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Prozess An der Grenze zur Türkei gestoppt

Ein Unternehmer aus Schönebeck hat die Raten für sein Auto nicht bezahlt - und ist mit dem Wagen ins Ausland gefahren.

Von Jan Iven 15.06.2020, 01:01

Schönebeck l Am Ende musste die Polizei den Unternehmer aus Schönebeck an der Grenze zur Türkei stoppen. So weit war der 53-jährige Türke mit seinem Wagen aus dem Salzlandkreis gefahren, um sich Geld für die Bezahlung eben dieses Fahrzeuges zu beschaffen. Andere Möglichkeiten hatte der Mann offenbar nicht mehr. Doch der Verkäufer in Schönebeck hatte schon längst keine Geduld mehr gehabt und hatte den Wagen bereits erfolglos zurückgefordert. Erst die türkischen Beamten konnten das Fahrzeug sicherstellen.

Und so muss sich der Geschäftsmann seit vergangener Woche vor dem Amtsgericht Schönebeck wegen Unterschlagung des Fahrzeuges verantworten. Denn den vereinbarten Kaufpreis von rund 30 000 Euro hatte er schlicht und ergreifend einfach nicht bezahlt. Laut Kaufvertrag sollte der Angeklagte den Wagen monatlich in Raten in Höhe von 440 Euro abbezahlen, hinzu sollte eine Schlussrate über 13 000 Euro gezahlt werden. Doch daraus wurde offenbar nichts. Nach elf Monaten hatte der Mann gerade 1000 Euro überwiesen. Der Verkäufer forderte immer wieder sein Geld. Doch der Angeklagte zahlte einfach nicht.

Er habe finanzielle Schwierigkeiten gehabt und deutete vor Gericht über seinen Dolmetscher an, dass er selbst das Opfer von Betrügern geworden sei, ohne jedoch näher darauf einzugehen. In seine alte türkische Heimat wollte er nur fahren, um Verwandte und Bekannte um Geld für den Wagen zu bitten. Doch damit hatte er letztendlich keinen Erfolg. Der Wagen wurde von der Grenze zurück nach Deutschland transportiert. Für diesen Transport soll der säumige Käufer nun auch noch aufkommen. Eine Tatsache, die ihn ärgert. Denn schließlich wäre er mit dem Auto sowieso nach Deutschland zurückgekehrt, wie der Angeklagte dem Richter am Amtsgericht Schönebeck versicherte.

Der Richter erklärte dem Angeklagten wiederum, dass er gar nicht erst mit dem Wagen in die Türkei hätte fahren dürfen. Denn der Verkäufer hatte den Wagen bereits vorher zurückgefordert. Der Angeklagte hatte sich nach eigenen Angaben aber gar nichts dabei gedacht – schließlich habe es an mehreren Landesgrenzen zwischen Deutschland und der Türkei zuvor auch keine Probleme gegeben. Ungesagt blieb allerdings, dass es sich dabei um Grenzen innerhalb der Europäischen Union handelte, an denen in der Regel gar keine Kontrollen stattfinden. Offenbar waren Wagen und Fahrer erst beim Grenzübertritt in die Türkei aufgefallen.

Für den Richter machte dies ohnehin keinen Unterschied mehr. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ war der juristische Grundsatz, den er dem Anklagten noch einmal deutlich vor Augen führte. Und auch in der Türkei müssten Verträge sicherlich eingehalten werden, so der Jurist.

Für Richter und Staatsanwalt am Amtsgericht Schönebeck stellte sich im Laufe der Verhandlung sehr bald eine ganz andere Frage: Unterschlagung oder doch Betrug? Denn die Juristen hegten schnell den Verdacht, dass der Angeklagte den Wagen nicht nur einfach nicht bezahlen konnte, weil er unerwartete finanzielle Probleme hatte. Vielmehr deutete einiges daraufhin, dass der Angeklagte gar nicht vorgehabt hatte, den Wagen auch zu bezahlen. Oder dass er zumindest wusste, dass er massive Schwierigkeiten haben würde, die Raten aufzubringen. Denn bereits in den ersten beiden Monaten überwies der Angeklagte kein Geld an den Verkäufer. So ganz überraschend könne der Geldmangel eigentlich nicht gewesen sein.

Der Angeklagte wies die Vorwürfe vehement zurück. Für ihn sei es bereits eine Schande, dass er nicht zahlen kann, doch absichtlich betrogen habe er nicht, versicherte er. Der Richter will daher nun die damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten unter die Lupe nehmen und wird eine Anfrage bei der Finanzaufsichtsbehörde Bafin stellen.

Zur Begleichung der restlichen Schuld soll der Wagen nun zwangsversteigert werden. Ein Gutachter hat den Restwert auf 13 000 Euro geschätzt. Der Angeklagte hat nun vorgeschlagen, die offene Differenz in Raten von etwa 150 Euro zu zahlen. Doch für den Richter war dies keine Option, da dies noch zu viele Jahre dauern würde.  Zumal der Angeklagte derzeit auch kein eigenes Einkommen hat.

Nach der Überprüfung des Angeklagten durch die Bafin soll die Frage nach Unterschlagung oder Betrug geklärt werden. Dann kann der Prozess am Amtsgericht Schönebeck fortgesetzt werden.