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Sammlerserie Olaf Busch bewahrt Regionalgeschichte

Der Fernseher vom Typ „Leningrad“: 52 Kilogramm wiegt das gute Stück aus der Sammlung von Olaf Busch.

Von Klaus-Peter Voigt 03.08.2016, 14:30

Schönebeck l „Mein Vater entdeckte dieses Exemplar bei einem Trödler und er wusste, dass ich ein Faible für historische Radio- und Fernsehgeräte habe“, berichtet der 56-Jährige. So wurde die Sammlung des Schönebeckers um ein gewichtiges Modell erweitert. Der „Leningrad“ war in der Sowjetunion entwickelt worden und als Reparationsgut in der DDR gefertigt. Etwa 65 000 Geräte entstanden Anfang der 1950er Jahre, von denen nur rund 200 in der DDR blieben. Stattliche 3500 Mark kosteten sie damals.

Olaf Busch muss schmunzeln, wenn er zum Vergleich eines seiner kleinsten Sammelstücke aus dem Regal holt. Aus sowjetischer Produktion Mitte der 1960er Jahre stammt das Miniaturradio „Kosmos“, das problemlos auf eine Handfläche passt. Wegen seiner Größe war es vor allem bei Soldaten begehrt, die es mit auf Wache nahmen. Für den Mann, der 1976 seine Lehre im Staßfurter Fernsehgerätewerk begann, später studierte und heute noch im Nachfolgebetrieb von RFT arbeitet, sind die historischen Empfänger zum Lebensinhalt geworden. Schon sehr früh reparierte er alte Röhrengeräte, wickelte selbst Trafos und schaute immer wieder ins Innere von Fernsehern und Radios.

Der hohe Platzbedarf seines Hobbys bremse ihn oft aus, räumt Olaf Busch ein. So habe er sich vor allem auf die Produkte aus Staßfurt konzentriert. Dazu gehören unter anderem der erste DDR-Kofferfernseher von 1967 und ein prächtiger Farbempfänger, für den Colani nach der Wende das Design entwickelte. 1923 hatte in einer Staßfurter Dachbodenwerkstatt die Geburtsstunde der Radiofertigung am Standort geschlagen. Die Detektorempfänger machten moderneren Geräten Platz und der erste „Super“ in Europa wurde 1928 in Serie produziert. Teilweise lag damals die Exportquote schon bei 40 Prozent. Unter dem Markennamen „Stassfurter Imperial“ kamen weitere Rundfunkgeräte der Spitzenklasse dazu. Selbst der Volksempfänger, die sogenannte Goebbelsschnauze, gehörte später zum Fertigungsprogramm.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann man, das Unternehmen wieder zu beleben. Anfangs entstanden Geräte fast ausschließlich für die UdSSR. 1948 bekam das Unternehmen den Namen VEB Stern-Radio Staßfurt, bis schließlich die Produktion von Rundfunkempfängern zu Gunsten von Fernsehgeräten, die bereits seit 1957 vom Band liefen, eingestellt wurde.

Als Fernsehgerätewerk war das Unternehmen Platzhirsch in Ostdeutschland. Bis zum Ende der DDR entstanden rund 12,5 Millionen „Flimmerkisten“. In Spitzenzeiten liefen jährlich rund 450 000 davon von den Fließbändern. Exporte gingen in den Ostblock aber auch in die Bundesrepublik. Der Bedarf an Farbfernsehgeräten konnte bis zum Ende der DDR nicht befriedigt werden. Die Zahl der Mitarbeiter lag bis 1990 bei rund 3000. In den ehemaligen RFT-Werken werden heute bei TechniSat hochwertige Digitalfernseher hergestellt.

Besondere Aufmerksamkeit lenken in den Regalen des Fundus von Olaf Busch unscheinbare Radios der Marke „Elbia“ auf sich. Zwei Ingenieure hatten im August 1945 mit deren Produktion in Schönebeck begonnen. Anfang noch recht bescheiden mit irgendwo noch vorhandenen Bauteilen. Jedes der ersten Radios sei deshalb „eigentlich ein Unikat“. Die beiden Firmengründer flüchten fünf Jahre später in den Westen, und die Firma meldete Konkurs an. Das kommunale Wirtschaftsunternehmen KWU übernahm die Fertigung und verlagerte sie ab 1953 nach Calbe. Damit war der Grundstein für das Funkwerk gelegt.

Mit seinem Hobby bewahrt der Sammler Regionalgeschichte. Viele technische Lösungen der Vergangenheit muten in der Zeit von Computer, Internet und Handy fast abenteuerlich an. Da sind Konverter, mit denen die sogenannten zweiten Programme auf den ersten Schwarz-Weiß-Fernsehern zu empfangen waren. Stromregler sorgten dafür, dass einst die vielfach schwankende Spannung ausgeglichen werden konnten. Mit ersten, drahtgebundenen Fernbedienungen ließen sich gerade einmal Lautstärke und Helligkeit an Fernsehgeräten bequem vom Sessel aus regulieren.

Eine solche Sammlung technischer Geräte muss ständig gepflegt werden, sonst stehen sich die Schmuckstücke regelrecht kaputt, sagt Olaf Busch. Viele Reparaturen nehme er selbst vor. Dann sei da der Staub, ein Feind von elektronischen Teilen. Um Ergänzungen seines Bestandes ist ihm nicht bange. In der Wendezeit habe er manches vom Sperrmüll gerettet. Und auf Trödelmärkten werde man nach wie vor fündig.