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Sanierung Der Mann, der von Calbes Ruinen leben will

Wo andere verzweifeln, packt Ronny Quenstedt an. Der Dachdecker saniert Gebäude in Calbe. Das Ziel: Wohnraum schaffen.

Von Andreas Pinkert 16.09.2016, 01:01

Calbe/Breitenhagen l Es ist ein trauriger Anblick. Das verwaiste Wohnhaus in der Ritterstraße 4 fristet seit langem ein klägliches Dasein. Zwar ist die Straße 2014 grundhaft ausgebaut worden, doch der neue Fußweg ist bis heute nur mit mulmigem Gefühl zu nutzen. Ziegel und weitere lose Teile könnten von der Ruine auf Passanten herunterstürzen. Fallschutznetze sollen das verhindern. Kein seltenes Bild in der Saalestadt. Bislang traute sich angesichts des Zustands und des Denkmalschutzes kein Investor daran. Viele sahen den Abriss als einzige Möglichkeit.

„Ich habe es gekauft“, sagt Ronny Quenstedt, als wäre die Immobilie ein Produkt aus dem Supermarkt. Der gebürtige Breitenhagener hat dafür einen Plan. Die kommende Winterpause möchte der Dachdeckermeister nutzen, um das Haus zuerst „dicht“ zu bekommen, so dass der Innenausbau folgen kann. Platz für sieben barrierearme Wohnungen in Calbes Zentrum sollen entstehen. Und das zeitnah. Dass dies nicht die Luftschlösser eines 36-Jährigen sind, hat Ronny Quenstedt bereits eindrucksvoll bewiesen.

Rückblick: 2004 gründete der Dachdecker seine eigene Firma mit zwei Mitarbeitern. 2009 bestand er die Meisterprüfung. Im März 2012 entdeckte Ronny Quenstedt die Saalestadt für sich und kaufte das Haus am Markt 7, genau gegenüber des Rathauses. Schon zum Jahresende zogen in das fertig sanierte Wohnhaus die Mieter ein. Anfang 2013 folgte der nächste Streich mit dem Kauf der beiden Häuser in der Schloßstraße 32 (ehemaliger Kohlenhandel) und 33. Wieder gaben sich Handwerker verschiedener Gewerke die Klinke in die Hand. Entstanden ist ein kleines Wohnhaus, das eine Familie bewohnt sowie ein benachbartes Mietshaus mit sechs Wohneinheiten.

Dann kam, was wohl keiner erwartet hat: Das Hochwasser zerstörte komplett den Familiensitz in Breitenhagen und die in Lödderitz in Eigenregie als Wohnhaus und Betriebsgelände ausgebaute Scheune der Quenstedts. „Für ihn gab es keinen Zweifel, alles sollte nach der Katastrophe wieder aufgebaut werden“, sagt Ehefrau Heidi, die ihren Mann seit der ersten Klasse kennt. „Wenn er sich was in den Kopf setzt, dann zieht er es auch durch“, sagt sie. Die gelernte Krankenschwester hält ihrem Mann in der Firma und privat den Rücken frei. Zum Ehepaar gehören Ronja (8) und Tom (11).

Wenig freie Wochenenden, kaum Urlaub, dafür jede Menge Arbeit. Wofür das alles? „Wir wollen uns hier etwas aufbauen, von dem wir später einmal leben wollen“, sagt Ronny Quenstedt zu seiner Wiederbelebung maroder Bausubstanz in Calbe. Dieses Engagement blieb auch beim damaligen Bürgermeister Dieter Tischmeyer nicht unentdeckt, der an ihn herantrat und gezielt auf mögliche Immobilien ansprach.

Ronny Quenstedt kaufte Ende 2014 ein weiteres Haus am Calbenser Schloßanger, das nach einem Brand über Jahre allmählich verfiel. „Bevor es losgehen konnte, haben wir containerweise das gesamte Gelände von Schutt befreit“, erinnert sich der Handwerker. Im Sommer dieses Jahres wurde die Einweihung gefeiert. Dabei kocht der Chef noch selbst. Das ist mittlerweile schon fast eine Tradition. Aktuell bewohnen drei junge Familien die großzügigen Wohnungen mit Balkon und gepflegtem Innenhof.

Der Dachdecker betont, dass er sich ausschließlich auf das Bauen konzentriert. „Neben meiner Familie habe ich für Steuern, Finanzen und die Verwaltung gute Leute an meiner Seite, die sich um alles kümmern“, sagt der 36-jährige. Das sind beispielsweise Stefanie Sabrowski und David Kienscherf aus Calbe, die für alle verwaltungstechnischen Angelegenheiten sowie Abrechnung und nicht zuletzt für alle Mieterbelange zuständig sind. Sie sind es, die auch bei der Gestaltung der neuen Räume Empfehlungen geben.

Die Sanierung von Ruinen als ein reibungsloses Unterfangen? „Keineswegs“, raunt Heidi Quenstedt ob so mancher schlafloser Nacht. Das finanzielle Risiko schwebt wie ein Damoklesschwert ständig über den Quenstedts. Dazu gibt es die Behörden, den Denkmalschutz. „Dort mahlen die Mühlen manchmal sehr sehr langsam“, sagt Heidi Quenstedt etwas diplomatischer als ihr Mann es tun würde. Da könne sich die Fällung eines störenden Baumes vom verwilderten Nachbargrundstück schon mal über Monate hinziehen und den Zeitplan stören, sagt sie. Doch auch dieses Problem konnte mittlerweile gelöst werden. Für Mutter Heike ist die Sache klar: Entweder man leistet etwas oder man behauptet etwas zu leisten. „Ronny hat sich für das Entweder entschieden“, sagt sie stolz.