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Stadtrat Fragen zur Tagesordnung unerwünscht

In den kommunalen Gremien können Einwohner Fragen stellen - nur eben nicht zu aktuellen Themen.

Von Jan Iven 26.03.2019, 05:11

Schönebeck l Sie gehören zu den überraschendsten Elementen der Sitzungen von Stadträten, Ausschüssen oder Ortschaftsräten: Die Einwohnerfragestunden. Denn im Vorfeld wissen die Räte bei dieser Praxis nicht, wie viele Bürger zu den Sitzungen kommen und welche Fragen sie stellen werden. Häufig beschweren sich die Einwohner dabei über alltägliche Dinge wie verdreckte Straßen oder den Bauhof, der mal wieder viel zu selten die Grünflächen pflegt. Oft genug kommen aber auch keine Bürger zu den Sitzungen, so dass die Einwohnerfragestunde ausfällt. Manchmal weisen aufmerksame Bürger dabei aber auch auf besonders brisante Probleme in der Kommune hin, von denen die Politiker und auch die anwesenden Journalisten bisher noch nichts wussten. Dann kann im besten Fall für Abhilfe gesorgt oder immerhin eine Debatte angestoßen werden.

Doch bei aller Unvorhersehbarkeit der Einwohnerfragestunde wissen die Stadträte eins allerdings ganz genau: Die Bürger werden keine Fragen zu den aktuellen Themen der Tagesordnung der Stadtratssitzung stellen. Denn das verbietet ihnen die Geschäftsordnung des Stadtrates. Das gilt in Schönebeck, aber auch in vielen anderen Kommunen im Salzlandkreis. Die Begründung der Politiker: Durch die Fragen der Einwohner in den Sitzungen könnten sich die Stadträte bei ihrer Meinungsfindung und ihrem Abstimmungsverhalten unter Druck gesetzt und beeinflusst fühlen. Die Politiker sollen daher frei und unbeeinflusst von Fragen und Anmerkungen der Bürger entscheiden können.

Im November 2017 haben die Schönebecker Stadträte diese Praxis erstmals etwas gelockert. So wurde in der neuen Hauptsatzung verankert, dass die Einwohner auch Fragen zu den Tagesordnungspunkten der Fachausschusses für Bau, Finanzen, Soziales und Wirtschaft stellen dürfen. Im Stadtrat, dem Hauptausschuss und den Ortschaftsräten müssen die Einwohner jedoch weiterhin zur Tagesordnung schweigen. Auf die Frage nach den Erfahrungen Stadtverwaltung mit dieser neuen Regelung antwortet Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz: „Bisher ist eine geringe Beteiligung der Einwohner zur Einwohnerfragestunde in den Fachausschüssen zu verzeichnen.“ Sprich: Die Bürger haben in den Ausschüssen kaum Fragen gestellt. Wobei bei den Sitzungen selten Einwohner anwesend sind. Stattdessen besuchen sie in erster Linie den Stadtrat. Beschwerden von Stadträten, dass die Bürger in Ausschüssen mit ihren Fragen einen unangemessenen Druck auf die Politiker ausgeübt hätten, sind bisher nicht bekannt.

Doch wie sieht es eigentlich in anderen Gremien im Salzlandkreis aus? Im Kreistag selbst sind Fragen zu den Themen der Tagesordnung zumindest nicht ausdrücklich verboten. „Zugelassen sind nur Fragen von allgemeinen Interesse, die in die Zuständigkeit des Kreises fallen“, heißt es in der Hauptsatzung, wie Marianne Bothe, Sprecherin des Kreises, auf Nachfrage der Volksstimme mitteilte. Das dürfte sich auch auf die Tagesordnungspunkte beziehen. Allerdings können die Vorsitzenden der Ausschüsse und des Kreistages die Fragen nach eigenem Ermessen einschränken. Allerdings gibt es in der Praxis auch nur wenige Anfragen von Einwohnern.

In Bernburg hat sich vor etwa einem halben Jahr etwas getan. So hat der Bernburger Stadtrat seine Geschäftsordnung zuletzt im Oktober 2018 überarbeitet. Seit dem gibt es für die Fragen von Einwohnern keine Beschränkungen mehr. Im Gegenteil: „Fragen zu Beratungsgegenständen werden zugelassen“, heißt es in der Hauptsatzung nun ausdrücklich.“ Und das gilt für alle Gremien in Bernburg, darunter den Stadtrat, alle Ausschüsse und Ortschaftsräte. Und welche Erfahrungen haben die Bernburger bisher mit der neuen Regelung gemacht? „Bisher keine schlechten. Allerdings ist die Teilnahme der Bürger in den Sitzungen eher überschaubar“, teilte der Bernburger Hauptamtsleiter Klaus Hohl mit.

In Staßfurt gibt es zumindest keine ausdrückliche Beschränkung für die Fragen von Einwohnern in Sitzungen. „Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es legitim ist, Fragen zu Verhandlungsgegenständen nicht zuzulassen“, teilte die Pressestelle der Stadt Staßfurt allerdings mit. „Werden Fragen zu Verhandlungsgegenständen gestellt, entscheidet der jeweilige Gremienvorsitzende, inwieweit die Fragen beantwortet werden können oder auf die spätere Diskussion der Gremienmitglieder und Beschlussfassung verwiesen wird.“

In Calbe können die Bürger hingegen keine Fragen zu den Themen der Tagesordnung stellen. „Die Kommunalverfassung räumt dem Stadtrat das Ermessen ein, darüber zu entscheiden, ob er Beratungsgegenstände im Rahmen der Einwohnerfragestunde zulässt oder nicht. Der Stadtrat der Stadt Calbe hat sich bisher in seiner Hauptsatzung gegen diese Variante entschieden“, teilte Calbes Bürgermeister Sven Hause (parteilos) auf Nachfrage der Volksstimme mit. „Diskussionen über eine Änderung treten immer wieder mal auf. Am Ende bedarf es letztendlich einer Mehrheit im Stadtrat für diese Variante.“ Sven Hause geht davon aus, dass die Regelung nach der Kommunalwahl erneut diskutiert wird. Änderung erwartet der Bürgermeister aber offenbar nicht.

Auch in der Gemeinde Bördeland können Angelegenheiten der Tagesordnung nicht Gegenstand der Fragestunde sein. Eine Überarbeitung steht nach den Kommunalwahlen im Mai an, teilte Hauptamtsleiterin Ursula Weck mit. In der Landeshauptstadt Magdeburg sind Fragen zur Tagesordnung nicht vorgesehen. In Halle hingegen sind sie üblich.

Sollten sich Bürger in kommunalen Gremien auch zu Themen der Tagesordnung äußern dürfen? Schreiben Sie uns ihre Meinung an E-Mail: redaktion.schonebeck@volksstimme.de