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Straussenfarm Mit „Sultan“ ist es gefährlich

Seit Jahren betreibt Norman Schnitzendöbel in Klein Rosenburg eine Straußenfarm. Dort werden die Laufvögel artgerecht gehalten.

Von Thomas Linßner 15.08.2017, 15:43

Groß Rosenburg l Sultan ist der Chef. Wenn er den Hals reckt, ist der dreijährige Strauß 2,20 Meter groß. Norman Schnitzendöbel blickt zu ihm auf. Im direkten wie übertragenen Sinne: Erstens, weil Sultan alle Jahre wieder für Nachwuchs sorgt und zweitens, weil er so ein wehrhaftes Kraftpaket ist.

Denn Sultan hat etwas dagegen.

Vater Reiner lenkt den großen Chef-Vogel - in sicheren Abstand hinter dem Zaun - mit allerlei Figuckchen ab. Norman, weil er der Jüngere ist und bei Sportlehrer Gunter Mittmann früher die 100 Meter in 13 Sekunden lief, muss in die Höhle des Löwen.

Pardon, in das Gehege des Straußes. Um die Eier einzusammeln, die Sultan bewacht. Denn die gehören zum Broterwerb der beiden Klein Rosenburger.

Würde Norman von Vater Strauß erwischt, gäbe es Fußtritte und Schnabelhiebe.

Aber was für welche! Denn so ein 130 Kilogramm schwerer Wüstenvogel ist ein wehrhaftes Tier, das austeilen kann, dass die Saaleaue wackelt.

„Von den Eiern lassen wir Eierlikör machen, den es in unserem Hofladen gibt“, erzählt Norman. Im nächsten Jahr will er sie aber auch ausbrüten lassen. „Die Brutmaschine ist zwei mal drei Meter groß“, umreißt der 41-Jährige mit den Händen eine imaginäre Kiste in der Luft. Wenn das gelingt, müssen die Jungvögel nicht mehr zu gekauft werden.

Derzeit tummeln sich in Klein Rosenburgs Saaleaue 86 Strauße. Davon 53 „Küken“, die aber auch schon wieder doppelt so groß sind wie ein ausgewachsener Gänserich. Sie sind unheimlich neugierig, lieben Schnürsenkel und Sandalenschnallen. Wer da als Besucher nicht aufpasst, wird entkleidet.

Wie Norman Schnitzendöbel sagt, werden jährlich 60 Tiere geschlachtet. Das Fleisch wird ausschließlich direkt vermarktet: im Hofladen in der Mittelstraße und auf Märkten.

Die Schlachtung erfolgt in der Straußen- & Damwildfarm Thurland zwischen Köthen und Bitterfeld, wo Schnitzendöbel auch die Küken kauft. Nach etwa einem Jahr ist der Strauß schlachtreif und bringt rund 90 Kilo auf die Waage. „Zirka 30 Kilo Fleisch können von einem guten Tier verwertet werden“, weiß der Klein Rosenburger. Die Haut wird zur Lederherstellung verwendet. So kann man im Hofladen nicht nur Fleisch, Wurst oder (leere) Eier kaufen, sondern auch Schlüsseletuis aus weichem Leder. Auch in der „Salzlandkiste“ (Geschenkpaket des Landkreises mit regionalen Produkten) steckt ein Glas Straußenpastete.

Straußenfleisch ist etwas für Genießer, fettarm und hundert Prozent Bio. Die großen Vögel bekommen nur natürliches Futter: Gras, Grassilage, Heu sowie Gerste und Weizen. Der Geschmack des Fleisches erinnert an Rinderfilet, aber auch ein bisschen an Ente oder auch Pute. Die sehr dunkelrote Farbe ähnelt magerem Rind- oder Wildfleisch. Straußenfleisch ist extrem mager und zart. Es zergeht auf der Zunge – vorausgesetzt, es wurde richtig zubereitet.

Als sich der ehemalige CNC-Maschineneinrichter Schnitzendöbel 2012 die ersten Strauße anschaffte, musste er den Küken noch das Fressen beibringen. Was kein Züchterlatein ist. „Die waren ja neu und konnten mit den Körnern noch nichts anfangen“, erinnert er sich. Soll heißen: Weil die gerade auf die Welt gekommenen Laufvögel nicht von älteren Artgenossen lernen konnten, musste der Mensch Norman ihnen vormachen, wie man frisst … „Ich habe mich auf den Boden gesetzt und mit dem Finger immer wieder in das Getreide getippt. Wir hatten ja beide keine Ahnung“, grinst der Klein Rosenburger. Irgendwann sei bei den neuen Hauptakteuren seiner Farm der Groschen gefallen.

Apropos, fressen. Was tun, wenn man keine guten Zähne hat und das Futter schwer verdaulich ist? Manche pflanzenfressenden Vögel mit ihrem zahnlosen Schnabel wie zum Beispiel Strauße lösen das Problem mit einer so genannten Magenmühle. Ihr Muskelmagen ist mit einer Hornschicht ausgekleidet und enthält Steine, die beim Zerkleinern, Zerreiben und dadurch auch beim Verdauen der Nahrung helfen. „Man hört es manchmal richtig klappern“, verrät Norman Schnitzendöbel.

Damit haben seine Strauße etwas mit Riesendinosauriern gemeinsam. Forscher fanden in deren Mägen auch Steine. Oder mit Rotkäppchen und dem Wolf ... Aber dieser Vergleich würde jetzt doch etwas zu weit führen.