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Trockenheit Wendet sich das Schicksal?

Kleingärtner in Calbe sehen ein rabenschwarzes Erntejahr für Obst und Gemüse. Ein Besuch.

Von Susann Salzmann 11.07.2018, 01:01

Calbe l Angesichts der Trockenheit und heißen Temperaturen kann Volker Rollert nur beide Hände über seinem Kopf zusammenschlagen. Vor etwa vier Wochen habe es den letzten richtigen Regen gegeben, der für die Obst, Gemüse und Pflanzen mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen ist. Seine Parzelle in der Kleingartenanalage „Erholung“ macht auf den ersten Blick keinen ausgedörrten Eindruck. Die Auswirkungen des - wie er findet - wüstenähnlichen Sommers zeigen sich bereits bei Eintritt in die Parzelle. Astern, Rollerts Lieblingsblumen, sind vertrocknet. Die Köpfchen hängen nach unten. Noch Mitleid erregender sind die Sauerkirschen dahinter. In diesem Jahr viel kleiner. So wie auch die Äpfel am kleinen Bäumchen.

„Wenn das so weiter geht, stehen hier im nächsten Jahr ein Bananen-, Organgen- und Zitronenbaum“, nimmt der das tropisch anmutende Wetter bisher noch mit Humor, macht allerdings den Klimawandel für die Situation mitverantwortlich. Ganz im Gegensatz zum Gemüse. Die Gurkenpflanzen kommen in diesem Jahr auch nicht richtig aus sich raus. Doch am schlimmsten sieht es bei den Kartoffeln aus. „Die meisten sehen in diesem Jahr nur so aus“, formt Rollert mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Entsprechende Exemplare muss er nicht lange suchen und hält die Miniaturausgaben der Kartoffeln in die Höhe. Im Vergleich zu den letzten Jahren sind die Kartoffeln um bis zu viermal kleiner. Manche sind freilich größer.

Seit fünf Jahren besitzt der 63-jährige Calbenser einen Kleingarten. Mit Blick auf den Ernteertrag hat sich dieses Jahr bisher von seiner ganz schlechten Seite gezeigt. „Meine 3.000 Liter in den Regentonnen sind inzwischen alle aufgebraucht“, sagt Rollert. Nun wird das Wasser zum Gießen von der Trinkwasserleitung abgezapft. Jeden Tag rund 20 Gießkannen. Das macht 200 Liter. Jeden Tag. In den einzelnen Parzellen ist ein Wasserzähler angebracht. Was vergossen wird, wird bezahlt. Und das geht nach so langer Trockenheit ins Geld. Deshalb hat Rollert seine Strategie nun geändert: Er kauft sein Gemüse nun mitunter im Discounter. „Weil es teilweise günstiger ist, als jeden Tag so viel zu gießen“, bekräftigt er seine Meinung.

Gegenüber der „Erholung“ liegt der „Feierabend“. Mit 102 Parzellen ist sie die größte Anlage in der Saalestadt. Hier beobachtet der Vorsitzende, Detlef Stuhrmann, dass einige Kleingärtner sich der Hitze und Trockenheit ergeben hätten. „Sie reißen raus, lassen liegen oder haben das Gießen und Sprengen schon eingestellt“, erzählt er. Die Fässer und Regentonnen seien längst leer. Mit jedem Tropfen aus der Wasserleitung fallen für den Kleingärtner Kosten an. Hier und da seien die Möhren unter den Witterungsbedingungen gar nicht erst aufgegangen. Bei Salaten, Gurken, Radieschen und Kohlrabi sieht Stuhrmann in diesem Jahr einen beinahen Totalausfall in der Ernte. Sie seien hitzebedingt nicht oder kaum gewachsen. Das Problem, das er sieht - auch wenn gegossen wird: „Bei hohen Temperaturen verdunstet das Wasser so schnell, ohne tiefer in den Boden zu dringen“, sieht er sogar Gießbemühungen ohne allzu fruchtende Wirkung.

Dass das Ernteruder noch herumzureißen ist, glaubt Stuhrmann nicht. Seine rund 100 Mitglieder könnten ab dem Wochenende sogar mit einem Erlass eingeschränkt werden. „Fällt bis zum Wochenende kein Regen, wird es wohl ein Verbot geben, weiter mit Trinkwasser Pflanzen und Gemüse zu gießen oder zu sprengen“, sagt Stuhrmann.

Von der Bahnhofstraße in die Barbyer Chaussee. Dort draußen hat die „Grüne Aue“ ihren Sitz. Trinkwasserleitungen gibt es hier nicht, dafür aber Brunnen auf jedem einzelnen Gartengrundstück. Die Nutzung der 3,50 bis 3,80 Meter tiefen Brunnen sind Segen und Fluch zugleich. „Das Wasser ist sehr nitrathaltig, Regenwasser wäre viel besser“, sagt Vorsitzende Kurt Vaupel. Natürlich bewässere er nun notgedrungen auch mit dem Wasser aus dem Brunnen. So lange es eben reiche. Der Pegelstand derzeit: 72 Zentimeter - und damit rund einen halben Meter weniger als üblicherweise zu dieser Jahreszeit. Jeden zweiten Tag bekomme sein Garten 600 Liter. Aber die ersten Resultate des übermäßigen Gießens mit nitratbelastetem Brunnenwasser seien bereits sichtbar: Grüne Bohne vertrügen es nicht, wuchsen weniger als üblich; die Radieschen sind gar nicht erst aufgegangen. Nitrate werden vor allem gefährlich, wenn sie durch Bakterien in Nitrite umgewandelt werden. Sie können den Sauerstofftransport stören; bestimmte Verbindungen stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.