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Sammlerin Sogar ein Grundstück auf dem Mond

Die Groß Rosenburger Postzustellerin Sylvia Strätz hat ein ganz besonderes Hobby: Sie sammelt Gewinne.

Von Thomas Linßner 18.03.2018, 06:00

Groß Rosenburg l Wenn Sylvia Strätz abends nicht schlafen kann, schaut sie verträumt auf ihr Grundstück. Das ist ein Hektar groß, aber unerreichbar. „Vielleicht können meine Ur Ur-Enkel da mal Urlaub machen. Ich jedenfalls nicht“, lächelt die 57-Jährige dann versonnen in die Rosenburger Nacht. Denn ihr Grundstück liegt auf dem Mond. Zwischen dem Mare Serenitatis und dem Mare Crisium kann man das 10.000 Quadratmeter große Feld auf dem 28. Breiten- und 52. Längengrad sehen, wenn man ein starkes Teleskop hat.

Sie gewann das Anwesen bei einem Glücksspiel. Eine Gesetzeslücke macht’s möglich: Damit kein Streit um die Himmelskörper ausbricht, wurde bereits 1967 der Weltraumvertrag vereinbart. Er besagt, dass der Mond wie der restliche Weltraum niemandem, sondern allen Menschen gemeinsam gehört und nur friedlich genutzt werden darf. Also ein schönes Geschenk für jemandem, der schon alles hat.

Sylvia Strätz hat bei Fortuna einen Stein im Brett, der so groß sein muss, wie der Findling vor dem Gemeindehaus.

Die Glücksgöttin reichte ihr zum ersten Mal 1987 die Hand, als sie einen Trabant 601 vor die Tür der Schloßstraße 4 gestellt bekam. Den gewann sie bei der Lotterie des Journalistenverbandes. Sie hatte am Postschalter eine Mark Trinkgeld bekommen und sie in zwei Lose investiert. Das erste gewann 10 Mark, das zweite ein Auto (!). Zu DDR-Zeiten, wo man zwölf Jahre auf die „Pappe“ warten musste.

Der Dorfklatsch kannte keine Grenzen. Es drückte sofort ein gut betuchter Bürger auf die Klingel, der 22.000 Mark bot. Das Doppelte vom Kaufpreis! „Das Dollste aber war, dass weder ich, noch mein Mann eine Fahrerlaubnis besaßen“, lächelt die freundliche Rosenburgerin. Aber auch daran hatten die allgegenwärtigen Regulierer in der DDR gedacht: Binnen einer Woche begann sie mit dem Fahrschulunterricht beim VEB Kraftverkehr in Schönebeck. (Auch hier betrug die Anmeldezeit vier Jahre.)

„Diese Gewinne waren eine Initialzündung für mich“, lächelt Sylvia Strätz, die bis heute kaum eine Gewinnchance auslässt.

Genau zwei Jahrzehnte später durfte sie im Rosenburger Lotto-Laden erneut den Zündschlüssel in das Schloss eines Autos stecken: Es war ein VW-Cabrio, wie es sonst nur die Reichen und Schönen fahren, den sie bei der Bingo-Lotterie gewonnen hatte.

Sylvia Strätz ist besonders seit Anfang der 90er Jahre auf dem Glückstripp. Im Laufe der Zeit erkannte sie, dass Göttin Fortuna ihr Füllhorn nicht wahllos ausschüttet, sondern guckt, wer ihr mit Fleiß zugetan ist. Soll heißen: Im Hause Strätz wird in Sachen Gewinnspiel nicht gekleckert, sondern geklotzt.

„Ich widme meinem Hobby täglich ein bis zwei Stunden. Das ist richtig Arbeit“, gesteht die Rosenburgerin. Und weil das Glück nicht wie die goldene Gans über das Pflaster der Schloßstraße watschelt, investiert sie pro Monat rund 50 Euro in Porto, etwa 20 Euro in Telefonkosten. Neben den üblichen Gewinnspielen in Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern wird Fräulein Fortuna mit speziellen Zeitschriften auf die Sprünge geholfen. In letzteren kann man sich sogar wünschen, was man gewinnen möchte.

Im Jahr 2000 kassierte Sylvia Strätz eine Reise nach Australien. Doch die Airline ging pleite. Daraufhin ließ sich die Frau aus dem Elbe-Saale-Winkel den Gewinn auszahlen und buchte die gewünschte Tour im Reisebüro. Wenige Wochen später packten Sylvia und ihr Mann die Koffer für das Traumschiff „Aida“: Barbados, Trinidad, Grenada, St. Vincent. „Damals bin ich zum ersten Mal geflogen. Wir hatten bis dahin nur immer Urlaub im Harz gemacht“, erinnert sie sich.

2007 investierte die Postbotin 45 Cent in eine Ansichtskarte. Weil es 2000 so schön war, stand darauf der bündige Text: „Ich würde gerne eine Karibikkreuzfahrt machen“. Das „noch mal“ verkniff sie sich allerdings. Weil Wünsche aus dem Hause Strätz vermutlich im himmlischen Glücksamt wie Aufträge behandelt werden, aalten sich die beiden Rosenburger bald erneut in den Liegestühlen der „Aida“: Mexiko, Jamaika, Dominikanische Republik …

„Ich freue mich aber auch über kleine Preise“, gesteht die 57-Jährige. Dutzende Kuscheltiere, CDs, Bettwäsche oder Haushaltsgeräte verhelfen ihr auch zum Kick. Was natürlich relativ ist. So gewann Sylvia Strätz verschiedene exklusive VIP-Eintrittskarten, drückte DJ Bobo oder die Rapper von „Fettes Brot“ hinter der Bühne, saß beim Boxen (Eintrittspreis 220 Mark) in der ersten Reihe. „Eigentlich wollte ich Knabberzeug gewinnen. War aber trotzdem interessant beim Boxen.“

Während andere für ihr Hobby Werkstätten, Kraftkeller oder Bootsanleger ausbauen, richtete sich Sylvia Strätz ein Rätselzimmer ein. Hier wird mit der gebotenen Hingabe gerätselt, getippt, kreativ gestaltet. Warum letzteres? Die Rosenburgerin gibt grinsend einen Tipp: „Wenn Gewinnspielkarten auffällig sind, kann das hilfreich sein.“

Aha. So lassen sich Fortuna und deren Gehilfen also doch ein bisschen beeinflussen.

Und sie hat sich einen entspannten Pragmatismus zugelegt: „Ich nehme heute hauptsächlich an solchen Gewinnspielen teil, wo Dinge verlost werden, die wir oder unsere Freunde gebrauchen können.“

Keine weiteren Fragen.