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Übernahme Grimm: „Was haben wir davon?“

Die Saalestadt Calbe soll neu gebaute Feldwege übernehmen. Im Bauausschuss gab es Zweifel an dem Verfahren.

Von Thomas Höfs 15.09.2019, 17:22

Calbe l Immer wenn neue Straßen gebaut, die großen Felder zerschneiden und so aus großen viele kleine Flurstücke machen, kommt das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (Alff) ins Spiel. Rund um Calbe haben die Fachleute in der jüngeren Vergangenheit sich mit diesem Thema beschäftigt. Calbe bekam eine neue Ortsumgehung. Auch im Nachbarort Brumby wird der Verkehr nun weit um das Ortszentrum geführt, um die Bürger beim Lärm und Staub zu entlasten.

Bei der Freude über neue Straßen geht dabei unter, dass die Landwirtschaftsbehörde anschließend oft jahrelange Verfahren führt, um Flächen neu zu ordnen. Dabei geht es darum, Flächen, die für den Straßenbau verbraucht wurden, für die Landwirtschaft auszugleichen und die Wegebeziehungen neu herzustellen. Wie in einer bebauten Stadt müssen auch die Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Flächen jederzeit auf öffentlichen und damit jedem zugänglichen Wegen ihr Grundstück erreichen können.

Das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten stellt dabei Wege neu her und schließt sie an das vorhandene Wegenetz an. Allerdings baut die Behörde nur noch neue Feldwege, wenn die betroffene Kommune der Gemarkung zuvor erklärt, dass die die Baulast der öffentlichen Verbindung auch übernehmen werde, sagte ein Vertreter der Behörde in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses.

In Sachsen-Anhalt, so der Fachmann weiter, gebe es zu der Problematik keine gesetzlich verbindliche Regelung für die Kommunen. In anderen Ländern sei dies eindeutiger geregelt. Lehne die Kommune die Übernahme der Baulastträgerschaft ab, werde das Alff die Wege nicht bauen. Damit könnten dann mitunter Grundstückseigentümer nicht mehr auf öffentlichen Wegen zu ihrem Eigentum gelangen, sei die Konsequenz.

„Sie haben die Wege schon gebaut, ohne die Eigentümer zu fragen“, meldete sich Stadtrat Gerhard Denkert (FWG Calbe) zu Wort. Er sei selbst betroffen, sagte er weiter. Das ganze Verfahren spiele sich nur in den Behörden ab, kritisierte er. Die betroffenen Grundeigentümer würden immer erst informiert, wenn alles längst entschieden sei.

Christian Behlau (Linke) fragt in Richtung Verwaltung, ob den Stadträten mit einfachen Worten die Vor- und Nachteile der Entscheidung dargelegt werden könnten. Er sei berufstätig und ehrenamtlich im Stadtrat. Die ganze Angelegenheit sei so technisch und abstrakt, dass die Stadträte mehrfach nachfragten, um den Sachverhalt zu verstehen. Bei der Flurneuordnung, soviel wurde bekannt, geben die Grundeigentümer ihre Grundstücke in einem vorher genau definierten Bereich in einen Topf. Die Landwirtschaftsbehörde ermittelt dann für die betroffenen Flächen Werte anhand der Größe und der Beschaffenheit der Böden. Diese Werte werden dann in Punkte angegeben. Bei der Neuverteilung der Flächen dürfen die Eigentümer nicht schlechter gestellt werden, hieß es. Die Neuverteilung müsse sicherstellen, dass die Eigentümer vergleichbare Flächen erhalten. Dann werden die Wege neu gebaut, wenn sie nicht zu jedem Flurstück reichen.

„Was haben wir davon, wenn wir die Wege nicht benutzen dürfen“, fragte Manfred Grimm (ALC/SPD). „Selbst ich als Ortsbürgermeister darf nicht über die ausgebauten Wege fahren, um mal von Zeit zu Zeit zu schauen, wie viel Dreck in der Gemarkung liegt“, sagte er. Da stelle sich die Frage, warum die Kommune dann die Wege überhaupt übernehmen solle, meinten die Stadträte. Die Verunsicherung war bei der anschließenden Abstimmung zu sehen. Mal stimmte ein Stadtrat und mal auch nur der Bürgermeister für die Annahme der Beschlussvorlage. Jeweils fünf Stadträte enthielten sich der Stimme. In den kommenden Wochen werden sie sich mit der Thematik noch einmal in den Fraktion befassen und versuchen zu erfassen, warum die Übernahme der Wege für die Kommune einen Vorteil haben soll. Überzeugt hat die meisten der Auftritt der Mitarbeiter des Amtes für Landwirtschaft, Flurneueordnung und Forsten an dem Abend nicht.