.