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Schachspiel Zug um Zug das Königsspiel entdecken

In der Kita „Haus des Kindes“ in Calbe wird mit Schach ein altes Denkspiel gepflegt.

Von Andreas Pinkert 19.07.2016, 21:37

Calbe l Nein, es braucht nicht zwangsläufig ein Smartphone und computergenerierte Wesen, um Vorschulkinder für etwas Neues zu begeistern. Es genügen ein Brett mit 64 Feldern, 32 Figuren und zwei Spieler. Das jahrhundertealte Königsspiel weiß auch im 21. Jahrhundert zu faszinieren. Und ganz nebenbei ist der kognitive Anspruch beim Schach ein weitaus höherer.

„Wir haben in unserer Vorschulgruppe einige Kinder, die im Alltag quirlig sind und sich sehr schwer auf etwas konzentrieren und länger bei einer Sache bleiben können“, erklärt Erzieherin Kirstin Kirst. Am gestrigen Vormittag wird eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen. Gespannt sitzen jeweils vier Mädchen und Jungen an drei kleinen Tischen und versuchen, die kindgerechten Schachaufgaben zu lösen, die ihnen die Calbenser Profis Klaus Krausholz, Frank Kaina und Ralf Dahlke von der TSG-Schachabteilung stellen. Und das über anderthalb (!) Stunden.

Im Gepäck haben die Männer pädagogische Arbeitsmaterialien, die der gemeinnützige Verein „Kinderschach in Deutschland“ bereit stellt. Dieser ist vor einigen Jahren angetreten, flächendeckend das königliche Spiel in deutschen Kindereinrichtungen einzuführen. Allein im vergangenen Jahr wurden nach eigenen Angaben insgesamt rund 100 Kindereinrichtungen in Sachsen-Anhalt geschult und mit methodischem Material ausgestattet. In der Saalestadt beteiligen sich die Arbeiterwohlfahrt-Kita „Haus des Kindes“ und die integrative Kita „Zwergenland“ (Lebenshilfe Bördeland gGmbH) am Projekt und haben Erzieherinnen zu entsprechenden Weiterbildungen entsandt.

„Welche Figur muss am Anfang neben dem Turm stehen?“, fragt Klaus Krausholz in die kleine Runde an seinem Tisch. „Der Springer“, schießt es bei Jean Luca heraus. Wie die Figuren heißen und wie sie über das Spielfeld ziehen, das wissen bereits alle. „Ich spiele das gern“, sagt Elias am anderen Tisch, der Schach auch von Zuhause kennt.

Wissenschaftliche Studien haben es bewiesen, was sich der Verein „Kinderschach in Deutschland“ letztendlich auf die Fahnen geschrieben hat: Das Schachspiel unterstützt die Konzentration, das vernetzte und strategische Denken sowie Fantasie und Kreativität. Zudem stärkt es auch das Sozialverhalten und Selbstbewusstsein der Kinder. Alles Eigenschaften, die später in der Schule, der beruflichen Ausbildung und im Beruf wichtig sind.

Aus Sicht der Calbenser Schachabteilung ergänzt Klaus Krausholz: „Wenn ein oder zwei Kinder dann später einmal den Weg zu uns finden, wäre das ein Glücksfall.“ Die Schachspieler stehen dabei in der schrumpfenden Saalestadt mit weiteren TSG-Abteilungen, Vereinen, der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk in Konkurrenz. Dabei ist die Schachabteilung momentan gut aufgestellt. „Wir zählen 28 Mitglieder, der jüngste ist elf Jahre und spielt bereits mit“, sagt Krausholz, der an diesem Vormittag durchaus Talente unter den Knirpsen ausmacht. Außerhalb der Ferien können Kinder und Jugendliche jeden Freitag zwischen 17 und 19 Uhr im Heger-Vereinsheim vorbeischauen.

TSG-Schachmitglied Georg Hamm verweist im Rahmen der Schachoffensive auf ein Weiterbildungsangebot für Erzieherinnen, das in Zusammenarbeit mit der Kreisvolkshochschule des Salzlandkreises demnächst angeboten wird (siehe Infokasten). Für den promovierten Naturwissenschaftler gilt das Schachspiel als probates Mittel der Bildung, um gesellschaftlichen Schieflagen entgegenzuwirken.

Die Mädchen und Jungen aus dem „Haus des Kindes“ jedenfalls freuen sich auf die kommende Woche, wenn sie wieder Schach üben.