Oktoberfeste Die heimliche Sehnsucht

Lederhosen und Dirndl: Auch in der Region Schönebeck beginnt die Oktoberfest-Saison.

Von Olaf Koch 25.09.2018, 09:00

Schönebeck/Bördeland l Es dauerte nur knapp drei Minuten: Als im Jahr 2017 in der Eggersdorfer Freizeithalle die Band „Gaudirocker“ mit ihrem ersten Stimmungstitel den letzten Staub aus den riesigen Lautsprecherboxen pusteten, stand der halbe Saal bereits auf den Bänken und Tischen. Wie nach zwei Stunden Party wurde von Beginn an gefeiert. Warm werden? War nicht nötig. Bei Oktoberfesten steigt der Stimmungspegel sofort von null auf hundert.

Doch warum ist das so? Warum haben auch in der Magdeburger Börde die weiß-blauen Veranstaltungen so einen Zulauf? Warum werden beispielsweise beim Münchener Oktoberfest für einen Maßkrug in diesem Jahr erstmals 11 Euro auf den Tisch gelegt? Also mehr als 21 D-Mark?

Wer in den vergangenen Jahren selbst einmal bei einem hiesigen Oktoberfest war, wird eines gespürt haben: Wer in Lederhosen oder Dirndl kommt, der verkleidet sich nicht nur, sondern gehört in seiner „Tracht“ zur Familie. Die „Uniform“, die bei solchen Festen getragen wird, verbindet die Menschen. „Es ist die Gemeinschaft. Die Menschen, die zum Oktoberfest gehen, merken schnell, dass sie ‚dazu gehören‘ und wissen, was sie erwartet“, beschreibt Dr. Kathrin Pöge-Alder vom Landesheimatbund Sachsen-Anhalt, das Gefühl.

Die Dekoration im Saal oder im Festzelt, die Trachten und der Ablauf eines solchen Festes versprechen feste Klischees. „Es geht um Tradition und Folklore, es geht um eine gewisse Wohligkeit in einer Gruppe, die vermittelt werden soll“, so die Expertin weiter. Es sind ebenso die Gefühle von Heimat und Geborgenheit, die angesprochen werden.

Dr. Kathrin Pöge-Alder nennt aber noch einen anderen Grund, warum die Oktoberfeste in der Region so einen Zulauf haben: Sie haben sich zu einer Marke entwickelt, die für jeden Besucher für etwas anderes steht, aber trotzdem eine Basis hat: ein Verlässlichkeit: Wer zum Oktoberfest geht, erwartet Spaß, Gemeinsamkeit, Freude und – auch das darf nicht vernachlässigt werden – gutes Bier.

Dem stimmt der Bürgermeister der Gemeinde Bördeland, Bernd Nimmich, aus Erfahrung zu. Die Gemeinde Bördeland richtet in diesem Jahr zum inzwischen 16. Mal ein Oktoberfest aus. Bernd Nimmich sagt zum Erfolg: „Die Bewirtschaftung muss stimmen. Das ist ein Teil des Gelingens.“

Vorrangig Bier, aber auch andere alkoholische Getränke tragen dazu bei, dass bisweilen gewisse Hemmschwellen fallen. Bis zu einer gewissen Promille-grenze trägt der Alkohol zur Stimmung bei und ist Teil der Folklore. Ob München oder Bördeland, ob Magdeburg oder Calbe: Ein Fassbier-Anstich mit folgendem Freibier ist obligatorisch.

Ein weiter Fakt ist die Musik, wie Bernd Nimmich der Volksstimme berichtet. Ein DJ mit Musik „aus der Konserve“ ist längst kein Garant mehr für eine ausgelassene Party. „Wir setzten von Beginn an auf echte Partybands“, so Bördelands Bürgermeister. Sie bringen ein Stück Musik des Freistaates in die Börde. Das Marketing hat sich so zur Perfektion entwickelt, der Umsatz ebenso.

Einer, der es wissen muss, was Oktoberfest heißt, ist Johann Hauser. Der in Bayern geborene Landwirt lebt seit Jahren in Atzendorf. Er freut sich, dass ein Stückchen seiner Heimat nun auch unter anderem in Bördeland ein zuhause gefunden hat. „Ich war schon mehrmals dabei, und wir haben es immer ordentlich krachen lassen“, so Hauser. „Krachen lassen“: Auch das ist wohl ein Grund, warum das Oktoberfest inzwischen landauf, landab zum festen Programmpunkt eines Terminkalenders zählt.

Dieser Blickwinkel stützt aus Sicht von Landesheimatbund-Expertin Dr. Kathrin Pöge-Alder eine weitere These für den Durchbruch des Oktoberfestes: Er könnte eine Säule zwischen dem Ende und dem baldigen Anfang der Karnevalszeit sein. „Vielleicht hatte das Fest in den katholisch geprägten Regionen in der karnevalsfreien Zeit eine Art Ventilfunktion des Ausbrechens“, meint Pöge-Alder.

In drei Tagen beginnt im Altkreis Schönebeck wieder die Oktoberfest-Saison. Dann wird ein Stück des schönen Bayerns erneut in der Region verortet und heile Welt gespielt: ein Prosit der Gemütlichkeit. Für einige Stunden sind alle Sorgen, Nöte und Probleme vergessen – bis zum nächsten Morgen.

In der Serie „Zukunft Schönebeck“ geht es morgen um das Salzland-Museum: Was sind die fünf skurrilsten Objekte, die Besucher dort finden können, aber niemand erwartet? Alle bereits erschienenen Beiträge der Serie „Zukunft Schönebeck“ finden Sie im Internet unter www.volksstimme.de/zukunft-schoenebeck.