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Premiere Fledermaus auf Bierer Berg

Tagelang hatten Zuschauer und Darsteller der Premierenvorstellung des 20. Operettensommers auf dem Bierer Berg entgegengefiebert.

Von Klaus-Peter Voigt 27.06.2016, 10:06

Schönebeck l Besser hätte es für die Jubiläumsmaus nicht laufen können. Die anreisenden Gäste lassen meist die Regenschirme gleich im Auto. Optimismus gehört eben zu einer Premiere dazu. Schon kurz vor dem Einlass bildet sich eine kleine Schlange am Eingang zur Freilichtbühne. Punkt 15 Uhr öffnet eine sichtlich gut gelaunte Anne Ströhler von der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie die Tore. „Herzlich willkommen zum 20. Operettensommer“, begrüßt sie die Wartenden.

Viele nutzen die Zeit bis zum Beginn der Vorstellung, um sich mit einem Gläschen Sekt, Bier oder Wasser zu erfrischen. Langsam füllt sich das Rund, Sitzkissen werden ausgepackt, Erinnerungsfotos geschossen. Überall stehen die Gäste in kleinen Gruppen, man plaudert, freut sich auf einen unterhaltsamen Nachmittag. Philipp Müller und Lucas Schulz haben alle Hände voll zu tun. Die beiden frischgebackenen Abiturienten nutzen einen Teil ihrer letzten Schulferien dazu, sich etwas Geld zu verdienen. Sie sind in ansehnliche Livrees geschlüpft, verkaufen Programme, kontrollieren die Eintrittskarten. „Es macht uns riesigen Spaß“, sagt Philipp. „Wir sind während der gesamten Vorstellung aktiv, treten auch als Komparsen auf“, ergänzt Lucas. Der Beginn einer schauspielerischen Laufbahn? Nein, die beiden jungen Männer lachen. Ihr Berufsziel führt sie zur Polizei.

Die 800 Zuschauer haben Platz genommen. Landrat Markus Bauer (SPD) kommt zu seinem zweiten offiziellen Schönebecker Operettensommer in Begleitung von Ehefrau Kathrin, der Eltern und von Freunden. Eine kurze Begrüßung des frischgebackenen Kultus-Staatssekretärs Gunnar Schellenberger (CDU), der mit seiner Aussage von der „Kulturstadt Schönebeck“ ein fröhliches Gelächter aus den Rängen erntet. Der Kammerphilharmonie überbringt er eine gute Nachricht. Das Land Sachsen-Anhalt fördert die für den Herbst geplante Tournee des Klangkörpers durch Portugal mit einem Zuschuss von 30 000 Euro. Chefdirigent Gerard Oskamp ist mit seinen Musikern überglücklich.

Die Vorstellung beginnt und gleich beweist die „Fledermaus“, der Tenor Alexander Klinger, nicht nur sein komödiantisches Können, sondern auch nahezu artistische Fähigkeiten, als er sich gekonnt eine mehr als drei Meter hohe Leiter heruntergleiten lässt. Das Verwirrspiel inmitten der tollen Dekoration von Toto, der Dauergast beim Operettensommer ist, nimmt seinen Lauf. Die Tänzer begleiten munter die Ouvertüre, alle Darsteller sind in bester Spiellaune. Regisseurin Katharina Kutil hat alle Register an überraschenden und oft auch witzigen Szenen gezogen.

Das Publikum gibt Szenenapplaus, klatscht bei Ohrwürmern von Johann Strauss rhythmisch mit. Fächer sind bei den Damen beliebt, um sich in der schwülen Nachmittagshitze etwas frische Luft zu verschaffen. Handys haben Hochkonjunktur, viele versuchen ihr persönliches Foto von der Vorstellung zu schießen.

Kleine Pannen machen die Premiere zudem reizvoll, beweisen, wie die Akteure Probleme meistern. Unkompliziert wird beim Ausfall eines Mikroports, mit denen die Stimmen verstärkt werden, ein klassisches – für solche Fälle schon bereitliegendes – Mikrofon gereicht. Die Stimmung ist bestens. Der kleine Maarten, Sohn des Chefdirigenten, hat sich für den besonderen Tag verkleidet. Als Fledermaus hantiert der Vierjährige mit einem Taktstock während des Stücks. Ob er einmal in die Fußstapfen seines Vaters treten will?

Dann ein „Eklat“! Beim Verlassen der Bühne bricht einer der Tänzer dem goldenen Hirsch, der eine Minibar enthält, die Hälfte des Geweihs ab. Kammerphilharmonie-Geschäftsführer Hans-Jörg Simon nimmt es gelassen. Wo gehobelt wird, fallen Späne, Regressforderungen will er nicht geltend machen. Katharina Kutil setzt einen der letzten Höhepunkte im Stück. Als volltrunkener Gefängniswärter Frosch brilliert die Wienerin und gibt nahezu beiläufig die Entscheidung zur Inszenierung des 21. Operettensommer bekannt. „Das Schwarzwaldmädel“.

Kurz vor 19 Uhr fällt der Vorhang. Das Publikum spendet reichlich Beifall, und die Honoratioren überreichen den Akteuren Blumen. Es war ein unterhaltsamer Nachmittag. Ex-Landrat und einstiger Innenminister von Sachsen-Anhalt, Klaus-Jürgen Jeziorsky, ist auch zufrieden. Er erinnert sich an den Beginn des Operettensommers vor mehr als 20 Jahren. „Ich bin froh, dass wir den Vorschlag des damaligen Musikdirektors Stefanos Tsialis umgesetzt haben, auf dem Bierer Berg ein musikalisches Fest zu etablieren“, sagt der Politiker. Bis auf eine Inszenierung habe er selbst alle gesehen. Und Jeziorsky spricht von den bescheidenen Bedingungen in den ersten Jahren mit Holzbänken, einer spartanischen Bühne und kaum Infrastruktur.

Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) blickt als Vorsitzende des Fördervereins der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie, das ist sie seit 1992, sichtlich zufrieden auf das Erreichte. „Mit unserem Verein wagten wir damals ein Experiment, wollten den Klangkörper von der kreislichen Trägerschaft in eine gemeinnützige GmbH überführen“, berichtet sie. Dass dies gelungen sei, mache ihr riesige Freude. Ein Stück Kultur konnte durch diesen mutigen Schritt erhalten werden. Das Orchester sei aus dem Salzlandkreis nicht mehr wegzudenken, begeistere das Publikum nicht nur mit seinen regulären Konzerten sondern auch unter anderem mit dem Festival „Klänge im Raum“. Im Frühjahr des kommenden Jahres steht zudem der dritte Orchesterball im Plan.