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Urteil Verfolgungsjagd endet im Knast

Ein Wiederholungstäter flieht im Sommer 2017 in Gnadau vor der Polizei - jetzt wird er zu acht Monaten Haft verurteilt.

Von Melanie Dahrendorf 30.05.2018, 22:35

Schönebeck l „Das Problem ist, dass Ihnen Ihre Vergangenheit jetzt auf die Füße fällt“ – mit diesem Satz begründet Strafrichter Eike Bruns das Urteil. Ein Schönebecker muss jetzt acht Monate lang ins Gefängnis. „Ich gebe alles zu“, beginnt er bei der Gerichtsverhandlung im Amtsgericht Schönebeck: „Die Zeugen brauchen wir gar nicht anzuhören, ich gebe alles zu.“ Der Mann wollte „aus seinem früheren Leben verschwinden“ und betitelt seine Tat als „sehr dumm“.

Unter Drogeneinfluss leistete er sich im vergangenen Jahr eine Verfolgungsjagd mit zwei Barbyer Polizeibeamten. Diese wollten ihn im Juni vergangenen Jahres ursprünglich nur anhalten, weil sie beobachtet hatten, dass der Fahrer nicht angeschnallt war. Doch anstatt anzuhalten, fuhr er den Polizeibeamten mit überhöhter Geschwindigkeit davon: Ohne Führerschein, mit dem Auto seiner Ex-Freundin – und mit gefälschter TÜV-Plakette. Ein Kumpel wollte diese für ihn zulassen, erzählt er. Das Auto hatte er über Freunde in eine Werkstatt bringen lassen. „Mir war schon vorher klar, dass das nicht so ganz legal sein kann.“ Zu dem Auto selbst habe er keine Zulassungspapiere gehabt. „Sie haben die Plakette zwar nicht selbst hergestellt, aber Sie sind damit gefahren. Dazu kommt, dass das Auto nicht versichert war“, ergänzt Eike Bruns. Dafür hatte der Angeklagte laut eigener Aussage damals keinen Kopf – er habe die Erkenntnis, dass es falsch war, erst später in der Haft gehabt. Die Zeugen können mittlerweile wegen des umfassenden Geständnisses ungehört entlassen werden. Der Angeklagte zwinkert seiner Freundin zu, die bei den Zuhörern sitzt.

Eike Bruns rekonstruiert kurz die Vergangenheit des Angeklagten. Nach der achten Klasse von der Schule abgegangen, die Schreinerlehre nicht beendet, da er die Prüfung nach zweieinhalb Jahren nicht schafft. Jetzt lebt er mit seiner Freundin zusammen im Saalekreis. Seine Aktuelle Aufgabe? „Hausmann.“ Der Angeklagte ist bereits polizeibekannt: mehr als 60 Straftaten hatte der 30-Jährige bereits verübt – und kam stets mit einem blauen Auge davon. Alleine das Verlesen der Vorstrafen dauerte einige Minuten: Unter anderem gefährliche Körperverletzung, Diebstahl, räuberische Erpressung und Fahrerflucht sind mit dabei.

Viele angehäufte Sanktionen konnten den gebürtigen Schönebecker nicht von weiteren Straftaten abhalten. Die bisherigen Geldstrafen, sagt er, die „müssten eigentlich alle bezahlt sein.“ Ein fragender Blick geht zu seiner Freundin und zu seinen Freunden, die zahlreich erschienen sind und fast alle Plätze im Amtsgericht einnehmen. Auch die letzte Bewährungsstrafe „sollte inzwischen vorbei sein“, sagt seine Freundin. „Dazu finde ich nichts“, unterbricht sie der Richter: „Hier steht, dass die Strafe noch bis März 2019 gilt.“

Es folgt eine kurze Diskussion darüber, dass keine Post dazu beim Angeklagten ankam, welche der Richter aber mit einem „Wir haben die Zustellungsurkunde, also kam das auch bei Ihnen an“ widerlegt.

Jetzt, sagt der Angeklagte, wolle er endgültig mit seinem alten Leben abschließen. Seine Freundin ist hochschwanger. Der Entbindungstermin sei schon im nächsten Monat. Diese Aussage wirkt jedoch nicht strafmindernd. Der Angeklagte hat bereits einen Sohn. Er lebt bei seiner Mutter. Unterhalt zahlt er nicht: „Aber ich gebe so Geld hin.“

„Der Vorteil ist“, sagt Eike Bruns, „dass sie umfänglich bestätigt haben, was Ihnen zur Last gelegt wird. Der Nachteil dabei die einschlägige Vorbelastung.“ Die Staatsanwältin plädiert auf ein Jahr und drei Monate Gefängnis - ohne Bewährung: „Wenn er sein Leben hätte ändern wollen, wäre das schon beim ersten Kind passiert – aber die Besserung kam nicht.“

Der Verteidiger hält dagegen: Sein Mandant habe schließlich „nicht auf der faulen Haut gelegen“. Dafür fordert er eine Geldstrafe: 80 Tagessätze á 50 Euro. „Er hat ja nichts, deshalb diese Summe“.

Der Wunsch des Täters ist deshalb auch eine frühere Entlassung aus der jetzigen Untersuchungshaft – immerhin werde er demnächst Vater. Dieser Bitte kommt Richter Bruns nicht nach: Der Angeklagte wird zu acht Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Außerdem darf ihm ein Jahr lang kein Führerschein ausgestellt werden. Noch ist der Täter auf Bewährung – dazu kommt erschwerend, dass er die Plakette „zwar nicht selbst aufgeklebt, aber dafür davon gewusst“ habe. Zur Urkundenfälschung zählt bereits, mit der gefälschten Plakette herumzufahren. Für eine weitere Geldstrafe sei laut Bruns gar kein Raum mehr gewesen: „Ich glaube Ihnen, dass Sie Ihr Leben in den Griff bekommen wollen, das wird ehrlich gesagt auch höchste Zeit.“ Nach der Gerichtsverhandlung gibt es Tränen bei den Pozess-Zuschauern: „Kann ich mich wenigstens noch von meinem Bruder verabschieden?“, ertönt es von einem Mann aus den Besucherreihen. Schließlich stehen alle auf, die den Angeklagten begleitet haben, um ihn zu verabschieden. „Sie können gerne in Berufung oder Revision gehen“, sagt Richter Bruns abschließend. Damit ist die Verhandlung geschlossen. „Hoffentlich nutzen Sie ihre Zeit dann für etwas sinnvolles“, ergänzt Bruns, bevor der Verdächtige wieder in Untersuchungshaft geführt wird: „Es wird dort einige Möglichkeiten geben, um den Berufsabschluss nachzuholen.“

Das war noch nicht die letzte Verhandlung: Zwei Anklagen hat Eike Bruns immer noch auf dem Tisch liegen.