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Neujahrsempfang Großer Koalition eine Absage erteilt

Rund einhundert Gäste folgten der Einladung des SPD-Ortsvereins Elbe-Saale zum 26. Neujahrsempfang in Barby.

Von Thomas Linßner 08.01.2018, 21:11

Barby l Mahnende Worte gab es gleich zu Beginn von Gastgeberin Ilona Döring: Sozialdemokratische Politik müsse für die Menschen und nicht für Konzerne und Lobbyunternehmen da sein. „Wir halten nichts von der Fortsetzung einer großen Koalition“, stellte die Ortsvorsitzende klar, die sie als „Kanzlerwahlverein“ geißelte.

Nachdenklicher als sonst trat SPD-Landesvorsitzender Burkhard Lischka auf. Es sei Aufgabe der Politik, Tugenden und Werte wie Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn immer wieder zu stärken. „Egoismus ist nicht dass, was uns voran bringt.“

Als Beispiel erzählte Lischka eine Episode, die er zwischen den Feiertagen in einem Restaurant erlebt hatte. Weil es so voll war, habe alles etwas länger als sonst gedauert. Schließlich stellte ein frustrierter Gast einem vorbei eilenden Kellner ein Bein. Die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland würde derart unqualifizierte Ausbrüche verurteilen. „Doch ich befürchte, wenn diese übergroße Mehrheit nicht immer wieder im Alltag wie in der Politik deutlich macht, das wir nicht in einem Land leben wollen, wo man sich wechselseitig ein Bein stellt und jeder nur an sich denkt, dann kann man sehr schnell in einem Land aufwachen, wo Lenker der Geschicke sagen, mein Land zuerst.“ Wenn jeder nur an sich denke, sei nicht an alle gedacht. Mit dieser Metapher warnte Lischka vor populistischen Strömungen in der Welt und in Deutschland. Mit Blick auf die Fortführung einer großen Koalition sagte Lischka nur soviel: Er vertraue auf das Ergebnis der Mitgliederbefragung aller 450 000 Sozialdemokraten im Land.

Sozialministerin Petra Grimm-Benne merkte man an, dass sie das Thema Kinderförderung und -betreuung derzeit sehr bewegt. Die Beteiligung der Kommunen sei immer größer geworden. „Wir müssen gucken, dass uns der Bund bei einer qualitätsgerechten, frühkindlichen Bildung mehr unterstützt“, sagte Grimm-Benne. Eine deutliche Absage erteilte die Ministerin der CDU, die das Thema auf ihrer jüngsten Klausur in Wernigerode behandelt hatte. „Ich hatte den Eindruck, dass sie dort Angst hatten, kein Abendbrot zu bekommen, ehe sie nicht den Beschluss gefasst haben“, so Grimm-Benne bissig. Worum ging es? Sachsen-Anhalts CDU-Fraktion plant, dass das Land künftig pauschal sechs Stunden der Personalkosten für das pädagogische Personal übernimmt. Statt des bisherigen Anspruchs auf bis zu zehn Stunden Betreuung. Die Personalkosten machen laut CDU etwa 85 Prozent der Gesamtkosten für die Kinderbetreuung aus. Brauchen Eltern mehr als sechs Stunden Betreuung für ihre Kinder, müssten sie diese nach dem Willen der CDU individuell mit den Trägern der Kitas vereinbaren. Für jede weitere Betreuungsstunde sollen Kommunen und Eltern aufkommen.

Eine Zumutung sei das besonders für Eltern, so Grimm-Benne, die weite Wege zur Arbeit haben und deren Kinder bis 16, 17 Uhr in der Kita sind. Sie müssten täglich Stunden „zukaufen“, also die längere Betreuung mit finanzieren. Die Kommune könnte, aber müsste nicht cofinanzieren. Petra Grimm-Benne rechnete vor, dass dieses Modell die Eltern unter Umständen mit 50 Euro pro Tag belasten würde. „Diesem CDU-Vorschlag kann man nicht folgen“, stellte die Ministerin klar. In Sachsen-Anhalt sei es mit einem großen Kraftakt gelungen, die Elternbeiträge nahezu auf Kindergeldhöhe zu halten. Was eine Errungenschaft sei.

SPD-Kreisvorsitzender Roger Stöcker (Jahrgang 1984) kritisierte die deutschen „Leitmedien“, weil sie die 30 bis 40-Jährigen Ostdeutschen mehrheitlich als AfD-Wähler einstuften, ohne allerdings nach den Gründen zu fragen. „Unsere Generation kannte Unsicherheit, Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit nicht nur aus dem Fernsehen“, so der 33-Jährige. „Unsere Eltern konnten auch nicht über Generationen Kapital anhäufen, haben keine Firmen geerbt oder Doppelhaushälften.“ Die SPD habe rund eine halbe Million Menschen an die AfD verloren. „Mir kann keiner erzählen, dass die alle rechtsradikal geworden sind. Das ist Quatsch“, so Stöcker. Die SPD erreiche diese Menschen nicht mehr. „Zu dieser ostdeutschen Mittelschicht haben wir den Zugang verloren“, sprach der Kreisvorsitzende Klartext. Natürlich seien Debatten über Gender-Toiletten, Gender-Arbeitsverträge oder den Braunkohleausstieg wichtig. „Aber glaubt Ihr ernsthaft, dass sich diese Leute dafür interessieren?!“ Denen sei wichtig, dass sie in Sicherheit leben oder der Supermarkt auf dem Dorf nicht schließe. „Ich wünsche mir für 2018, dass wir weniger abstrakte Debatten führen und mehr Klartext in unserer Ansprache haben“, schloss Roger Stöcker seine Rede.