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Patient Albrecht Stehaufmännchen wirft mit dem Speer

Nach einigen gesundheitlichen Attacken ist der Sportler Klaus-Dieter Albrecht aus Calbe nicht kleinzukriegen.

Von Thomas Linßner 11.04.2018, 19:29

Barby l Es ist schon ein merkwürdiges Bild: Ein mittelgroßer Mann schreitet gelassen aber zielstrebig durch das Foyer der Barbyer Elbe-Saale-Klinik. Er trägt sommerliche Sportkleidung und einen ... Speer in der Hand.

Ein paar Mit-Reha-Patienten flachsen, ob er auf die Jagd gehen will.

Doch Klaus-Dieter Albrecht, der Calbenser, über dessen eisenharten Sportwillen in der Volksstimme schon mehrfach berichtet wurde, will trainieren. Mit dem Wurfspeer, wie ihn schon die alten Griechen bei Olympia schleuderten.

„Mein Rekord liegt bei 61,92 Meter“, erzählt Klaus-Dieter Albrecht. Doch der liege schon einige Jahrzehnte zurück. „Jetzt schaffe ich gerade mal 25, 30 Meter.“

Warum? Weil der Calbenser erstens 78 Jahre alt ist und sich zweitens zu einer dreiwöchigen Anschlussheilbehandlung in der Reha-Klinik aufhält. Denn trotz aller vorbildlicher Lebensweise und viel Sport mussten ihm mehrere Stents gesetzt werden. „Das Herz, die Arterien ..., Sie wissen schon“, winkt Albrecht ab.

Doch vom Sport kann er nicht lassen. Täglich sieht man ihn auf dem Elbwerder, wo er sein ganz persönliches 45-minütiges Sportprogramm absolviert: Kraftsport, Ausdauerlauf, Speerwerfen. Wenn 30 Jahre jüngere Mitpatienten auf der Bank sitzen und den Lauf der Welt beklagen, sieht man Albrecht zumeist von hinten. Obwohl er nicht nur Durchblutungsprobleme hatte, sondern auch schon auf neuen Hüftgelenken steht.

Vor 16 Jahren berichtete die Volksstimme, dass Klaus-Dieter Albrecht - der ein Freund von Statistiken ist - in seinem Sportleben rund 123.000 Kilometer gelaufen war. Trotz eines Achillessehnenrisses Anfang Februar 2002 und der darauf folgenden Operation trainierte er wenig später schon wieder munter. So ist es bis heute geblieben. Alle gesundheitlichen Attacken steckte er immer wieder weg.

Um noch einmal auf seinen Statistik-Tick zurück zu kommen: Wenn man wissen möchte, welches Wetter am 28. Mai 1962 herrschte – es ist im Hause Albrecht registriert. Dieser Eintragung folgen persönliche Sportleistungsdaten und sogar, was es zum Mittagessen gab. Und nicht nur das. Auch eine Alkoholstatistik findet man. Im Jahre 1962 trank der Sportler 115 Bier, 40 Schnäpse und 39 Gläser Wein. 1977 waren es 92 Bier, 127 Schnäpse und 31 Gläser Wein … Interessant die Fahrkartensammlung des bekennenden Bahnfahrers. Darunter sind Bahnsteigkarten (die man einst benötigte, um überhaupt einen Bahnsteig betreten zu dürfen) und sogar eine Toilettenkarte des Prager Bahnhofs.

Und noch eine Wundersamkeit haftet Albrecht an, der früher in Calbes Betriebsteil des „VEB Funkwerk Köpenick“ arbeitete. Er hält noch heute einen Kreisrekord im 400-Meter-Lauf von 1962.

In der Barbyer Reha-Klinik ist man Individualisten wie Klaus-Dieter Albrecht gewöhnt. Für Aufsehen sorgte 2011 Stephan Menzel aus dem Harz. Wenn er durch das Foyer der Reha-Klinik ging, trug er einen grünen Lodenmantel. Auch Hose und Schuhwerk waren von diesem Stil. Den Abschluss bildete ein fichtengrüner Hut, auf dessen Band ein kleiner silberner Hirsch stolzierte. Diese Montur ließ keine Fragen offen: Stephan Menzel war weder Fleischer, Autoschlosser, noch Gerichtsvollzieher, sondern leidenschaftlicher Jäger. Bei seinem Aufenthalt in Barby hatte er das „Handy des Mittelalters“, wie er sein Horn nannte, dabei. Und er blies es, um nicht aus der Übung zu kommen. Das funktionierte natürlich nicht in den Therapieräumen, schon gar nicht auf dem Zimmer. Also stiefelte der Schierker zur nahe gelegenen Elbe, wo er Jagdsignale wie „Sau tot“, „Hahn in Ruh“ oder „Treiber in den Kessel“ trainierte.