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Privatdetektiv Wie lebt es sich im Geheimen?

Zum Sherlock-Holmes-Tag, Geburtstag von Sir Arthur Conan Doyle, Erfinder des Meisterdetektivs, gibt Denis Radmer Einblicke in seinen Beruf.

Von Kaya Krahn 21.05.2020, 23:01

Biere l Die Straße vor der Detektei Denis Radmer ist leer, vor dem Werk 2, gleich nebenan, steht eine junge Frau und raucht. Denis Radmer empfängt in seinem Restaurant in Biere. „In der Detektei bauen wir gerade um“, erklärt er entschuldigend.

Seit 20 Jahren betreibt der 46-jährige seine Privatdetektei. Ein ausgefallener Beruf. „Da muss man schon eine kleine Macke haben, um das machen zu wollen“, sagt Radmer und lacht. Dann wird er ernst: „Naja, auch wegen der ganzen Gefahren.“ Er habe da schon einiges erlebt, erzählt er. Prügeleien, einen Messerangriff und Beleidigungen. „Da gab es auch schon mal den ein oder anderen zerstochenen Reifen, eingeschlagene Fenster oder abgetretene Spiegel am Auto“, berichtet der Detektiv. Diese dunklen Seiten gehörten aber dazu. „Detektiv sein kann man nicht lernen, das ist eine Leidenschaft, eine Passion“, beschreibt Radmer seinen Beruf.

Bei der Detektivarbeit sei es am wichtigsten, unerkannt zu bleiben. Dafür gibt es zwei grundlegende Dinge, die Denis Radmer beachtet: Eine gute Tarnung und möglichst wenig Fotos von ihm im Internet.

„Ich habe einen ganzen Kostümfundus“, beschreibt er. Bei einem Supermarktauftrag hätte er sich zum Beispiel dreimal an einem Tag umgezogen, um nicht aufzufliegen. „Einmal war ich Maurer, mit Zollstock, Bleistift und allem, dann Marktleiter mit Anzug, Schlips und Kragen und zuletzt noch Normalo.“

Auf Verkleidungen griff auch der berühmte Sherlock Holmes immer wieder zurück. Das ging so weit, dass ihn selbst sein Gefährte Dr. James Watson nicht mehr erkannte. Auch Radmer kann das, sagt er. „Ich kann mich so verkleiden, dass mich selbst meine Frau nicht erkennen würde“, meint Radmer stolz.

Schwieriger als das Verkleiden sei es, darauf zu achten, dass keine Fotos vom ihm im Netz landen. „Was einmal im Internet ist, das bleibt da auch“, meint er. „Leider haben es doch ein paar wenige Fotos ins Netz geschafft.“

Die meisten seiner Aufträge erhält Denis Radmer nicht aus der Region. „Das ist auch sicherer für meine Familie“, meint er. Außerdem würden ihn hier ja die meisten kennen – ungünstig, wenn man geheim ermitteln möchte.

Privatdetektiv wurde Denis Radmer über Umwege. Er ist gelernter Maurer, danach ging es zur Bundeswehr. Anschließend fuhr er ein Jahr Lkw. „Ich hatte aber früh Türsteherdienste, da hat sich dann herausgestellt, dass der Sicherheitsdienst und das Arbeiten mit Menschen viel mehr Spaß machen, als Getränkekisten ausliefern“, sagt Radmer. 2000 machte er sich dann mit seiner Privatdetektei selbstständig. Den Sicherheitsdienst betrieb er weiter und integrierte ihn in seine Firma. Gerade am Anfang habe ihm das sehr geholfen. „Nachdem ich einmal einen Personenschutz für Ex-Tennisstar Boris Becker hatte, ging es auch mit den Detektivaufträgen bergauf“, berichtet der Familienvater.

Denn zu Beginn war es gar nicht so einfach, Fuß zu fassen. Auch weil Aufträge meistens nicht aus der näheren Umgebung stammte, sondern häufig aus den alten Bundesländern kamen. Das Problem dabei: Der Name D.D.R. Security. „Wenn ich ankam, wurde häufig gelacht. ‚Guck mal, der aus der DDR ist da‘, hat es oft geheißen“, schildert Radmer. Dabei verstand er den Namen als „progressive Werbung“. „Die meisten Detekteien haben Namen aus drei Buchstaben, mit meinen Initialen D.R. und noch dem D. für Detektei davor, bin ich dann bei dem Konzept geblieben.“

Zwischen den Erklärungen kommt Denis Radmers kleiner Sohn durch die Tür. „Ach schau mal, der kleine Special Agent Mulder Junior“, scherzt sein Vater. Agent Mulder ist auch Ermittler, aus einer US-Fernsehserie.

Das Detektivdasein ist offensichtlich auch schon in der Familie angekommen. „Das sowieso, man lernt in der ganzen Zeit ja, anders zu denken, um drei Ecken herum, und das kann man nicht ausschalten“, offenbart der 46-Jährige.

Das merke er auch bei Familieneinkäufen, wenn er privat jemanden beim Stehlen sieht. „Ich kann da nicht wegsehen. Auch wenn meine Frau dann sagt: ‚Denis, kannst du nicht einmal deinen Job sein lassen?‘“, berichtet Radmer. „Aber ich kann meinen Job nicht sein lassen. Ich bin dann zum Marktleiter gegangen und hab ihm gesagt, dass da eben jemand sechs Packungen Kaffee in den Rucksack gesteckt hat.“

Der Detektiv bekommt die meisten Aufträge von Großhandelsunternehmen. Generell sei er hauptsächlich als Ladendetektiv tätig. „Es gibt auch andere Aufträge von Firmen oder von privat, die sind aber seltener“, erklärt Denis Radmer. „Die reale Arbeit eines Detektivs ist recht langweilig. Man wartet Stunden und nichts passiert. Nicht wie in einem Film. Die kommen da immer viel zu schnell auf die Ergebnisse.“

An seine erste Täterin in einer Drogerie kann sich der 46-Jährige noch lebhaft erinnern: „Sie war eine 16-Jährige junge Damen aus Magdeburg, die einen Regenschirm geklaut hat, für neun Mark. Da war ich eher der, der wirklich völlig aufgeregt war. Ich saß da mit zitternden Händen“, meint er.

Es sei eine heikle Situation, jemanden so aus seiner Privatsphäre zu reißen. Wichtig dabei: Für Privatdetektive gelten Jedermannsrechte, das heißt, dass sie nicht mehr dürfen als jeder andere Bürger auch. So dürfen etwa keine Festnahmen und Durchsuchungen ohne Zustimmung durchgeführt werden. Was aber jeder darf: jemanden bis zum Eintreffen der Polizei vorläufig festnehmen.

Fehler dürfe sich ein Privatdetektiv kaum erlauben. Jemanden Unschuldigen festzuhalten bringe hohe Risiken mit sich. „Im schlimmsten Fall ist das Freiheitsberaubung“, sagt Radmer. Solche Fehlgriffe dürfe man sich in seinem Detektivleben „höchstens ein-, zweimal erlauben“. Danach sei die Karriere gelaufen.

Um Fehler zu vermeiden, sei es wichtig, den Täter nie aus den Augen zu verlieren: vom Einstecken der Ware bis zur vorläufigen Festnahme. „Sonst hätte der Täter Zeit, die Ware irgendwie loszuwerden“, berichtet der Detektiv. Um sich und Täter abzusichern, holt sich Denis Radmer gerne einen Zeugen für Gespräche dazu. Denn in der Regel seien Privatdetektive alleine unterwegs – einen Partner wie Dr. Watson haben sie meistens nicht.

Durch die Jedermannsrechte käme es ab und an zu Konflikten mit der Polizei, berichtet Radmer. „Wir haben zwar unsere goldene Detektivmarke, aber die sichert uns keine besonderen Rechte zu“, erläutert er. Sein Schwachpunkt: Verfolgungen mit dem Auto. Da vergesse er auch mal, dass er kein Blaulicht auf dem Dach hat. Er verlor deswegen sogar schon seinen Führerschein. „Ich achte natürlich drauf, dass ich niemanden gefährde, aber wenn ich der Zielperson nicht folgen kann, ist mein Auftrag futsch.“ Und seine Aufträge will Denis Radmer immer erfüllen. „Wenn ich was anfange, will ich es auch zu Ende führen.“

Observationen machen dem Privatdetektiv am meisten Spaß. Dazu hat er eine ganz besondere Geschichte auf Lager: „Das hört sich so nach Klischee an, ich konnte es am Anfang selber nicht glauben“, stellt Radmer voran.

„Ich habe einen Anruf von einem Typen aus dem Raum Berlin bekommen, der dachte, dass ihn seine Frau betrügt. Es ging dabei um viel Geld“, beginnt er seine Geschichte. „Ich sollte herausfinden, ob er Recht hat. Sie würde aber in drei Tagen in den Urlaub fahren und ich sollte da mit, nach Mallorca“, erzählt er. Als er am Flughafen Leipzig ankam, stellte er fest, dass auch die Frau seines Auftraggebers von dort abflog. Sie hätte sich auch bereits am Flughafen mit ihrer Liaison getroffen. So konnte er sie schon auf dem Flug beobachten. „Ich sah aus wie Magnum, Hawaii-hemd und eine große Kamera um den Hals. Damit habe ich dann so getan, als würde ich zum ersten Mal fliegen, sodass ich im Flieger schon die ersten Knutschfotos von den beiden im Kasten hatte“, berichtet der Detektiv.

Auf Mallorca behielt er die beiden dann weiter im Auge und checkte im Hostel gegenüber von ihrem Hotel ein. Dabei hatte er Sicht auf ihren Balkon. Er entschied sich aber, erstmal „seine Detektivseele“ baumeln zu lassen und an den Strand zu gehen. Schließlich hatte er ja bereits Beweisfotos. Er vergaß aber, die Kamera auszuschalten, sodass diese aufzeichnete. „Als ich wiederkam, ärgerte ich mich, wollte dann aber doch sehen, was in der Zeit aufgenommen wurde.“ Was er sah, überraschte ihn dann doch: „Die hatten Sex auf dem Balkon“, erzählt Radmer, noch immer etwas ungläubig. Damit hatte er dann alle Beweise. „Das war ein toller, lukrativer Auftrag“, schließt er seine Erzählung.

Doch solche „schönen“ Aufträge seien selten. Negative Erfahrungen würden das immer mehr überlagern. „Ich wurde zum Beispiel mal vor einer Bank verprügelt“, berichtet er. Die Verletzungen waren nicht unerheblich. „Ich hatte noch einige Jahre Schmerzen, aber das Verfahren wegen Körperverletzung wurde eingestellt.“

Solche Ereignisse sind ein Grund, warum der Detektiv mittlerweile einen anderen Schwerpunkt in seinem Leben gefunden hat: sein Restaurant. Das nimmt inzwischen beinahe 70 Prozent seiner Arbeitszeit in Anspruch. Damit habe er sich einen Lebenstraum erfüllt. „In vier Jahren bin ich 50. Da muss ich nicht mehr vor irgendeiner Tür stehen und mir von der heutigen, leider immer mehr respektlosen Jugend mit Gewaltpotenzial sozusagen die ‚Fresse‘ polieren lassen! Denn nach meiner Auffassung ist das nicht die feine englische Art, einen Konflikt zu lösen!“, meint Radmer.

So braucht wohl jeder Detektiv sein Ziel für „danach“. Bei Sherlock Holmes ist es die Bienenzucht in Sussex, bei Denis Radmer ist es die Gastronomie in Biere.