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Prozess Schutzgelderpressung im Döner-Imbiss?

Ein Angeklagter soll den eigenen Schwager in Schönebeck verprügelt haben. Eventuell wird der Prozess aber nun nach Magdeburg verlegt.

Von Jan Iven 10.06.2020, 01:01

Schönebeck l Die Anklage deutete zunächst nur auf einen Familienstreit unter arabischstämmigen Zuwanderern hin. Doch beim Prozessauftakt am Amtsgericht Schönebeck wegen gefährlicher Körperverletzung gegen einen 43-jährigen Syrer wurde schnell klar, dass es noch um sehr viel mehr geht, als nur einen Zwist zwischen zwei Schwägern. Hintergrund ist offenbar eine Schutzgelderpressung gegen einen 40-jährigen irakischen Kurden, der in Schönebeck einen Döner-Imbiss betreibt. Dahinter könnte ein krimineller Clan aus Hannover stecken.

Der Richter am Amtsgericht Schönebeck erweitertet das Verfahren wegen Körperverletzung daher um den möglichen Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung. Da für dieses Verbrechen einen Mindeststrafe von fünf Jahren vorgesehen ist, wurde das Verfahren zur Prüfung an das zuständige Landgericht Magdeburg abgegeben.

Angeklagt war der Syrer am Amtsgericht Schönebeck zunächst wegen Körperverletzung, weil er seinen Schwager im Mai 2018 an einem Tag gleich zweimal verletzt haben soll. Nach Aussagen des Geschädigten war der Angeklagte damals in seinem Imbiss in Schönebeck erschienen und hatte 500 Euro von ihm gefordert – offenbar als Schutzgeld. Der Angeklagte habe dabei gedroht, ihn umzubringen und seinen Imbiss niederzubrennen, falls er sich weigern sollte, zu zahlen. Als der Gastronom die geforderte Summe nicht zahlen wollte, wurde er von seinem Schwager getreten.

Doch damit nicht genug. Noch am selben Abend wurde der Geschädigten in eine Falle gelockt. Eine vermeintlicher Kunde bestellte beim Imbiss Gerichte, die an eine Adresse an der Wilhelm-Hellge-Straße geliefert werden sollten. Der Betreiber des Döner-Imbiss lieferte die Bestellung persönlich aus. Den angegebenen Namen konnte er an der Adresse allerdings nicht finden. Stattdessen wurde er hinterrücks von mehreren Personen angegriffen, die ihm aufgelauert hatten, wie er vor Gericht aussagte. Darunter soll auch sein Schwager gewesen sein, der ihn mit einem Knüppel verletzt habe. Nach eigenen Angaben verlor der Mann wegen der Schläge das Bewusstsein. Er erlitt Verletzung am Hals, Gesicht und im Brustbereich. Zudem wurde eine Rippe gebrochen.

Der Angeklagte ließ über seinen Anwalt nur mitteilen, dass er an dem Überfall in der Wilhelm-Hellge-Straße nicht beteiligt war. Er sei an diesem Abend wieder zu Hause gewesen. Damals lebte er noch in Bonn, mittlerweile ist er aber nach Schönebeck gezogen. Den Vorfall am Döner-Imbiss schilderte der Anwalt komplett anders. Demnach hatte der Angeklagte die Gaststätte gar nicht betreten, sondern nur auf der anderen Straßenseite mit seinem Wagen gehalten, um sich mit einem Bekannten zu unterhalten. Vielmehr habe der Geschädigte mit mehreren Personen die Straße überquert und angefangen, den Angeklagten in seinem Auto durch das offene Fenster zu schlagen. Nach Angaben seines Verteidigers hatte der Angeklagte daraufhin seinen Wagen verlassen, woraufhin eine Prügelei entbrannt sei. Der Angeklagte soll dabei Prellungen erlitten haben, die er später auch im Krankenhaus und bei der Polizei dokumentieren ließ. Den Imbiss habe er gar nicht betreten.

Auf die Schutzgelderpressung wollte der Geschädigte, der sich bei dem Prozess als Nebenkläger von einer Anwältin vertreten ließ, vor Gericht zunächst gar nicht mehr eingehen, sei es Angst vor dem Clan, sei es, weil es sich bei dem Angeklagten um seinen Schwager handelte. Denn die Ehefrauen der beiden Männer sind Schwestern. Der Richter am Amtsgericht wollte den Fall allerdings aufklären und nagelte den Geschädigten auf seine zuvor bei der Polizei getätigten Aussagen über die Schutzgelderpressung fest. „Wir sind hier nicht beim Mufti, sondern an einem deutschen Gericht“, sagte der Jurist in Anspielung auf islamische Rechtsgelehrte. Als Zeuge müsse der Geschädigte vor Gericht die Wahrheit sagen. Dass er sich nicht mehr an eine mögliche Erpressung erinnern könne, glaubte der Richter ihm nicht. Zur Not könnten auch die Beamten, die den Imbissbetreiber nach dem Überfall vernommen haben, vor Gericht als Zeugen aussagen und dessen damaligen Ausführungen bestätigen. Nach einer vom Richter angeregten Pause, in der sich der Imbiss-Betreiber mit seiner Anwältin beriet, wiederholte er schließlich den Vorwurf der Schutzgelderpressung. Dabei verwies er auch auf eine mögliche Verbindung zur Clan-Kriminalität in Hannover. Demnach soll der Bruder des Angeklagten für einen Clan arbeiten.

Damit war der Fall für das Amtsgerichts Schönebeck zunächst erledigt. Denn für räuberische Erpressung ist das Landgericht Magdeburg zuständig. Dem Angeklagten riet der Richter, sich vom Geschädigten fernzuhalten. „Und wenn die Vorwürfe stimmen sollten, sagen Sie ihrem Clanchef, dass wir jeden verfolgen werden, den er nach Schönebeck schickt“, so der Richter vom Amtsgericht Schönebeck.

Der Prozess wird nun an das Landgericht Magdeburg verwiesen. Das Landgericht wird den Fall prüfen und gegebenenfalls übernehmen. Sollten die Richter von einem minder schweren Falls ausgehen, können sie ihn allerdings auch zurück nach Schönebeck geben. Dann wäre ein Schöffengericht zuständig. Wie lange die Prüfung dauern wird, konnte der Richter nicht sagen.