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Pferdezucht Fohlen bekommen ihren "Personalausweis"

Bei der Stutbucheintragung auf dem Calbenser Heger erhielten die diesjährigen Fohlen ihr Brandzeichen oder einen Chip.

Von Thomas Linßner 30.06.2017, 18:51

Calbe l Auf der Schlossbrücke sind Besucher, die zum Heger wollen irritiert. Baustelle und Verbotsschild machen den Bereich zwischen Brücke und Fähre zum „verbotenen Land“. Jedenfalls offiziell. Die Straßenbauer, die hier wirbeln, haben für Pferdefreunde aber ein Einsehen. „Klar, kommen sie durch, wenn der Bagger weg ist.“

Über den Reitplatz am Heger fliegen bei Veranstaltungen wie dieser Satzfragmente durch den schönen Sommertag wie: „Sie ist breit und tief genug, ihr Becken ist horizontal, sie hat ein deutlich gewinkeltes Hinterbein und ein kräftiges Fundament“. Wer so spricht, bewertet die Saugfohlen in einer Fachsprache, die alle Anwesenden verstehen. Dr. Ingo Nörenberg ist Zuchtleiter im Pferdezuchtverband Brandenburg-Anhalt. Das muss er allerdings nur vier Mal tun, weil gerade mal so viele Fohlen da sind.

Doch zuvor muss sich der Pferdenachwuchs einer Prozedur unterziehen, die unumgänglich ist. Es werden Brandzeichen gesetzt oder Chips unter das Fell gepikst.

Das Brennen geschah früher am Hals. Nach Protest des Tierschutzvereins erfolgt der Brand seit Anfang der 1990er Jahre am Oberschenkel. Dabei müssen Helfer und Brenner Jörg Harms viel Geschick beweisen, weil die Pferde beim Brand kurz erschreckt zurück weichen. Das Brandzeichen könnte verwackelt werden, was unschön aussieht.

Es ist ein Dokument, das die Pferde ein Leben lang begleitet, egal, ob sie nun in die Zucht gehen oder als Sportpferde eingesetzt werden. Ein Personalausweis, sozusagen.

Die Fohlen werden nur in Begleitung der Mutter akzeptiert. Damit soll die falsche Vorspiegelung der Herkunft unterbunden werden. Man erkennt nämlich deutlich, dass eine Stute nur ihr eigenes Saugfohlen neben sich duldet. Erfolgt das Brennen und damit die Identifikation später, müsste ein Gentest beigebracht werden, um die Zuchtlinie klar nachzuweisen. Und das kostet. Das muss er allerdings nur vier Mal tun, weil gerade mal so viele Fohlen da sind.

Während zum Beispiel Wolfgang Schoenebaum aus Gnadau sein hübsches Warmblut-Fohlen Vina S. ein Brandmal setzen lässt, ist Pony-Züchter Michael Fritz Hirschmann strikt dagegen. „Das ist Tierquälerei und mittlerweile vollkommen überflüssig“, grollt er. Der Chip würde zur Identifizierung ausreichen.

Die Leitung der Bewertungskommission obliegt dem Pferdezuchtverband. Ihm zur Seite stehen erfahrene Pferdezüchter, die bei der Vermessung der Ponys und Pferde sowie bei deren Bewertung helfen.

Als erstes werden Widerristhöhe und „Röhrbeinumfang“ bei den Zuchtstuten gemessen. Hier sind die Unterschiede zwischen den kleinsten und den größten Pferden schon recht deutlich. Das veranschaulicht beispielsweise die Widerristhöhe (höchster Punkt des vorderen Teiles des Rückens). Sie beträgt bei den Mini-Shetlandponys maximal 87 Zentimeter, liegt beim Haflinger und beim Deutschen Reitpony zwischen 138 und 148 Zentimeter und erreicht beim Sachsen-Anhalter Warmblut 160 bis 170 Zentimeter.

Laut Ingo Nörenberg sei die Zahl der zu bewertenden Zuchtfohlen in den vergangenen vier Jahren zurück gegangen. Rund 1000 werden in Sachsen-Anhalt 2017 voraussichtlich registriert. „Der Pferdebestand hat sich seit 1990 bei uns etwa verdoppelt, die der Zuchtpferde hat sich halbiert“, so der Zuchtfachmann.