Salzlandmuseum Die Welt des Kommunismus

Aufstieg und Niedergang der kommunistischen Bewegungen sind Thema einer neuen Ausstellung im Salzlandmuseum.

Von Thoralf Winkler 24.11.2017, 23:01

Schönebeck l Die neue Ausstellung des Salzlandmuseums beruht auf 25 Schautafeln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Museums-Kurator Frank Löbig gab ihr den Titel „Der Kommunismus in seinem Lauf ...“ und wies zur Eröffnung am Donnerstag darauf hin, dass das bekannte Zitat nicht etwa von Erich Honecker stamme, sondern sich bis auf August Bebel zurückführen lasse. „Die Auslassungspunkte habe ich bewusst gesetzt“, sagte er, „denn da fehlt noch eine ganze Menge“.

Einen Aspekt der Beurteilung der kommunistischen Zeit lieferte Dr. Daniel Bohse in seinem Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung. Der Leiter der Magdeburger Gedenkstätte Moritzplatz und promovierte Historiker beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Zeit der sowjetischen Besatzung in der DDR. Er griff ein Teilgebiet seiner historischen Forschungen heraus: „Die sowjetischen Kasernen waren jedem DDR-Bürger sichtbar und vertraut. Ein anderes Bild blieb weitgehend unsichtbar. Nur unter der Hand wurde weiter erzählt, wenn wieder jemand abgeholt worden war’“. Etwa von der SMERSch, der militärischen Geheimpolizei, oder vom sowjetischen Inlandsgeheimdienst NKWD.

Im Vortrag wird ein düsteres Szenario deutlich, in dem vor allem in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg Verhaftungen, Internierungen und Verurteilungen allgegenwärtig waren und in dem es überall im Land, auch in Schönebeck, Dienststellen der Geheimpolizei gibt. So war das Gefängnis des heutigen Amtsgerichtes ein sowjetisches Gefängnis und die sowjetische Garnison in der Magdeburger Straße hatte zusätzlich eine Polizeieinheit in Kompaniestärke. Einige der damaligen Gefängnisse, wie die JVA Torgau, dienen über alle politischen Systeme hinweg bis heute als Gefängnisse.

Daniel Bohse referiert mit der Genauigkeit eines Wissenschaftlers und stellt zugleich an persönlichen Schicksalen anschaulich dar, für welche tatsächlichen oder auch nur unterstellten Vergehen Menschen aus Schönebeck und Umgebung von der Besatzungsmacht verurteilt wurden. Prominentes Beispiel war Schönebecks Bürgermeister Kurt Bauer, der die sowjetische Verhaftungspraxis kritisiert hatte und dafür selbst ins Lager kam, wo er 1945 starb. Der Schönebecker Stadtrat Hans-Werner Müller (LDP) wurde nach einer Verhaftungswelle gegen liberale Politiker wegen „antisowjetischer Propaganda“ zu 25 Jahren Arbeitsbesserungslager verurteilt und kam erst 1956 frei. Der Polizeibeamte Willi N., der in einer Polizeieinheit im Osten an Strafaktionen gegen Partisanen beteiligt war, kam ebenfalls bis Mitte der 1950er Jahre ins Lager. In den sogenannten Speziallagern waren etwa 120.000 Gefangene untergebracht, etwa 44.000 von ihnen überlebten diese Lager nicht. Ursula B., eine 23-jährige Arbeiterin der Schönebecker Patronenfabrik wurde der Spionage beschuldigt und war bis 1954 in Hoheneck eingesperrt. Noch schlimmer erging es Theodor W. und Rudi R. aus Großmühlingen, die wegen Vorbereitung eines Aufstandes zum Tode verurteilt und 1951 erschossen wurden. Die letzten beiden Opfer waren Beispiel für die enge Zusammenarbeit von deutscher und sowjetischer Geheimpolizei. Von der Stasi verhaftet und dem NKWD übergeben, hatten sie keine Chance.

Nach dem Vortrag wurde nach Rehabilitierungen der Opfer und nach Recherchemöglichkeiten gefragt. Daniel Bohse konnte darauf verweisen, dass heute immer noch vieles in russischen Geheimarchiven liege. Angehörigen damaliger Opfer gibt er den Hinweis, sich an die Stiftung Sächsische Gedenkstätten zu wenden, die in Dresden eine Dokumentationsstelle habe und Anträge an die russischen Behörden weiterleite: „Auch in Russland gibt es eine Art Stasiunterlagen-Gesetz. Nur dauert dort die Bearbeitung lange“. Einen kleinen Anteil am Zustandekommen der Ausstellung hatte auch Stadtwerke-Chef Friedrich Husemann. Bei einer zurückliegenden Vernissage im Industriemuseum kam Husemann auf Löbig zu und sagte mit Blick auf das bevorstehende Jubiläum der Oktoberrevolution: „Ich habe da von so einer Ausstellung gehört...“.

Die Posterserie selbst wird mit ihrem ausschließlichen Blick auf die dunklen Seiten des Kommunismus ganz gewiss polarisieren. So sieht das auch Joachim Grossert aus Bernburg. „Ich wurde in der DDR wegen staatsfeindlicher Propaganda zu 18 Monaten Haft verurteilt und sehe ganz gewiss nicht alles rosig“, sagt er. „Aber die Plakate sind mir zu holzschnittartig. Die Geschichte sollte ein umfassendes Bild liefern, eine Einordnung des Kommunismus als Alternative zum Kapitalismus und keine einseitige Darstellung“.

Frank Löbig scheint das ähnlich zu sehen, schließlich hat er der Plakatserie eine große Zahl von Exponaten aus dem Museumsfundus gegenüber gestellt. Darin werden viele Besucher etwas aus dem ihnen bekannten Leben der DDR-Zeit wiedererkennen. „Dabei soll aber auch nichts verklärt werden“, sagt der Kurator. „Mir fiel das Differenzieren bei der Wahl der Ausstellungsobjekte sicher ein wenig leichter, weil für mich keine Kindheitserinnerungen daran hängen und ich das neutral sehen kann“. So sind Alltagsgegenstände ebenso zu finden wie Propagandaobjekte.

Vielleicht sollten Kinder ihre Eltern oder Großeltern an die Hand nehmen, das Museum besuchen und gemeinsam über unterschiedliche Sichtweisen auf den Kommunismus und Sozialismus reden. „Ich hoffe, dass auch viele Schulklassen die Ausstellung besuchen“, sagte Frank Löbig. Schließlich kann man zu den Plakaten auch „jugendgerecht“ weitere Zusatzmedien über das Handy abrufen.

Öffnungszeiten: dienstags und freitags, 10 bis 16, donnerstags 10 bis 18 und sonntags von 14 bis 18 Uhr.